In Baden-Württemberg, in Teilen Bayerns und in Südhessen sind die Teilhabechancen besonders gut. In vielen ostdeutschen Regionen sowie fast allen ländlichen Kreisen und den Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet sieht der Teilhabeatlas deutlich schlechtere Chancen für Menschen. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hatte in Zusammenarbeit mit der Wüstenrot Stiftung eine umfangreiche Untersuchung zu Teilhabechancen vorgenommen. Die Ergebnisse werden im sogenannten Teilhabeatlas präsentiert. Gemessen wurde die Teilhabe anhand einer Reihe von Indikatoren wie der Quote von Sozialleistungsempfängern, der Höhe der Einkommen, der Verfügbarkeit schneller Internetzugänge, der Schulabbrecherquote, der Lebenserwartung oder der Erreichbarkeit von Ärzten, Supermärkten und weiteren alltäglichen Dienstleistungen.
Große Unterschiede in Deutschland – große Unterschiede aber auch im Kleinen
Die Lebensbedingungen und Teilhabechancen unterschieden sich aber nicht nur zwischen den 401 kreisfreien Städten und Landkreisen, sondern auch innerhalb der Regionen. Überall gibt es Quartiere oder Ortschaften, die vor größeren Problemen stehen als ihre Nachbarbezirke oder -dörfer. In den Städten sind das oft sogenannte Vielfaltsquartiere, in denen ein hoher Anteil an Transferempfängern und Zugewanderten auf eine mangelhafte Infrastruktur und klamme öffentliche Kassen trifft. Die Menschen dort finden ganz andere Lebensbedingungen vor als jene in gut situierten Stadtteilen. Auf dem Land spielt es eine Rolle, ob die Befragten in einem kleinen, abgelegenen Dorf leben oder etwa in der Kreisstadt, in der sich viele Versorgungseinrichtungen bündeln. Somit können selbst innerhalb einer Stadt oder eines Landkreises die Lebensverhältnisse und Teilhabechancen unterschiedlich bzw. ungleich sein.
Wahrnehmung von Teilhabechancen
Neben der Indikatoren-Analyse wurden gut 300 Personen aus 15 Regionen über ihre Wahrnehmung der Teilhabechancen befragt. „In den Gesprächen zeigte sich, dass die Menschen ihre Lebensbedingungen weitgehend realistisch einschätzen“, sagte Manuel Slupina vom Berlin-Institut. Herrsche das Gefühl vor, dass sich eine Region positiv entwickele, würden die Bewohner ihre persönliche Lage optimistischer einschätzen. Umgekehrt fühlen sich Befragte demnach abgehängt, wenn sie wenig Perspektiven erkennen.
Regionale Vielfalt statt „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“
Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, für „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in allen Teilen des Landes zu sorgen. Mit einem Zwölf-Punkte-Plan will sie schwache Gegenden in Deutschland stärken. Die Autoren des „Teilhabeatlas“ sehen das ganz anders: Die Studie hat vor allem gezeigt, dass die Regionen in Deutschland und die Lebensbedingungen vielfältig sind. Anstatt eine nicht zu erfüllende „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ zu verfolgen, sollte die Politik lediglich eine bundesweit einheitliche Grundversorgung definieren, fordert Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Dazu gehöre etwa eine garantierte Elektrizitätsversorgung und eine ordentliche Internetverbindung.
Quelle: Berlin-Institut für Bevölkerung Entwicklung