Hartz-IV-Empfängern unter 25 Jahren können die Leistungen relativ schnell komplett gestrichen werden, wenn sie ihre Pflichten nicht erfüllen. Bei Erwachsenen ist das schwieriger und erst nach erheblichen Pflichtverletzungen möglich. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit spricht sich schon seit langem dafür aus, die verschärften Sanktionsregeln für U25 abzuschaffen. Über den Sommer hat die Kritik an den extra Strafen für junge Leistungsbezieher zugenommen. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hatte die Debatte um die umstrittenen Sanktionen für Jugendliche erneut angestoßen. Dem Sozialwissenschaftler Gerhard Wegner geht der Vorschlag von SPD-Chefin Andrea Nahles nicht weit genug. Der Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) plädiert dafür die Strafen für Langzeitarbeitslose und Aufstocker komplett zu streichen.
Keine verschärften Sanktionen für junge Hartz IV-Empfänger
Nahles lehnt die verschärften Sanktionen für U25 ab. Ihr gehe es darum, „junge Hartz-IV-Empfänger nicht stärker zu sanktionieren als andere“. Nahles‘ Parteikollegin, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, hatte sich ähnlich geäußert.
Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spricht sich gegen altersabhängige Sanktionen beim Verstoß gegen Regeln von Jobcentern aus. Solxche Strafen verstoßen nach Auffassung des kommissarischen Leites der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke, gegen das Gleichbehandlungsgebot. Die Antidiskriminierungsstelle unterstützt aus diesem Grund Forderungen nach einer Abschaffung. Es lasse sich nicht überzeugend belegen, dass die Sanktionen die vom Gesetzgeber beabsichtigte pädagogische Wirkung zeitigten und eine solche Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt wäre. Junge Menschen seien mit den Funktionsweisen eines Systems wie der Arbeitsverwaltung kaum vertraut und trügen daher ein höheres Risiko, gegen Pflichten zu verstoßen. Es bestehe daher die Gefahr, dass sie im Falle einer härteren Sanktionierung dann den Kontakt zu Jobcentern komplett meiden.
Der Deutsche Landkreistag hat sich in der Debatte um Hartz-IV-Sanktionen gegen eine vollständige Abschaffung von Leistungskürzungen für junge Hartz-IV-Empfänger ausgesprochen. Er forderte aber eine Vereinfachung und Angleichung an die Sanktionen für Erwachsene. Es sei nicht notwendig und sogar hinderlich, für zwei Personengruppen zwei verschiedene Sanktionsmechanismen zu haben, erklärte der Kommunalverband, der die Landkreise vertritt.
Die Union lehnt die Forderung von Nahles ab, bei jungen Hartz-IV-Empfängern auf Sanktionen zu verzichten bzw. diese zu entschärfen. Dies komme nicht in Frage, sagte der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Gröhe, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Zur Unterstützung durch Hartz IV gehören eben auch Mitwirkungspflichten mit dem Ziel, wieder Arbeit zu finden.“ Das sei gerade bei jungen Arbeitslosen wichtig.
Sanktionen ganz abschaffen
Der hannoversche Theologe und Sozialwissenschaftler Gerhard Wegner unterstützt die Forderung nach einer Abschaffung von Sanktionen für junge Hartz-IV-Empfänger. Er würde sogar noch einen Schritt weitergehen und bei allen Hartz-IV-Beziehern komplett auf Sanktionen verzichten, sagte Wegner dem Evangelischen Pressedienst (epd). Studien belegten, dass solche Strafmaßnahmen nur für einen Teil der Betroffenen eine antreibende „Push-Funktion“ hätten. „Für einen anderen Teil ist das aber ein Tritt in die Depression“, erklärte er. Das gelte für Jugendliche und für Erwachsene gleichermaßen. Wagner plädiert schon seit langem dafür, Hartz IV auf ein Belohnungssystem umzustellen: „Die Menschen dürfen nicht dafür bestraft werden, wenn sie etwas nicht schaffen. Sie müssen vielmehr dafür belohnt werden, wenn sie etwas schaffen.“ Die notwenige Unterstützung, die Menschen benötigten, die schon länger arbeitslos seien könnten die Fallmanager nicht leisten. Wagner, der das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland leitet, spricht sich dafür aus, Sozialpädagogen in den Jobcentern einzustellen; insbesondere für die Betreuung Jugendlicher.
Beim Bundesverfassungsgericht steht noch ein Verfahren aus, in dem darüber entschieden werden muss, ob die Hartz IV-Sanktionen verfassungsgemäß sind oder nicht. Der Verandhandlungstermin lässt bereits seit längerm auf sich warten.
Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit; ard; epd; EKD; Funke Mediengruppe; Passauer Neue Presse