Jugendsozialarbeit vor neuen Aufgaben oder auf dem Abstellgleis? – Die Nachrangigkeit der Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII und ihre Perspektiven nach Einführung des SGB II Auszug aus der Einladung zum Fachtag der BAG Jugendsozialarbeit am 25. April 2005: „…Das SGB II hat wesentlichen Einfluss auf angrenzende Leistungsbereiche anderer Sozialgesetzbücher. Auch die Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII ist betroffen. Deren Auftrag steht in Konkurrenz zu den durch § 3 Abs. 2 SGB II geregelten Leistungen der Eingliederung in Arbeit und Ausbildung für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. Hinzu kommt, dass im Kommunalen Optionsgesetz die Nachrangigkeit der Leistungen nach § 13 SGB VIII festgeschrieben wurde. Es ist nicht verwunderlich, dass diese neue Rechtslage Verunsicherungen und Befürchtungen hervorruft und die Zukunft der Jugendsozialarbeit auf der Ebene der Kommunen und von Landesprogrammen unklar ist. In der Praxis besteht die Gefahr, dass die Integrationsleistungen der Jugendsozialarbeit durch das mit der „Hartz-Gesetzgebung“ intendierte Ziel der schnellen und kostengünstigen Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt verdrängt werden könnten. Zudem gibt es Befürchtungen, dass die im Optionsgesetz zum SGB II festgelegte Nachrangigkeit des § 13 SGB VIII gegenüber den Maßnahmen nach SGB II dazu führen wird, dass das Leistungsangebot der Jugendsozialarbeit durch die Angebote der Bundesagenturen ersetzt wird. Eine weitere Konsequenz könnte sein, dass bisher bewährte Maßnahmen der Jugendsozialarbeit durch die im Rahmen des § 16 (3) SGB II geförderten Arbeitsgelegenheiten für junge Menschen unter 25 Jahren verdrängt werden. Diese öffentliche Kontroverse um die Zukunft des § 13 SGB VIII berührt zunächst Fragen der rechtlichen Bewertung des Vor- und Nachrangverhältnisses zwischen unterschiedlichen Sozialleistungen für den gleichen Personenkreis. Die BAG Jugendsozialarbeit hat deshalb Prof. Dr. Peter Schruth, Hochschule Magdeburg-Stendal, mit einer Expertise zur Leistungs-konkurrenz zwischen SGB II und § 13 SGB VIII beauftragt. Dort wird geprüft, inwieweit die offensichtlich bestehende Konkurrenz zwischen § 3 Abs. 2 SGB II und § 13 SGB VIII rechtliche Wirkung entfaltet. Zu klären war auch, ob und wie vermieden werden kann, dass Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Leistungsträgern nach dem SGB II und dem Jugendhilfeträger zu Lasten anspruchsberechtigter junger Menschen gehen. Vor dem Hintergrund dieser Expertise werden Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und der Jugendsozialarbeit Impulse und Statements zum Tagungsthema abgeben. Ziel ist es, den eingeständigen Auftrag und das Aufgabenprofil der Jugendsozialarbeit zu verdeutlichen und einzufordern…“ Notizen über die Inhalte der Tagung von Jürgen Döllmann, Kolping Jugendberufshilfe, Köln:: “ Prof. Dr. Peter Schruth von der Hochschule Magdeburg referierte zur Leistungskonkurrenz zwischen SGB II und § 13 SGB VIII. Seine Expertise im Auftrag der BAG Jugendsozialarbeit ist auf deren Homepage abzurufen. [siehe auch Anhang] Hauptfragen: Was geschieht mit den jungen Menschen, wenn das SGB II die Leute nicht mehr erreicht? Oder anderes ausgedrückt: Ist eine jugendhilfe-orientierte Jugendsozialarbeit durch das SGB II obsolet ? Und was heißt „erheblich sozialpädagogischer Unterstützungsbedarf“ Prof. Dr. Claus Reis von der Fachhochschule Frankfurt betonte in seinem Vortrag die unterschiedlichen Auslegungen zur Integration junger Menschen bei der Neuformulierung des § 10 SGB VIII. Einzelne Jugendämter würden betonen, dass man die Jugendsozialarbeit nicht mehr brauchen würde, und andere Jugendämter würden die Neuregelegung als Ergänzung zum Leistungsbereich begreifen. Für ihn war auch noch als Unterschied wichtig, dass das SGB II als Voraussetzung Eigenverantwortung hat und das SGB VIII das Ziel Eigenverantwortung hat. Deutlich wird es auch daran, dass das SGB II einen Leistungsprozess konstruiert mit dem Ziel der Integration von Arbeitslosen in die Erwerbsarbeit, während das SGB VIII keinen einheitlichen Leistungsprozess beinhaltet, sondern einen Auftrag definiert. Im Nachhinein definierte Prof. Reis noch einmal die Leistungsprozesse in SGB II (Input, Leistungsangebot durch den Träger, Inanspruchnahme der Leistung, Ergebnisse (z.B. Arbeitsvermittlung, Leistungsbeendigung), Wirkung (z.B. nachhaltig vermittelte Bewerber), Auswirkung auf den Arbeitsmarkt. Vorentscheidung auf der Angebotsseite: Auf der lokalen Ebene werden strategische Entscheidungen getroffen, Aufbau- und Ablauforganisation definiert, und der Betreuungsschlüssel und Qualifikationsniveau des Personals festgelegt. Die Struktur von Eingliederungsangeboten nach dem § 16 Abs. 1 und § 3 SGB II können lokal festgelegt werden. Angebote nach § 16 SGB II werden auf das Ziel „Aufnahme einer Erwerbstätigkeit“ ausgerichtet. Die Ausgangslage der jugendlichen Klientel ist durch eine Heterogenität der Klientel (hohe Anforderungen an das Assessment), die aktuelle Arbeitslosigkeit und die Tatsache definiert, dass in der Ausbildung von Identität negativen Erfahrungen unterschiedlich verarbeitet werden. Die Festlegung von Merkmalen des Leistungsprozesses ist durch das SGB II betont den individuellen Zuschnitt von Eingliederungsstrategien, lässt allerdings kaum Spielräume zu bei der Verhängung von Sanktionen (Gefahr, dass Zwang zur Beratungsmethode wird). Fallmanagement Herstellen eines Arbeitsbündnisses (= Beratung). Zielorientiertes Erkennen von Problemlagen und Ressourcen (= Assessment). Erarbeitung von Zielvereinbarungen und Hilfeplänen (Eingliederungsmanagement). Steuerung der Leistungserbringung (Eingliederungsmanagement). Mitwirkung bei der Steuerung des Leistungsangebotes (= Angebotssteuerung). In den Vorstellungen der Bundesagentur für Arbeit beginnt die Handlungsprogrammatik des persönlichen Ansprechpartners mit dem Assessment und nicht mit der Beratung. Dies führt zu einem Ausgrenzungsrisiko für benachteiligte Jugendliche. Als Wirkung beschrieb er Auswirkungen in den USA: Herausbilden instabiler Erwerbskarrieren, kaum Aufstiegschancen, Selbstbewusstsein durch Scheitern geschwächt, Druck auf das Lohnniveau im prekären Beschäftigungssektor, erhöhte Kriminalitätsrate. Markus Schnapka aus Bonn hielt einen Vortrag unter der Überschrift „Verdrängen oder gewinnen – Auswirkungen des SGB II auf kommunale Jugendpolitik der Länder“. Für ihn ist als Gewinn die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendhilfegesetz (Tagesbetreuungsausbaugesetzes/TAG) sowie die Jobcenter U 25 zu sehen. Er konzertierte allerdings, dass in den Agenturen die Abwicklung der neuen Leistungen Priorität habe und dass die Anzahl der Fallmanager zu gering und häufig schlecht ausgebildet seien. Insofern beobachtete er einen Stillstand und Paralyse. Die Jugendkonferenzen haben wohl bisher nur in drei bis 4 Kommunen stattgefunden und die Eingliederungsvereinbarungen haben zu wenig Wert. Bei den Kommunen geschehe die Verdrängung durch die Verschiebung im Jugendbildungsbereich, so dass, wenn innerhalb des Bereiches etwas finanziell besser ausgestattet werden soll, in genau dem gleichen Bereich auch gekürzt werde. Bei den Jugendlichen stellte er ein Abtauchen vieler Jugendlicher sowie das Schwierigerwerden von Eingliederungen fest. Dem gegenüber betonte er, dass man in Gewinn investieren müsse, d.h. die U25-Jobcenter gehören verbindlich in jede Agentur, die Jugendämter sollten rein in die Agenturen, weg mit dem pauschalen Sanktionskorsett, Fallmanagement wahr machen, jugendgerechte Standards bei 1-Euro-Jobs, Kooperation Jugendhilfe und Agentur definieren, eigenes Ausschreibungsrecht für soziale Dienstleistung. Rainer Ratloff von der ARGE Bielefeld wies in seinem Vortrag praktische Umsetzungsstrategien von SGB II und SGB VIII am Beispiel Bielefeld auf die Schwierigkeiten innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft hin. Es herrsche dort kein Personalmanagement, weil man keine Personalhoheit hätte. Als Beispiel für erfolgreiche Maßnahmen in Bielefeld nannte er ein Coaching für entwicklungsverzögerte Jugendliche, Assessment-Center und Berufsfindungsmaßnahmen sowie Bewerbungs- und Vorstellungstraining für Migranten. Für ihn ist die Umsetzung des SGB II ein Massengeschäft und für bestimmte Jugendliche könnten Hilfen aus § 13 SGB VIII gewonnen werden. Sowie die Öffnung der Maßnahmenangebote für SGB II Jugendliche. Weiterhin betonte er, dass die Handlungsempfehlung der Bundesanstalt für Arbeit den Arbeitsgemeinschaften nicht umgesetzt werden müssten. Die Arbeitsgemeinschaften hätten einen großen Handlungsspielraum, sie könnten auch alles selber ausschreiben. Auf eine Anfrage betonte Herr Peter Kupferschmidt, dass die Berufsberatung in optierenden Kommunen jetzt dahingehend geändert werden sollen, dass die BA für alle Jugendlichen die Berufsberatung übernehmen soll. Weiter wurde deutlich in dem Vortrag, dass die Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik weiter voranschreitet und dass das Thema Jugendsozialarbeit auf die lokalpolitische Agenda gehört in den Ausschüssen und Fachveranstaltungen. Prof. Dr. Wiesner vom BMFSFJ sprach von einer Doppelnatur des SGB II. Einerseits Existenzsicherung (bisher Sozialhilfe) und arbeitsmarktbezogene Integrationsförderung (bisher SGB III bzw. SGB VIII). Der Vorrang der Jugendhilfe vor dem SGB II mit Ausnahme des § 13 soll insofern jetzt geändert werden, dass in dem Kinder- und Jugendhilfeerweiterungsgesetz (KICK) eine Änderung des § 10 SGB VIII erfolgen soll. § 10, Abs. 2, wird Abs. 3 und wie folgt gefasst: „Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem 2. Buch vor. Leistungen nach § 3 Abs. 2 und §§ 14-16 des 2. Buches gehen Leistungen nach diesem Buch vor. Als Ergebnis formulierte er, dass es jetzt zu einer Betonung des jeweiligen Vorrangs gekommen sei, nicht des Nachrangs. Allerdings sieht er dies fortbestehende Problem der Leistungskonkurrenz. Er bezeichnete die Jugendhilfe als Aliud zum SGB II. Die Jugendhilfe habe einen Doppelauftrag auf der Ebene der Gesetzgebung: stärkere Ausrichtung auf die Zielrichtung junger Menschen ohne Arbeit und die stärkere Einbeziehung der Fachkompetenz der Jugendhilfe in Arbeitsgemeinschaften und Jobcenter. Er wünschte eine offene Diskussion über die Bedeutung der Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII trotz oder wegen Hartz IV. Statement im Rahmen der Tagung von Christian Hampel, LAG KJS NRW zu Thema: Die Rolle der freien Träger bei der Umsetzung des Integrationsauftrages 1. Das Sozialgesetzbuch II kann nicht separat von weiteren gesetzlichen Regelungen (SGB I, SGB III, SGB VIII, SGB X, BBIG) betrachtet werden. Alle genannten Gesetze weisen den Trägern und Einrichtungen der Jugendberufshilfe fest umrissene Aufgaben zu und schaffen damit eine rechtliche Grundlage für die Arbeit. Das SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende – hat Verbindungen und enthält Querverweise zu anderen Sozialgesetzen. § 16 Abs. 1 verweist auf das SGB III § 3 Abs. 2 steht in Beziehung zu § 13 SGB VIII §§ 5 und 20 stellen Beziehungen zum SGB XII her. Außerdem gelten die Grundsätze des SGB I (Allgemeiner Teil) und des SGB X (Schutz der Sozialdaten). Die Rolle und die Aufgaben der freien Träger sind in den einschlägigen Gesetzen festgelegt. So schreibt § 3 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 17 vor, dass junge Menschen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unverzüglich in eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit vermittelt und dass hierzu geeignete Einrichtungen und Dienste Dritter genutzt werden sollen. Die Träger sollen bei Ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende angemessen unterstützt werden. Ähnliche Regelungen enthält das SGB III – Arbeitsförderung –. Es schreibt etwa in § 240 vor, dass Träger von Maßnahmen der beruflichen Bildung durch Zuschüsse gefördert werden können übrigens können auch Träger von Jugendwohnheimen durch Darlehen und Zuschüsse gefördert werden, wenn dies zum Ausgleich auf dem Ausbildungsstellenmarkt und zur Förderung der Berufsausbildung erforderlich ist (§ 252 SGB III). Vor all diesen Vorschriften schreibt der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuches vor, dass sich die Leistungsträger und die gemeinnützigen und freien Einrichtungen zum Wohle der Leistungsempfänger wirksam ergänzen sollen (§ 17 Abs. 3 SGB I). Das Sozialgesetzbuch X regelt die Möglichkeiten der Datenverarbeitung und -nutzung zur Erfüllung der sozialen Aufgaben. Es ist wichtig, diese Richtlinien zu kennen, damit sich unterschiedliche Stellen nicht auf in diesen Fällen nicht geltende Datenschutzregeln herausreden (§§ 67 ff. SGB X). Auch das Berufsbildungsgesetz spricht eine deutliche Sprache, wenn es vorschreibt, dass Berufsausbildungsvorbereitung für benachteiligte und beeinträchtigte Personen durch umfassende sozialpädagogische Betreuung und Unterstützung begleitet werden muss (§ 68 BBIG). Betrachtet man zusätzlich die Regelungen der Jugendhilfe (SGB VIII), kann man von einer recht komfortablen rechtlichen Grundlage für die Arbeit der freien Träger der Jugendberufshilfe sprechen. 2. Ausgehend von europäischen und Bundesregelungen verschlechtern sich allerdings zusehends die Wirkungsmöglichkeiten der Träger zur beruflichen Integration benachteiligter Jugendlicher. In der sog. „Lissabon-Strategie“ haben sich die Mitglieder der Europäischen Union im Jahre 2000 darauf verständigt, bis zum Jahre 2010 die EU zu einem Wirtschaftsraum zu entwickeln, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen. Der Halbzeitbericht dieser auf 10 Jahre angelegten Strategie stellt leider fest, dass – aus unterschiedlichen Gründen – die gesteckten Ziele auch noch nicht ansatzweise erreicht sind. In Deutschland sollen die von der EU vorgegebenen Ziele in der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik durch die „ Agenda 2010“, diese im Bereich Arbeitsmarkt durch die „Hartz-Gesetzgebung“ umgesetzt werden. Ein Ziel der Hartz-Kommission war es, die Arbeitslosenzahl bis zum 31.12.2005 um 2 Mio. zu verringern (Kommissionsbericht, S. 35). Weil nicht alle Arbeitslosen gleich schnell in den Arbeitsmarkt zu vermitteln sind, wurden sie in Gruppen zusammengefasst die einfacheren Fälle wurden und werden vorrangig behandelt. Die Bundesagentur unterscheidet heute verschiedene Kategorien von Kunden, die sich in ihrem Beratungs- und Betreuungsbedarf unterscheiden. Der Vermittlungsaufwand steigt nach den Kundengruppen: Marktkunden (6 % aller BA-Kunden) Beratungskunden aktivieren (22 %) Beratungskunden fördern (31 %) Betreuungskunden (27 %) (Rest nicht kategorisiert Statistik der BA 3/2005). Stillschweigend verabschiedet sich die Arbeitsverwaltung von der speziellen Förderung der benachteiligten Ausbildung- und Arbeitsuchenden. Deutlich lässt sich dies an einer Änderung des § 1 Abs. 1 SGB III festmachen. Die ursprüngliche Fassung (in Kraft seit 01.01.1998) lautete: „Durch die Leistungen der Arbeitsförderung soll vor allem der Ausgleich am Arbeitsmarkt unterstützt werden, in dem Ausbildung- und Arbeitsuchende über Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe beraten … und die Möglichkeiten von benachteiligten Ausbildung- und Arbeitsuchenden für eine Erwerbstätigkeit … verbessert werden.“ Heute lautet § 1 Abs. 1 SGB III (in Kraft seit 01.01.2002): „Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Sie sind insbesondere darauf auszurichten, das Entstehen von Arbeitslosigkeit zu vermeiden und die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen.“ Es folgen allgemeine Aussagen zur Gleichstellung von Männern und Frauen. Die Zielgruppen der Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe sind somit von der exponierten Stelle des Arbeitsförderungsrechts verschwunden. Derweil steigen die Zahlen arbeitsloser und ausbildungsplatzsuchender junger Menschen dramatisch an. Über eine halbe Mio. junger Menschen beginnt heute den Weg in den Beruf mit einem Fehlstart. Dass diese dramatischen Zahlen nicht nur durch den „Hartz IV-Effekt“ seit Anfang 2005 zustande kommen, zeigt folgende Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslose unter 25 Jahren (Jahreszahlen / 2005: Monatszahlen) 2000: 428.510 2001: 444.074 2002: 497.602 2003: 516.131 2004: 504.338 1/2005: 635.017 2/2005: 679.903 3/2005: 664.540 (Quelle: BA-Arbeitsstatistik) Mehrfach hat der Bundeskanzler betont, dass nun das ganze Ausmaß der Arbeitslosigkeit offenbar sei und keine Arbeitslosen mehr verschwiegen würden. Dies hat sich inzwischen als nicht richtig erwiesen. Bis heute sind die arbeitslosen SGB II-Kunden aus den Optionskommunen wegen anderer Erhebungskriterien nicht in dieser Statistik enthalten. Die Regionaldirektion NRW schätzt allein für die zehn Optionskommunen in Nordrhein-Westfalen die Zahl der Arbeitslosen auf 110.000, die also noch zu den ohnehin hohen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit addiert werden müssen. (Regionaldirektion NRW, Düsseldorf, 14.3.2005) Ebenfalls alarmierend sind die Zahlen der neu abgeschlossenen betrieblichen Berufsausbildungen. Sie sind bis 2003/04 viermal in Folge gesunken. Im aktuellen Ausbildungsjahr sind sie geringfügig gestiegen aber es existiert eine große Bugwelle an Altbewerbern, die diese kleinen Erfolge wieder zunichte machen. 3. Träger der Jugendberufshilfe können Ihre Arbeit nicht auf das Anbieten sozialpädagogischer Hilfen reduzieren. Der Gesetzgeber formuliert als ein Angebot der Jugendsozialarbeit „ sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand junger Menschen Rechnung tragen“ (§ 13 Abs. 2 SGB VIII). Auch der größte Teil der weiteren Angebote der Träger der Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe umfasst berufsbezogene und sozialpädagogische Hilfen, die von der beruflichen Beratung über die Berufs(ausbildungs)vorbereitung, die außerbetriebliche Berufsausbildung, Ausbildungsbegleitung und berufliche Weiterbildung bis zur Beschäftigung und Qualifizierung reichen. Ebenso deutlich beschreibt das SGB II: „Die Träger der Leistungen nach diesem Buch erbringen… alle im Einzelfall für die Eingliederung in Arbeit erforderlichen Leistungen“ (§ 14 SGB II). – Träger im Sinne des SGB II sind zwar die Arbeitsagenturen, die Kommunen und die „Optionskommunen“, sie können aber Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragen (§ 6 SGB II) –. Junge erwerbsfähige Hilfebedürftige sollen unverzüglich in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden. Bei Jugendlichen ohne Berufsabschluss sollen die Arbeitsgelegenheiten zur Verbesserung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten beitragen (§ 16 Abs. 3 SGB II). Die Trägergruppen der Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe haben sich unter bestimmten Voraussetzungen dazu bereit erklärt, solche Arbeitsgelegenheiten anzubieten. Es muß aber klar sein, dass Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 SGB II nur die Ultima ratio sein können. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert in seinem Konzept „Gemeinwohlarbeit“ eine passgenaue Auswahl und Besetzung der Stellen und lehnt Arbeitsgelegenheiten ohne Beratung, Einarbeitung, Anleitung und Qualifizierung ab. Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt veröffentlicht im Januar 2005 Empfehlungen, nach denen Arbeitsgelegenheiten für junge Menschen zwingend qualifizierende Anteile enthalten müssen. Die BAG Katholische Jugendsozialarbeit verfasst einen Appell an die arbeitsmarktpolitischen Akteure unter der Überschrift „Ausbildungswillige Jugendliche gehören nicht in Zusatzjobs.“ Für junge Erwachsene mit Berufsabschluß, die nach der Ausbildung keinen Arbeitsplatz gefunden haben, können Arbeitsgelegenheiten eine Brückenfunktion in den allgemeinen Arbeitsmarkt wahrnehmen, schreibt die BAG Jugendsozialarbeit in ihrer Stellungnahme zu § 16 SGB II. Sie fügt hinzu, dass hierdurch die Beschäftigungsfähigkeit erhalten, der Dequalifizierung entgegengewirkt und die Persönlichkeit gestärkt werden soll. (Jugend – Beruf – Gesellschaft 1/2005, S. 56 ff.) Damit es nicht bei Appellen bleibt, wird ein Sozialmonitoring die Umsetzung der Hartz IV-Reformen begleiten. Die Wohlfahrtsverbände werden unter der Federführung des Deutschen Caritasverbandes u. a. untersuchen, ob die angebotenen Fördermaßnahmen tatsächlich zur Integration von Arbeitslosen beitragen. Dass alle an der beruflichen Eingliederung beteiligten Stellen zusammenarbeiten müssen, ist eine Binsenweisheit. Jedes einschlägige Gesetz enthält hierfür Vorschriften (§ 17 Abs. 3 SGB I § 18 SGB II § 9 Abs. 3 SGB III § 13 Abs. 4 SGB VIII). Die Fallmanager und persönlichen Ansprechpartner in den Arbeitsgemeinschaften müssen mit den Beratern und Casemanagern in der Jugendberufshilfe und der Integrationshilfe (Jugendmigrationsdienste) zusammenarbeiten, damit Doppelarbeit vermieden wird und nicht unterschiedliche berufliche Integrationsvorschläge entwickelt werden. Das von der Bundesagentur für Arbeit herausgegebene „ Kompendium Aktive Arbeitsmarktpolitik nach dem SGB II“ regt an, dass die Träger der Grundsicherung alle Träger der regionalen Jugendarbeit zu „Jugendkonferenzen“ einladen. Hier sollen Informationen ausgetauscht und Konzepte für die Zielgruppe „ U25“ entwickelt werden. Leider ist dies vor Ort erst vereinzelt geschehen. Hoffentlich gelingt es mit markigen Sprüchen wie „Vorfahrt für Ausbildung“ oder „Wir packen an“ aus dem „8-Punkte-Plan zur Integration junger Menschen“ dem Problem der fehlenden Integrationsmöglichkeiten zu Leibe zu rücken. 4. Gesetzliche Regelungen und Verwaltungsvorschriften stellen Träger der Jugendberufshilfe zunehmend vor Probleme. Die zur „einheitlichen Wahrnehmung“ von Aufgaben des SGB II eingesetzten Arbeitsgemeinschaften (§ 44b) sind zwar inzwischen zum großen Teil eingerichtet, arbeiten aber noch nicht reibungslos. Vorhandene Personalstellen sind z. T. noch nicht besetzt, Schulung und Fortbildung des Personals sind noch nicht abgeschlossen, die Abstimmung der EDV zwischen Kommune und Arbeitsagentur bereitet weiterhin Probleme. Spezielle Teams „U 25“ sind zwar eingerichtet, das vorgesehene Betreuungsverhältnis 1 : 75 ist aber – nach sicher nicht repräsentativer Übersicht – noch nicht erreicht. Die vorgegebene Aktivierungsquote von 52 % aller jungen Arbeitsuchenden kann nur erreicht werden auf Kosten der übrigen Hilfebedürftigen. Noch problematischer ist die Situation bei den 69 Optionskommunen, die nicht nur mit der Statistik hadern, wie oben dargestellt wurde. Unklar ist nach wie vor, wie in den optierenden Kommunen die Leistungen zur beruflichen Rehabilitation erbracht und von wem sie finanziert werden. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat im vergangenen Jahr das neue Fachkonzept für berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BVB) als „Lernendes Konzept“ bezeichnet, das auf Grund von Erkenntnissen aus der Praxis weiterentwickelt werden soll. Im März 2005 sind zum zweiten Mal berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen nach diesem Fachkonzept ausgeschrieben worden. Hat es etwas gelernt – um im Bild zu bleiben –? Es müssen heute weniger Anlagen eingereicht werden und das Konzept kann kürzer sein das dient aber nur der Arbeitserleichterung der regionalen Einkaufszentren. Die Berufsfelder sind in Abhängigkeit zur Teilnehmerzahl je Los begrenzt worden die Belange der Rehabilitanden werden aber nach wie vor unzureichend berücksichtigt, auch ist für sie keine längere Förderdauer möglich, mit der bisher viele von ihnen gut auf Ausbildung oder Arbeit vorbereitet werden konnten. Die Vergabe berufsfördernder Maßnahmen bereitet nach wie vor Probleme. Nachdem im letzten Jahr endgültig geklärt werden konnte, wer gemäß § 7 Nr. 6 VOL/A nicht zum Wettbewerb mit gewerblichen Bietern zuzulassen ist, tun sich jetzt neue Probleme auf. Der vorliegende Referentenentwurf zur Reform des Vergaberechts schüttet mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung das Kind mit dem Bade aus und setzt alle Verdingungsordnungen außer Kraft. So ist es künftig wieder möglich, dass die Bundesagentur für Arbeit den Trägern ein ungewöhnliches Wagnis aufbürdet für Umstände, auf die sie keinen Einfluss haben und für Kosten, die sie nicht im voraus schätzen können (vgl. § 8 Abs. 3 VOL/A). Eine Praxis, die noch im letzten Jahr das Oberlandesgericht Düsseldorf für rechtswidrig erklärt hat. Schließlich: Die Bundesagentur für Arbeit bzw. die ausgegliederten Regionalen Einkaufszentren haben sich zur Aufgabe gesetzt, mit betriebswirtschaftlichen Überlegungen den Einkauf der Arbeitsverwaltung umzugestalten. Das mag bei der Beschaffung von Bürostühlen oder Bleistiften passen. Ob aber die Zusammenarbeit mit Bildungsträgern besser gelingt, wenn sie „Lieferantenmanagement“ heißt, ist fraglich. Ändert sich etwas an der Zuweisung Jugendlicher in Maßnahmen, wenn sie „Beschickungscontrolling“ heißt oder bessert sich die Losbildung, wenn sie „Bündelungsstrategie“ genannt wird? Die Abteilung „Strategischer Einkauf“ im Regionalen Einkaufszentrum wird eine Antwort hierauf haben. Aus der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg wird von Überlegungen berichtet, die Zahl der „Produkte“, früher „Fördermaßnahmen“ oder „Bildungsangebote“ genannt, von heute ca. 45 auf etwa 20 zu reduzieren: „Mehr braucht man nicht.“ Die Träger der Jugendberufshilfe werden auch in Zeiten eines neuen Einkaufsmanagements die berufliche und gesellschaftliche Integration benachteiligter junger Menschen unterstützen. Sie bieten auch in Zukunft Kompetenz und Qualität.“ – gutachtenkjhgsgb.pdf
Quelle: BAG Jugendsozialarbeit, ürgen Döllmann, Kolping Jugendberufshilfe, hristian Hampel, KJS NRW
Dokumente: gutachtenkjhgsgb.pdf