Forschungsprojekt „Jugendsozialarbeit im Wandel“ von Lutz Wende / Gerhard Christe, Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe Zusammenfassende Einschätzung der Ergebnisse der ersten Trägerbefragung Frühjahr 2005 – Kurzfassung “ Einleitung Das Forschungsprojekt „Jugendsozialarbeit im Wandel“ untersucht die direkten und indirekten Auswirkungen der sog. Hartz-Gesetzgebung und der Reform der Bundesagentur für Arbeit auf die Leistungsprozesse der (berufsintegrierenden) Jugendsozialarbeit. Dazu werden zwei Erhebungen durchgeführt. Die erste Erhebung untersucht den Stand vor Inkrafttreten des SGB II (als Kernelement der Hartz-Reformen) und vor Einführung des neuen Fachkonzepts für Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BVB). Die zweite Erhebung untersucht mögliche Veränderungen ca. eineinhalb Jahre nach der Einführung von SGB II und Neuem Fachkonzept. In der Zwischenzeit werden mithilfe intensiver Vorort-Erhebungen bei ausgewählten Einrichtungen die Anpassungsstrategien in den Einrichtungen untersucht. Die erste Erhebungswelle wurde im Frühjahr 2005 durchgeführt und bezog sich auf den Stand des zweiten Quartals 2004, also vor dem Wirksamwerden von SGB II und Neuem Fachkonzept. Gegenstand der schriftlichen Erhebung waren eine Bestandsaufnahme der Strukturen der Einrichtungen sowie der dort etablierten Integrationsprozesse. Mithilfe eines Fragebogens wurden fünf typische Maßnahmearten der berufsbezogenen Jugendsozialarbeit untersucht. Diese sind: Berufsorientierende Maßnahmen Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BVB) Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BAE) Sonstige Maßnahmen (i.d.R: Beschäftigungsmaßnahmen für junge Menschen) Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH). Insgesamt wurden 113 Fragebögen beantwortet. Die bisherige Auswertung von Teilbereichen ergibt die folgende (vorläufige) Einschätzung. Ergebnisse Die Struktur des Samples wird durch zwei Einrichtungsformen geprägt. Zum einen sind dies vorwiegend kleine Einrichtungen mit einem engem Maßnahmebezug und einer Konzentration auf wenige spezialisierte Maßnahmearten. Zum anderen gibt es eine relevante Anzahl großer Einrichtungen mit hoher MitarbeiterInnenzahl, drei und mehr Maßnahmearten und einer größeren Anzahl von Maßnahmen und jugendlichen TeilnehmerInnen. Differenzen zwischen diesen Einrichtungsformen können in bezug zur Standardisierung der internen Verfahren und zu den Formen der Dokumentation festgestellt werden. In der fachlichen sozialpädagogischen Ausgestaltung scheint sich die Größe nur bedingt auszuwirken. Differenzen begründen sich eher aus der Struktur der unterschiedlichen Maßnahmearten. So sind Maßnahmen in den Bereichen Berufsorientierung (M1) und Sonstige Maßnahmen bzw. Beschäftigungsmaßnahmen (M4) eher offener strukturiert. Die in den Bereichen Berufsvorbereitende Maßnahmen (M2) und Ausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (M3) angesiedelten Maßnahmen sind allein schon aufgrund besonderer formaler Vorgaben und Rahmenbedingungen sowie deren Bindung an den Kostenträger Agentur für Arbeit bzw. Bundesagentur für Arbeit enger strukturiert. In Bezug auf die Zielgruppe „junge Menschen mit Problemen am Übergang Schule – Beruf“ sind die Einrichtungen überwiegend auf das Spektrum der Jugendsozialarbeit bzw. der Jugendberufshilfe ausgerichtet. Von der fachlichen Seite entspricht der Leistungsprozess weitgehend den Standards der Jugendsozialarbeit, die allerdings selbst vage formuliert sind. Abweichungen an die hohen Anforderungen sind im wesentlichen bei den Maßnahmetypen M1 (Berufsorientierung) und M4 (sonstige Maßnahmen – Beschäftigungsmaßnahmen) festzustellen. Dies kann aber auch darin begründet sein, dass die Maßnahmearten möglicherweise gegenüber den strikter reglemen-tierten Bereichen BVB (M2) und BAE (M3) einen offeneren, niedrigschwelligen Charakter haben. Aus der Analyse der Daten lassen sich zwei diskussionswürdige Befunde hervorheben: 1. Zum einen zeigt sich eine Zugangs- und Verbleibsproblematik. Offensichtlich hat sich neben dem Standardweg zur beruflichen Integration (Schule – Ausbildung – Beruf) der Weg über BVB als geradezu analog stringenter Weg (gewissermaßen als „zweiter Standardweg“) etabliert. Die Zugangs- und Übergangsdaten belegen, dass sowohl der direkte Übergang Schule – BVB als auch der Übergang von BVB zu Ausbildung (duale, außerbetriebliche und schulische Ausbildung) eine hohe Kohärenz zeigt. Für junge Menschen, denen dieser Einstieg aber nicht gleich gelingt, wird der Weg der beruflichen Qualifizierung diffus, langwieriger und ist offensichtlich mit höheren Risiken verbunden. Der Einstieg in das Übergangssystem (M1 und M4) erfolgt für einen Großteil von ihnen deutlich später (bis zu einem Jahr und mehr nach dem Schulabgang für immerhin mehr als 50%). Der Übergang führt nicht in dem selben Maße wie bei BVB in Ausbildung, und das Risiko, in Arbeitslosigkeit zu münden, ist gegenüber den beiden Maßnahmetypen BVB und BAE merklich höher. In diesem Sinne kann durchaus von einer Versorgungslücke gesprochen werden, die (zumindest für einen relevanten Zeitraum) durch ein Pendeln zwischen Maßnahmeteilnahme und Arbeitslosigkeit geprägt ist, ihrerseits aber keinen gezielten Einstieg in die berufliche Qualifizierung sichert. Aus den Daten lässt sich darüber hinaus die Vermutung ableiten, dass schon durch die Art des Zugangs in das Maßnahme- bzw. Übergangssystem – insbesondere aus der besonderen Struktur der jeweiligen Maßnahmearten heraus – ein problematischer Weg der beruflichen Integration determiniert wird. 2. Der zweite diskussionswürdige Befund ergibt sich aus dem Komplex Angebotsgestaltung, Konzeptentwicklung und Kooperation. Die strikte Maßnahmeorientierung und die Konzentration auf die spezifische Herangehensweise an das Klientel führen dazu, dass schwerpunktmäßig eine kostenträgerbezogene Kooperationsform gesucht wird. Dieses Ergebnis kann durchaus als ambivalent betrachtet werden. Auf der einen Seite sichert die Konzentration auf den Kernbereich die Fachlichkeit und den unmittelbaren Bezug auf die Problemlagen junger Menschen. Auf der anderen Seite werden Ausweitung und Veränderung des Angebots eher über Außendruck initiiert, sie sind weniger eine Folge strategischer Überlegungen innerhalb der Einrichtungen. Eine Markorientierung scheint nur sehr gering entwickelt zu sein, ein offensives Vorgehen im Angebotsfeld lässt sich – auch aufgrund der etablierten Arbeitsteilung der Einrichtungsträger – nicht feststellen. Dies macht das Feld anfällig für aggressive Marktstrategien, die insbesondere von externen Anbietern eingesetzt werden können. Auch kann diese Konzentration auf den Kernbereich zu einer geringeren Flexibilität bei Veränderungen in der Angebotsstruktur führen, also z.B. beim Wegfall von Maßnahmen im ursprünglichen Arbeitsbereich, auf den dann nicht angemessen reagiert werden kann. Fazit Das SGB II als ein neues wesentliches Regulativ zur Ausgestaltung der Angebotsstruktur und der dahinter stehenden Einrichtungen und Träger stellt insofern nicht nur fachlich oder ökonomisch eine Herausforderung für das Feld dar. Es führt im gleichen Maße auch zu ordnungspolitischen und marktstrategischen Anforderungen an die Einrichtungen. Nach der bisherigen Datenlage scheint das Feld nur eingeschränkt auf eine solche Marktstrategie vorbereitet zu sein. Es wird zu untersuchen sein, wie die Einrichtungen auf diese Anforderungen reagieren. “ Veranstaltung „Never change a winning team“? Herausforderungen und Anforderungen an die Institutionen zur Integration benachteiligter Jugendlicher, Erste Ergebnistagung des Forschungsprojektes „Jugendsozialarbeit im Wandel“ Zeit / Ort: am 14. September 2005 von 10.00 – 18.00 Uhr / an der Fachhochschule Frankfurt. Veranstalter: Verein für innovative Projekte in der Kinder – und Jugendarbeit e.V. Offenbach am Main / BAG Jugendsozialarbeit “ Die Ergebnisse der Trägerbefragung werden auf der Tagung vorgestellt und sollen vor dem Hintergrund verschiedener in die Jugendsozialarbeit eingebundener Fachdisziplinen diskutiert werden. Ziel ist es, bestehende Standards zur Integration benachteiligter junger Menschen herauszuarbeiten und sie vor dem Hintergrund des Hartz-Gesetzgebung als (Mindest-) Anfor-derungen für ein neu zu etablierendes Übergangssystem zu formulieren. “ – Programmablauf Never change a winning team.doc
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