Berufsbildungsbericht 2006: Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung nimmt Stellung zum Entwurf

BERUNFSBILDUNGSBERICHT 2006: Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung nimmt Stellung zum Entwurf Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat die gesetzliche Aufgabe, die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Berufsbildung zu beraten. Das viertelparitätisch mit Beauftragten der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Länder und des Bundes besetzte Gremium hat in seiner Sitzung am 23.März 2006 den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgelegten Entwurf des Berufsbildungsberichts 2006 beraten und – ohne Beteiligung der Vertreter des Bundes – seine Stellungnahme dazu mehrheitlich beschlossen. Die Gruppen der Beauftragten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer brachten zum Entwurf des Berufsbildungsberichts 2006 jeweils ein eigenes Votum ein, die der Stellungnahme als Minderheitenvoten beigefügt sind. Auszüge aus der Stellungnahme des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 23. März 2006 und den Minderheitsvoten zum Entwurf des Berufsbildungsberichts 2006 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung “ Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräfteentwicklung in Deutschland Die Ausbildungssituation hat sich in den zurückliegenden Jahren in den alten und neuen Ländern zugespitzt. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung, dass die Ziele des „Nationalen Pakts für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“ erreicht worden sind und die Bundesregierung den „Nationalen Pakt“ zusammen mit den Paktpartnern fortsetzen und dabei weiter entwickeln will. … Hervorzuheben ist das neue Instrument der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ). 19.800 Jugendliche haben eine EQJ bereits begonnen. Erfreulich ist, dass die Begleitforschung zeigt, dass 61 % der Teilnehmer, die eine EQJ bereits abgeschlossen haben, sich im Oktober 2005 in einem Ausbildungsverhältnis befanden, darunter dreiviertel im selben Betrieb und 80 % im gleichen Berufsfeld wie die Einstiegsqualifizierung. … Ausbildungssituation – weitere Anstrengungen erforderlich Insgesamt wurden 550.180 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 22.800 oder 4 % weniger als im Vorjahr. … Dabei ist die Ausbildungssituation im IHK-Bereich relativ stabil. Im Handwerk werden spürbar weniger Verträge abgeschlossen, allerdings auch vor dem Hintergrund eines erheblichen Rückgangs der Erwerbstätigen im Handwerk … Auch im öffentlichen Dienst, bei den Freien Berufen und im Landwirtschaftsbereich gab es weniger Neuabschlüsse. Ausbildungsbeteiligung der Betriebe … Der Hauptausschuss beobachtet dennoch mit Sorge, dass nach wie vor nur etwa jeder zweite ausbildungsberechtigte (auf alle Betriebe bezogen sogar nur etwa 30 %) Betrieb ausbildet. Die Ausbildungsquote bezogen auf die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist ebenfalls – trotz absolutem Rückgang der Zahl der Auszubildenden – weitgehend konstant geblieben. … Der Hauptausschuss unterstützt daher die Bemühungen der Kammern, Verbände, Bund und Länder gerade Kleinbetriebe, die bisher nicht ausbilden, durch Förderung von Ausbildungsverbünden, Ausbildungsnetzwerken und weiteren Maßnahmen an die betriebliche Erstausbildung heranzuführen. Auch die Einmündung in Beschäftigung nach abgeschlossener Ausbildung ist weiterhin verbesserungswürdig. … Vollzeitschulische Berufsausbildung Dem Rückgang betrieblicher Ausbildungsplätze stand in den letzten Jahren eine stetig wachsende Zahl von Absolventen aus den allgemein bildenden Schulen gegenüber. … Dass dennoch die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen unter 20 Jahren relativ niedrig gehalten werden konnte, liegt auch erheblich an der Ausweitung beruflicher Bildungsgänge an den beruflichen Schulen der Länder. Berufsausbildung in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen Der Hauptausschuss ist der Auffassung, dass es auf Grund der begrenzten betrieblichen Ausbildungsangebote weiterhin – allerdings mit regionalen Unterschieden – zusätzlicher staatlicher Maßnahmen, insbesondere auch der Verbesserung der Rahmenbedingungen, bedarf. … Der Hauptausschuss sieht mit Sorge, dass vor allem die Zahl der geförderten Ausbildungsverhältnisse behinderter Jugendlicher im Vergleich zum Vorjahr um 7,2% gesunken ist und fordert die BA nachdrücklich auf, ihre Integrationsleistungen nicht zu reduzieren. Der Hauptausschuss erwartet, dass es bis zu einer wesentlichen Entspannung der Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu keiner Reduzierung der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen kommen darf. Er begrüßt die Fortsetzung des Ausbildungsplatzprogramms Ost, die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU/SPD in Verknüpfung mit dem nationalen Ausbildungspakt festgeschrieben wurde. Weiterentwicklung und Modernisierung von Ausbildungsberufen Seit 1996 wurden – bei derzeit rd. 350 anerkannten Ausbildungsberufen – 253 Ausbildungsberufe neu geordnet und 64 Berufe neu geschaffen. Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung begrüßt diese erfreuliche Gesamtentwicklung zur Modernisierung der dualen Berufsausbildung. … Die in der Vergangenheit bereits mehrfach im Hauptausschuss erhobenen Forderungen, im Rahmen der Neuordnungsverfahren von Berufsbildern den Bedürfnislagen von Jugendlichen mit schlechteren Startchancen in besonderer Weise Rechnung zu tragen, sind immer noch sehr aktuell. Zu diesem Weg gehört auch die Entwicklung zertifizierbarer Qualifikationsbausteine als Angebot für leistungsschwächere Jugendliche, um ihnen den schrittweisen Zugang zu einer anerkannten Berufsausbildung zu ermöglichen. Darüber hinaus muss erprobt werden, ob eine Berufsausbildung auch in Teilschritten erfolgreich absolviert werden kann. … Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen … Die für Jugendlichen vorgehaltenen schulischen Angebote sind in den letzten Jahren weiter ausgebaut worden. … Besonders jedoch darf die BvB keine Warteschleife sein. … die Forderung wird … wiederholt, dass die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit für alle Bewerberinnen und Bewerber mit Förderbedarf einen zuverlässigen und allgemein anerkannten Kompetenzcheck durchführen und dass die Maßnahmen zügig beginnen, um ggf. den Hauptschulabschluss nachholen zu können. Darüber hinaus ist es unverzichtbar, dass die Aufgaben der Berufsorientierung und Ausbildungsplatzvermittlung durch die BA ohne jede Einschränkung weitergeführt werden. Berufliche Bildung im europäischen Kontext Der europäische Qualifikationsrahmen (EQF) wird vom Hauptausschuss begrüßt, da er als übergreifendes Ziel Transparenz, Vergleichbarkeit der Kompetenzbereiche, Mobilität zwischen den Bildungssystemen und damit berufliche Mobilität im europäischen Arbeitsmarkt fördern können soll. Ferner kann der EQF als Übersetzungsinstrument bezogen auf die erworbenen Kompetenzen in unterschiedlichen Ländern genutzt werden. … Auswirkungen des SGB II auf die Aus- und Weiterbildung Die unklaren Zuständigkeitsregelungen für Berufsberatung, Berufsorientierung und Vermittlung der Jugendlichen für Arbeitsagenturen, Arbeitsgemeinschaften und optierende Kommunen betrachtet der Hauptausschuss mit Sorge und bittet den Gesetzgeber, hier nachzubessern und zu klaren und eindeutigen Regelungen und der Aufgabenwahrnehmung aus einer Hand, zu kommen. Dazu gehört auch, dass die Beteiligten ( – Arbeitsagenturen, Arbeitsgemeinschaften bzw. optierende Kommunen – ) Zugang zu den notwendigen Daten zur Ausbildungsvermittlung erhalten und der Austausch gewährleistet sind. Insbesondere ist sicherzustellen, dass Jugendlichen, die sich in Bedarfsgemeinschaften befinden, das gesamte Instrumentarium der Berufsorientierung und –Beratung zur Vermittlung in Ausbildungsplätze oder geeignete Ausbildungsmaßnahmen uneingeschränkt zur Verfügung steht. … * Minderheitsvotum der Gruppe der Beauftragten der Arbeitgeber zum Entwurf des Berufsbildungsberichts 2006 … Ausbildungsmarkt – positive Bilanz dank vielfältigem Engagement … Damit waren am Jahresende nur noch rund 2 Prozent aller in diesem Vermittlungsjahr gemeldeten Bewerber unvermittelt. Die Lücke zwischen unvermittelten Bewerbern und unbesetzten Ausbildungsplätzen hat sich auf rund 11.500 verringert. Insgesamt standen am Ende für die unvermittelten Bewerber noch zahlreiche unbesetzte Plätze und offene Einstiegsqualifizierungen zur Verfügung. Damit bestand die Basis, jedem Bewerber ein Angebot machen zu können. Diese positive Entwicklung zeigt, was der Ausbildungspakt zu leisten vermag. Zugleich werden aber auch seine Grenzen sichtbar: Der Ausbildungspakt kann keinen dauerhaften Durchbruch zu mehr Beschäftigung und damit mehr Ausbildung bringen. … Einstiegsqualifizierungen – als erfolgreiches Instrument etabliert Hervorzuheben ist insbesondere auch der Erfolg des neu eingeführten Instruments der Einstiegsqualifizierung (EQJ). … Rund 19.800 Jugendliche begannen eine Einstiegsqualifizierung. Und sie haben gute Übergangschancen in Ausbildung: Rund 60 Prozent der Teilnehmer des Vorjahres mündeten in Ausbildung. Die Behauptung, EQJ seien für die jungen Menschen nur Warteschleifen ohne Perspektiven, wird durch diese Fakten eindeutig widerlegt. … Novellierung des Berufsbildungsgesetzes – neue Chance nutzen Am 1. April 2005 trat das neue Berufsbildungsgesetz (BBiG) in Kraft. Die Bilanz fällt gemischt aus. Zwar bleibt die grundsätzlich erfolgreiche Struktur der deutschen Berufsbildung unangetastet, allerdings wurden die Chancen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die duale Ausbildung nicht genutzt. … * Minderheitsvotum der Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer zum Entwurf des Berufsbildungsberichts 2006 … II. Die „frisierte“ Bilanz – oder die Grenzen des Ausbildungspaktes 2005 wurden in Deutschland 562.800 Ausbildungsstellen angeboten, rund 23.600 bzw. vier Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge lag bei 550.200 dies ist der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung. Gleichzeitig erreichte die Zahl der Abgänger aus allgemein bildenden Schulen mit 948.200 einen neuen Höchststand. Im Verhältnis zur Schulabgänger-Zahl sank der Anteil neu abgeschlossener Ausbildungsverträge auf 58 Prozent und damit erstmals unter die 60-Prozent-Marke. Anfang der neunziger Jahre hatte er noch bei deutlich über 70 Prozent gelegen. Es gibt allerdings zunehmend voll qualifizierende Ausbildungsgänge in beruflichen Schulen und in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten. Gerade in den neuen Bundesländern und in Berlin ist dies eine Chance für Tausende von Jugendlichen, einen Berufsabschluss zu erreichen. … Die Warteschleifen-Wege: …“und am Horizont geht’s weiter“. Immer mehr Jugendliche erwerben nach Verlassen der allgemein bildenden Schule in schulischen Einrichtungen oder in berufsvorbereitenden Maßnahmen eine berufliche Grundbildung. Darunter sind viele, die sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemüht hatten. … Besondere Beachtung verdient die Entwicklung der Schülerzahl in den Bildungs-angeboten beruflicher Schulen, die nicht in einen Berufsabschluss münden. In diesen Angeboten, die weder eine Qualifizierung in einem nach BBiG oder HWO geregelten Ausbildungsberuf noch eine Berufsausbildung nach Landes- oder Bundesregelungen als Ausbildungsziel vorsahen, waren 2004 insgesamt 403.200 Schülerinnen und Schüler, das ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 24.000 oder 6,4 Prozent. … III. Die Förderung benachteiligter Jugendlicher über das Berufsbildungssystem – außer Subventionen nichts gewesen? Die Benachteiligtenförderung versus EQJ Die Benachteiligtenförderung hat sich in 25 Jahren zu einem eigenständigen Bereich des deutschen Berufsbildungssystems entwickelt. Dabei sind die Zielgruppen dieser Förderung in den letzten Jahren nicht kleiner geworden, sondern eher zahlreicher. Die Benachteiligtenförderung liegt quer zu vielen Verantwortungs- und Politikbereichen. Wegen der Unübersichtlichkeit fehlt es in diesem Bereich an Einheit und Stringenz. Neue Instrumente des Ausbildungspaktes erweitern das Spektrum der Hilfen, ohne das Problem der mangelnden Ausbildungsplätze grundlegend zu heilen. Im Rahmen des Ausbildungspaktes haben Bundesregierung und Wirtschaftsverbände die „Einstiegsqualifizierung für Jugendliche“ (EQJ) entwickelt. Jugendliche, die wegen schlechter Schulleistungen oder erfolgloser Bewerbungsgespräche keine Stelle gefunden haben, sollen per EQJ im Betrieb ausbildungsreif werden. Die Vergütung bezahlt die Regierung über die Arbeitsagenturen – insgesamt 270 Millionen Euro bis 2007 – 192 € bekommen Qualifikanten im Monat. … Tatsächlich gibt es erste Anzeichen, dass die Initiatoren das Programm schleichend zu einer „Ausbildung light“ umwandeln. So durften EQJ-Stellen bislang erst angeboten werden, wenn das normale Vermittlungsverfahren für Ausbildungsstellen vorüber war. Damit wurde sichergestellt, dass Unternehmen zunächst reguläre Ausbildungen anbieten, bevor sie auf die Billigvariante ausweichen. Zum einjährigen Jubiläum haben Regierung und Wirtschaftsverbände diese Sicherung abgeschafft. Jugendliche, die länger als ein Jahr auf der Suche sind und von der Arbeitsagentur als chancenlos eingestuft werden, können sich direkt auf eine EQJ bewerben. Für die jungen Leute schließt sich im Idealfall eine reguläre Ausbildung an, was ihre Ausbildungszeit verlängern kann. Die Integration von Migranten in das Berufsbildungssystem Lediglich 25 Prozent aller ausländischen Jugendlichen waren 2004 in einer dualen Berufsausbildung … Wegen des schwierigen Zugangs zu einer voll qualifizierenden Ausbildung bleiben sie überproportional häufig ohne einen anerkannten Berufsabschluss. … Soll diese Gruppe nicht dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden, muss jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss eine zweite Chance gegeben werden. Dabei sollten die Angebote zur Nachqualifizierung am Bedarf junger Erwachsener sowie an ihren informell erworbenen, auch kulturellen Kompetenzen bzw. vorhandenen Teilqualifikationen ansetzen. … Lebensbegleitendes Lernen – Deutschland braucht mehr Weiterbildung Der Erhalt von Wohlstand und internationaler Wettbewerbsfähigkeit erfordert zusätzliche Investitionen in Bildung und Qualifizierung. Mit dem Übergang von der Industrie- zur Wissens- und Informationsgesellschaft wird die Qualifikation der Menschen zum wichtigsten Faktor. Wer in neue Technologien investiert, ohne für die entsprechenden Qualifikationen zu sorgen, vergeudet Kapital, mindert Motivation und schränkt die Einsatzmöglichkeiten der Beschäftigten ein. Bildungs- und Begabungsreserven der Beschäftigten müssen daher sowohl aus gesellschafts- und bildungspolitischen, aber auch aus ökonomischen Gründen über die gesamte Lebensspanne besser ausgeschöpft werden als bisher. Weiterbildung ist und bleibt ein öffentliches Gut. Der Zugang zu Bildung und Qualifizierung ist die zentrale soziale Frage, von der Lebenschancen abhängen. Nur ein solidarisches System kann dem wachsenden Trend zur Individualisierung und Privatisierung in der Weiterbildung ausreichend entgegenwirken. … “

http://www.bibb.de

Quelle: Pressemitteilung des BiBB 28.3.06 http://www.bibb.de/de/25365.htm

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