Geschlechtergerechtigkeit in der Jugendhilfe

GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT IN DER JUGENDHILFE Verschiedene Berichte des Informationsdienstes der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik, AKJStat, stellen die Frage nach den empirisch identifizierbaren Geschlechterdifferenzen in der Kinder- und Jugendhilfe. Auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Jugendhilfe sind regelmäßige und präzise Beobachtung unerläßlich. Die Ergebnisse der amtlichen Statistik überraschen. Gegenüber den Ergebnissen von vor 20 oder 30 Jahren, sind Veränderungen allenfalls sporadisch auszumachen. Nach wie vor ist die Jugendhilfe ein Frauenberuf, mehr noch: Es ist ein Frauenberuf in Männerregie. Alarm zu schlagen ist bei der nach wie vor mangelhaften Datenlage zur Geschlechterverteilung bei den Adressaten/-innen. Auszüge aus den Beiträgen: “ Geschlechtergerechtigkeit in der Jugendhilfe * WAS ERFASST DIE STATISTIK? WIE WIRD GEMESSEN? Die Kinder- und Jugendhilfestatistik (KJH-Statistik) ist eine eigenständige Datenquelle für die Kinder- und Jugendhilfe. Sie leistet, so der Elfte Kinder- und Jugendbericht, einen zentralen Beitrag zur empirischen Dauerbeobachtung dieses gesellschaftlichen Teilbereichs. Dennoch ist zu fragen: Inwieweit sind die verschiedenen Erhebungen zu Strukturen, Leistungen und Adressaten/-innen in der Lage, Unterschiede zwischen den Geschlechtern gezielt in den Blick zu nehmen? Bei welchen Fragestellungen kann die KJH-Statistik dies nicht? Und vor allem: Wie bewertet man die statistischen Verteilungen auch angesichts des gesetzlichen Auftrags (§ 9, Abs. 3 SGB VIII), Geschlechtergerechtigkeit für die Jugendhilfe herzustellen? Lücken der Statistik auf der Adressaten-/-innenebene Eine Bilanz der KJH-Statistik als Instrument zur Darstellung von Geschlechterverteilungen in der Kinder- und Jugendhilfe muss zwischen den tätigen Personen und den Adressaten/-innen unterscheiden. Angaben zum Personal, auch zum Geschlecht, liegen bis auf wenige Ausnahmen für die Facetten der Kinder- und Jugendhilfe vor. … Das große Manko in diesem Zusammenhang ist, dass Daten lediglich zum beruflich tätigen Personal, nicht aber zu den Ehrenamtlichen, und zwar insbesondere in der Kinder- und Jugendarbeit, erfasst werden. Entsprechend fehlen hierzu wichtige Informationen, so dass man auf andere Datenquellen angewiesen ist. Angaben zu den Adressaten/-innen werden nicht für alle Arbeitsfelder erhoben. Berücksichtigt wird das Feld der Kinder- und Jugendarbeit – zumindest teilweise –, Hilfen zur Erziehung, Adoptionen, Inobhutnahmen, Sorgerechtsentzüge, Pflegschaften und Vormundschaften. Keine Daten liegen hingegen vor für z.B. die Jugendsozialarbeit, die Jugendgerichtshilfe oder auch für den gesamten Bereich der Förderung der Erziehung in der Familie (hierunter fällt, rechtlich gesehen, auch die ASD-Arbeit in den Kommunen). Folglich fehlen zu diesen Feldern amtliche Daten zur geschlechtsspezifischen Zusammensetzung der Klientel. Verbesserung der Datenlage und neue Herausforderungen Andere Lücken der Jugendhilfestatistik konnten bzw. werden derzeit geschlossen. … Ab dem nächsten Jahr werden entsprechende Angaben zu den ›§ 35a-Hilfen‹ erfasst. Zudem wird dann auch für die Kinder im Rahmen von sozialpädagogischer Familienhilfe das Geschlecht erfragt. Völlig unzulänglich, wie es noch der Sechste Jugendbericht feststellte, scheint die Datenlage zur Beobachtung von Geschlechterdifferenzen in der Jugendhilfe somit nicht mehr zu sein. Wenn Angaben zu tätigen Personen oder Adressaten/-innen erhoben werden, so geschieht dies in der Regel geschlechterdifferenzierend. Die KJHStatistik ist an den Stellen ›blind‹ gegenüber Unterschieden zwischen Jungen und Mädchen, bei denen grundsätzlich keine adressatenbezogenen Daten erhoben werden. Von der Geschlechterverteilung zur Geschlechtergerechtigkeit Statistik ist dazu in der Lage, Geschlechterverteilungen abzubilden. Sie kann jedoch nicht klären, welche Verteilung geschlechtergerecht ist. Am Beispiel der Hilfen zur Erziehung ist diese Differenzierung in dieser Ausgabe nachzuvollziehen. Die Versuche, auf die Frage nach Gerechtigkeit eine Antwort zu finden, führen zu grundsätzlicheren Fragestellungen nach der Messbarkeit von Geschlechtergerechtigkeit. Oder konkreter formuliert: Bei welcher Quote ist eigentlich Geschlechtergerechtigkeit erreicht? Kann man für die Jugendarbeit von Geschlechtergerechtigkeit sprechen, wenn sich die Besucher- und Teilnehmerschaft zu gleichen Anteilen aus Jungen und Mädchen zusammensetzt? Und gilt das Gleiche für das Feld der Hilfen zur Erziehung, wenn hier deutlich mehr Jungen als Mädchen gezählt werden? Wohl kaum. … Eine …rechnerische Ausgeglichenheit steht vielmehr in der Gefahr, in naiver Weise eine gleichmäßige Verteilung als das Maß aller Dinge auszugeben. Zu warnen ist also vor arithmetischen Zahlenspielereien auf der Grundlage von zu beobachtenden statistischen Verteilungen zwischen … den Geschlechtern. Will die Kinder- und Jugendhilfe einen Beitrag zum Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung leisten und nimmt sie ihren öffentlichen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag ernst, so ist der Referenzrahmen ein anderer. Zielsetzung der Kinder- und Jugendhilfe kann dann nur sein, dass junge Menschen unabhängig vom Alter, Migrationshintergrund, familiärer Herkunft und eben auch vom Geschlecht die gleichen Chancen auf die Inanspruchnahme und Teilhabe an den vielfältigen Angeboten und Leistungen der Jugendhilfe haben – nicht aber in gleichem Maße von Problemen betroffen sind. von Thomas Rauschenbach & Jens Pothmann *WO SIND DIE MÄNNER? ZUR PERSONALSTRUKTUR IN DER JUGENDHILFE Das Aufwachsen von jungen Menschen ist in Deutschland zumindest in den ersten Lebensjahren überwiegend durch weibliche Bezugspersonen geprägt. Insbesondere in Familien mit einem allein erziehenden Elternteil, in der Regel die Mutter, können Kinder in die Situation kommen, erst im Alter von etwa zehn Jahren auf eine männliche Bezugsperson, zumeist den Lehrer auf einer weiterführenden Schule, zu treffen. Die Sozialisationsforschung zeigt, dass dieser Umstand, insbesondere für Jungen, zumindest problematisch ist … Hier besteht bildungs-, aber auch jugend(hilfe)politischer Handlungsbedarf … Überwiegend weibliches Personal Das Personal in der Kinder- und Jugendhilfe ist seit jeher weiblich. So lag in den zuletzt verfügbaren Daten aus dem Jahre 2002 der Frauenanteil mit 573.802 weiblichen Beschäftigten bei 86,5%. Dieser Anteil ist seit Mitte der 1990er-Jahre unverändert geblieben – schon damals waren nur 13,6% der Beschäftigten Männer – und ist gegenüber 1974 sogar leicht zurückgegangen (16%). Frauendominanz vor allem in den Kindertageseinrichtungen In den Kindertageseinrichtungen arbeiteten Ende 2002 mit einem Anteil von 96,2% fast ausschließlich Frauen. Auch bei den freigestellten Einrichtungsleitungen sind mit einem Anteil von 4,8% Männer eher selten anzutreffen. Das deutliche Übergewicht der Frauen in Tageseinrichtungen ist nicht zuletzt darin begründet, dass die Versorgung und Betreuung der Kleinst- und Kleinkinder gesellschaftlich ›schon immer‹ als Aufgabe der Frauen angesehen wurde. … In anderen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe ist die Vorrangstellung der weiblichen Beschäftigten bei weitem nicht so ausgeprägt. Der Anteil der Männer liegt hier alles in allem bei immerhin 32,4%. Hohe Männeranteile finden sich vor allem in der Jugendarbeit mit 42,8% und der Jugendsozialarbeit mit 38,8%. Im Bereich der Hilfen zur Erziehung, dem zweitgrößten Arbeitsfeld, sind 29,6% der Fachkräfte Männer. Je älter die Klientel, je größer der Einfluss, desto mehr Männer Bei genauerem Hinsehen zeigen sich weitere Muster in den Daten. So korrespondiert die Höhe des Männeranteils mit dem Alter der ›Kernklientel‹ eines Arbeitsfeldes. Je älter die jungen Menschen sind … desto höher ist der Männeranteil, und umgekehrt. In der Kinder und Jugendhilfe beschäftigte Männer sind zu einem weitaus geringeren Anteil als Frauen Teilzeitkräfte. Ferner ist der Akademikeranteil bei den männlichen deutlich höher (41%) als bei den weiblichen Beschäftigten (12%), und zwar auch dann, wenn man die Kindertageseinrichtungen herausrechnet. Nicht zuletzt ist der Bereich Leitung … derjenige mit dem höchsten Männeranteil. Geschlechterverteilungen werden sich verändern … Doch immerhin zeichnen sich gesamtgesellschaftliche Entwicklungen ab, die möglicherweise auch konkret für die Geschlechterverteilungen beim Jugendhilfepersonal nicht folgenlos bleiben werden. Da wäre zum einen die sich abzeichnende Aufwertung des öffentlichen Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsauftrags und sind zum anderen die sich veränderten Lebensentwürfe und Rollenerwartungen der Frauen sowie – wenn auch weniger deutlich – die der Männer. Gekoppelt mit einer entsprechenden Politik des Gender Mainstreamings könnten diese Veränderungen konkret mit dazu führen, dass sich beispielsweise der Anteil männlicher Beschäftigter in Kindertageseinrichtungen genauso erhöht wie der der Akademikerinnen in der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt. von Kirsten Fuchs-Rechlin & Matthias Schilling * IST DAS GERECHT? ZUR GESCHLECHTERVERTEILUNG BEI ERZIEHERISCHEN HILFEN Im § 9 SGBVIII ist seit 1991 der Auftrag formuliert, die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen für alle Arbeits- und Handlungsfelder, also auch für die Hilfen zur Erziehung, gleichermaßen zu berücksichtigen. Was heißt es nun, wenn mit Hilfe der Statistik deutlich wird, dass die Zahl der innerhalb eines Jahres gewährten Hilfen für Jungen und junge Männer höher ist als für Mädchen und junge Frauen? Was hat es zu bedeuten, dass sich zumindest von den Zahlen her diesbezüglich in den letzten 25 Jahren nichts verändert hat? Zeugt dies davon, dass alles in allem die Hilfen zur Erziehung nicht geschlechtergerecht organisiert sind und das dagegen auch keine Gesetze helfen können? Oder aber ist nach 15 Jahren von einer Umsetzung geltenden Rechts auszugehen, so dass möglicherweise die bestehende Gewährungspraxis gerade den geschlechterdifferierenden Lebens- und Problemlagen Rechnung trägt? Klientel der Hilfen zur Erziehung ist mehrheitlich männlich Bei den knapp 660.500 jungen Menschen und deren Familien, die 2004 eine familienunterstützende, ergänzende oder auch -ersetzende Hilfe erhalten haben, sind Mädchen und Jungen nicht in gleicher Anzahl vertreten. … sind von den … rund 558.600 Adressaten/-innen knapp 58% männlich und 42% weiblich. Diese ungleiche Verteilung variiert für die einzelnen Leistungssegmente. …Noch deutlicher sind die Disparitäten im Feld der ambulanten Hilfen. Zu 70% Jungen und zu 30% Mädchen haben 2004 eine solche Hilfe neu begonnen. D.h., während 30 pro 10.000 der Adressaten unter 21 Jahren eine ambulante Hilfe neu erhielten, sind es bei den Adressatinnen lediglich 13. Die höchsten Diskrepanzen zeigen sich hierbei vor allem bei den sog. ›justiznahen Hilfen‹, der sozialen Gruppenarbeit (78% Jungen) und den Betreuungshilfen (74% Jungen). Ausgeglichener gestaltet sich die Verteilung für die familienersetzenden Hilfen und liegt bevölkerungsrelativiert jeweils bei etwas mehr als 20 neu begonnenen Hilfen. In Prozent ausgedrückt liegt der Jungenanteil bei 53%, der Mädchenanteil entsprechend bei 47%. Während sich bei der Vollzeitpflege keine Unterschiede zeigen, überwiegt bei der Heimerziehung mit 54% die männliche Klientel. An diesem Verhältnis hat sich in den letzten rund 25 Jahren kaum etwas verändert. Zunahme des Mädchenanteils bei den Älteren Die festgestellten Unterschiede in der Gewährungspraxis erzieherischer Hilfen sind nicht durchgängig auf junge Menschen jeden Alters übertragbar. Zumindest im Rahmen von Beratung, aber auch bei den familienersetzenden Hilfen gewinnen Adressatinnen mit zunehmendem Alter quantitativ an Bedeutung Für die Beratung gilt, dass bereits bei den Kindern unter 6 Jahren Mädchen weniger häufig als Jungen bzw. deren Erziehungsberechtigte die vorhandenen Angebote nutzen. Noch größer ist diese Differenz im Grundschulalter. Ab einem Alter von 12 Jahren steigt dann die Bedeutung der Mädchen deutlich an, bis bei den jungen Volljährigen mehr junge Frauen als Männer gezählt werden. Ganz ähnlich stellt es sich für die familienersetzenden Hilfen dar. Sind bei den Grundschulkindern noch geschlechterdifferierende Unterschiede zu Ungunsten der Mädchen erkennbar, ist die Zahl der familienersetzenden Hilfen bei den 12- bis unter 18-Jährigen sowie den jungen Volljährigen für beide Geschlechter annähernd gleich hoch. Eine derartige Angleichung findet sich bei den ambulanten Hilfen so nicht. Hier vergrößern sich die Unterschiede in der Gewährung einer Leistung ab dem Grundschulalter zu Ungunsten der Adressatinnen. ›Stellschrauben‹ für ein geschlechtergerechtes Hilfesystem Die Jugendhilfe und damit auch die Hilfen zur Erziehung werden dezentral in der Verantwortung der örtlichen Jugendämter organisiert. Zwar geschieht dies auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage, doch sind die regionalen Disparitäten bei der Höhe der Inanspruchnahme von Leistungen, aber auch für die erreichten Zielgruppen beträchtlich. So auch beim Geschlecht: … Für die Planung und Gestaltung von Hilfesystemen vor Ort ist angesichts dessen die Identifizierung von Einflussfaktoren auf eine geschlechtergerechte Gewährungspraxis zentral. Gesucht werden also gewissermaßen die ›Stellschrauben‹ zur Veränderung u.U. bestehender geschlechterungerechter Jugendhilfeleistungen und -strukturen. Dies sind hier zum einen Wahrnehmungs- und Definitionsprozesse, und zwar insbesondere des Personals in den Sozialen Diensten. Zum anderen ist aber auch das vorhandene Spektrum von Angeboten und Leistungen der Hilfen zur Erziehung, angrenzender Felder der Kinder- und Jugendhilfe oder auch anderer Agenturen des Bildungs- und Sozialwesens im Rahmen einer kommunalen Bildungs- und Sozialplanung relevant. von Sandra Fendrich & Jens Pothmann * JUNGE GEWALTTÄTERINNEN IN DER AMTLICHEN STATISTIK Pressemeldungen über gewalttätige Übergriffe von Mädchen widersprechen herkömmlichen Vorstellungen vom friedlichen, kompromissbereiten und anpassungsfähigen Mädchen. Antworten darauf, ob dies nur Einzelfälle sind oder ob hier ein Trend sichtbar wird, werden von der amtlichen Statistik erwartet. Häufig nicht bedacht werden dabei jedoch Spezifika und Grenzen der Statistik, die sich aus ihrem Zweck sowie aus Besonderheiten der Erfassung und Registrierung ergeben. Jugendgewalt ist in erster Linie männliche Gewalt Geschlechts- und altersspezifische Daten zur Gewaltkriminalität (z.B. Mord/ Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge, Vergewaltigung, gefährliche, schwere Körperverletzung, Raub) liefert die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) durch die Erfassung von Tatverdächtigen. Sie belegen ein deutliches Geschlechtergefälle. Im Deliktfeld Körperverletzung – hier ergeben sich die höchsten Zahlen im Bereich der Gewaltkriminalität bei weiblichen wie männlichen Jugendlichen – beträgt 2005 der Anteil der Mädchen und jungen Frauen an allen Tatverdächtigen unter 21 Jahren in der Bundesrepublik 17%, bei den Jungen und jungen Männern liegt er entsprechend bei 83% … Weibliche Gewalt in der PKS Innerhalb der Gruppe der unter 21-jährigen weiblichen Tatverdächtigen im Deliktfeld Körperverletzung fallen besonders die 14- bis 18-Jährigen ins Auge: Von den 2005 insgesamt registrierten 23.719 Mädchen und jungen Frauen bilden sie die größte Gruppe (56%), gefolgt von den Heranwachsenden (29%) und den Kindern (15%). Ähnliche Relationen zeigen sich, wenn man die Tatverdächtigenbelastungszahl (TVBZ) heranzieht. Bei ihrer Berechnung wird die Zahl der Tatverdächtigen auf 100.000 der alters- und geschlechtergleichen Bevölkerung bezogen, sie erfasst allerdings aus registrierungstechnischen Gründen nur Deutsche. … Die Entwicklung der TVBZ bei Körperverletzungsdelikten belegt eine Zunahme – in etwa eine Verdreifachung – bei jungen weiblichen Tatverdächtigen. 1993 belief sich die TVBZ bei der gefährlichen und schweren Körperverletzung auf 49,9 bei den weiblichen 8- bis unter 21-Jährigen, im Jahr 2004 liegt sie bei 157,7. Bei der leichten vorsätzlichen Körperverletzung lag die TVBZ 1993 bei 69,7, 2004 bei 221,5. Grenzen der PKS Die Daten der PKS geben nur einen eingeschränkten Einblick in die »Gewaltwirklichkeit«. Da die Registrierung der Tatverdächtigen überwiegend auf Anzeigen beruht, ist sie wesentlich von der Anzeigebereitschaft abhängig. So könnte die Zunahme junger weiblicher Tatverdächtiger auf eine – durch die mediale Aufmerksamkeit bedingte – erhöhte Sensibilisierung für und geringere Akzeptanz von Mädchengewalt zurückzuführen sein. Eine Rolle könnte auch eine stärkere Präsenz von Mädchen in öffentlichen Räumen spielen, in denen es leicht zu aggressiven Zusammenstößen kommt und die stärker der sozialen Kontrolle unterliegen. … Vor allem ist zu berücksichtigen, dass in der PKS Tatverdächtige erfasst werden. … zudem besteht keine Klarheit, ob der Verdacht auch gerechtfertigt ist. So belegen Vergleiche zwischen den Daten der PKS und der Strafverfolgungsstatistik, dass nur ein Bruchteil der strafmündigen Tatverdächtigen auch verurteilt wird. Aufklärung des Dunkelfeldes Die dargestellten statistischen Daten bilden das sog. »Hellfeld« weiblicher Jugendgewalt ab. Alle nicht polizeilich registrierten Körperverletzungen, also jene, die nicht entdeckt bzw. nicht ermittelt werden können, bleiben im »Dunkelfeld«. Zu seiner Erhellung tragen repräsentative sozialwissenschaftliche Erhebungen bei. So ergeben sich auf der Basis von Selbstauskünften – bei allen Differenzen in den Erhebungsmodi – deutlich höhere Anteile gewalttätig agierender Mädchen und weiblicher Jugendlicher an der altersgleichen Geschlechtergruppe als in der PKS. Bestätigt wird jedoch die Dominanz männlicher Jugendlicher beim Gewalthandeln, während ein Anstieg der Mädchengewalt von den (wenigen) Längsschnittstudien nicht übereinstimmend belegt wird. von Kirsten Bruhns & Svendy Wittmann“ Eine ausführliche Analyse zur geschlechtsspezifischen Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung hat die AKJStat im Rahmen des HzE Berichtes 2006 für NRW vorgelegt. Der Bericht ist als Anhang beigefügt.

http://www.akjstat.uni-dortmund.de

Quelle: Kommentierte Daten der Kinder- und Jugendhilfe, Informationsdienst der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik Heft Nr. 2/06, 9.Jg

Dokumente: HzE_Bericht_2006.pdf

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