BERLINER ILSAMFORUM LEGT LEITFADEN MIT KOOPERATIONSBEISPIELEN VOR Die folgenden Thesen und Praxisbeispiele zur Zusammenarbeit mit islamischen Gemeinschaften im Stadtteil entstanden auf der Grundlage von Diskussionen im Islamforum Berlin. Das 2005 gegründete Islamforum Berlin ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration und der Muslimischen Akademie in Deutschland. Das Islamforum dient dem offenen Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der muslimischen Gruppen, politisch Verantwortlichen in Berlin sowie Vertreterinnen und Vertretern der christlichen und der jüdischen Religionsgemeinschaften und von nichtstaatlichen Organisationen. Einer der Themenschwerpunkte der Diskussionen betraf die Möglichkeiten von Kooperationen mit islamischen Vereinen im Stadtteil. Zu den Zielen dieser Darstellung gehört es, Verständnis zu wecken: – Erst in der konkreten Zusammenarbeit zeigen sich Gemeinsamkeiten und Grenzen des Miteinanders. – Differenzen zwischen religiösen und rechtsstaatlichen Normen stellen keine Besonderheit des Islam dar. Vielmehr sind sie in jeder Religion zu finden und können oftmals nur schwer von kulturellen Unterschieden getrennt werden. Es kommt jedoch darauf an, sie im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Grundrechte aufzulösen. Beim Islam kommt hinzu, dass es generell eine Pluralität an Islaminterpretationen gibt. Diese gebietet eine differenzierte Wahrnehmung dieser Religion. Gleichwohl gibt es beim Islam in den letzten Jahren eine besondere Entwicklung. Sie betrifft die Abgrenzung zwischen Islam und Islamismus, was auf mehrere Ursachen zurückzuführen ist. Diese Unterschiede erschließen sich häufig nicht auf den ersten Blick. Vor diesem Hintergrund will das Islamforum zu einem differenzierteren Bild der Muslime und muslimischen Lebens in unserer Gesellschaft beitragen und grenzt sich gleichzeitig eindeutig von jeglichen islamistischen Aktivitäten ab. Mit der Darstellung der sehr unterschiedlicher Aktivitäten von Moscheegemeinden sollen Anregungen gegeben werden, Beispiele anderer aufzugreifen und eigene Potentiale stärker auszuschöpfen. Auszüge aus der Handreichung: “ Anforderungen an die Zusammenarbeit Die Erfahrung zeigt, dass die Entwicklung gemeinsamer Projekte zwischen islamischen Einrichtungen und anderen Akteuren im Stadtteil häufig grundlegende Fragen aufwirft, deren Bearbeitung für die vertrauensvolle Zusammenarbeit elementar ist. Demnach werden folgende Anforderungen an die Kooperation gestellt: – Offenheit und Transparenz nach außen: Für Außenstehende sollte nachvollziehbar sein, welche Aktivitäten in dem islamischen Verein stattfinden. Wünschenswert sind z.B. umfangreichere deutschsprachige Angebote dort oder deutschsprachige Angebote von anderen, die von dem islamischen Verein unterstützt werden. Ebenso sollten die Kooperationspartner und Unterstützer der islamischen Vereine und ihrer Verbände bekannt sein. – Sonstige Kooperationen: Die Öffnung eines Vereins zeigt sich auch darin, inwieweit regelmäßige Kontakte zu nicht-islamischen Organisationen oder Einrichtungen bestehen. Dies betrifft beide Richtungen: Inwieweit beteiligen sich nicht-muslimische Personen an den Angeboten des islamischen Vereins und inwieweit beteiligen sich Gemeindemitglieder an externen Angeboten? Kooperation in diesem Sinne heißt also, dass nichtreligiöse Projekte, andere Einrichtungen (z.B. Volkshochschulen) oder auch andere Religionsgruppen sich an islamische Vereine wenden. Es bedeutet aber gleichermaßen, dass Vertreterinnen und Vertreter islamischer Gemeinden ihre Kompetenzen auch außerhalb einbringen. … – Es ist zu unterscheiden zwischen Dialog und Kooperation und staatlicher finanzieller Förderung von Projekten von Moscheevereinen. Im letzteren Fall sind strengere fachliche Kriterien anzuwenden, hinzukommen … die für alle Zuwendungsempfänger … gültigen Förderkriterien, unabhängig von den fachlichen Anforderungen. – Eindeutiges Ausschlusskriterium für jegliche Kooperation und finanzielle Förderung sind die Verherrlichung von Gewalt, die Infragestellung der Trennung von Staat und Religion und die Ablehnung von Teilen unserer Verfassung (z.B. Demokratie, Gleichstellung der Geschlechter, Gewalt, Verletzung der Menschenrechte). … II. Ausgewählte Felder und Einzelbeispiele der Zusammenarbeit … 2. Elternarbeit In vielen Moscheegemeinden werden Erziehungsfragen diskutiert. Teilweise reichen die Kompetenzen der Moscheevereine aber nicht aus, um beispielsweise folgende Fragen zu klären: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es im Bereich Erziehung? Welche staatlichen Unterstützungsangebote bestehen? An wen kann man sich auf staatlicher Seite wenden? Fortbildungen zu diesen Themen könnten angeboten und genutzt werden. Insbesondere im Themenfeld Erziehung sind auch Angebote in den Muttersprachen von Bedeutung. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass viele Eltern sich der Mitgestaltungsmöglichkeiten im Bereich Kindergarten/Schule nicht bewusst sind, da eine Elternpartizipation in Bezug auf schulische Fragen in den Herkunftsländern häufig nicht stattfindet. Beispiele: – Projekt „Starke Eltern – Starke Kinder“ – IZDB Die Nachbarschaftsetage der Fabrik Osloer Straße führte gemeinsam mit dem Deutschen Kinderschutzbund und dem Verein Hayru Nisa e.V. zwischen Oktober und Dezember 2006 zwei Elternkurse „Starke Eltern – Starke Kinder“ in türkischer Sprache durch. Ziel war es dabei, die Erziehungskompetenz der Teilnehmerinnen zu erweitern. Insgesamt nahmen 24 Frauen türkischer Herkunft teil. Die ersten beiden Termine jedes Kurses fanden in für die Teilnehmerinnen vertrauten Räumen statt. Das IZDB und die Nachbarschaftsetage der Fabrik Osloer Straße planen für 2007 ebenfalls gemeinsame Angebote für Eltern zur Stärkung der Erziehungskompetenz. – Unterstützung der Initiative für ein besseres Neukölln – IKEZ Die „Initiative für ein besseres Neukölln“ wurde vom Bezirksamt Neukölln angeregt. Aufgrund der Beobachtung, dass viele nicht-deutsche Eltern kaum an Elternabenden teilnehmen und zudem häufig eine gestörte Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern herrscht, wurde speziell für diese Mütter und Väter nicht-deutscher Herkunft ein Elternabend organisiert. Das Islamische Kultur- und Erziehungszentrum warb hierfür innerhalb der eigenen Gemeinde und schlug einige relevante Themen (Schwimmunterricht, Teilnahme an Klassenfahrten etc.) vor, welche während des Elternabends besprochen wurden. Bislang fand der Elternabend nur einmal … statt. Für 2007 ist ein weiterer gemeinsamer Eltern-Lehrerabend geplant. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des Schulamtes sollen spezifische Schwierigkeiten des Themenfeldes „Islam und Schule“ diskutiert werden. Das Ziel besteht darin, die Eltern mit ihren Bedenken und Sorgen ernst zu nehmen und sie gleichzeitig mit den Lehrern und dem Schulamt in Kontakt zu bringen. 3.Berufsvorbereitung Volkshochschulen, der Senat und verschiedene Job Center bieten Kurse zur beruflichen Orientierung an. Über die Moscheegemeinden ließe sich das Zielgruppenspektrum erweitern. In einigen Fällen gelingen die Kooperationen mit den Moscheegemeinden, die Möglichkeiten sind jedoch noch längst nicht ausgeschöpft. Beispiele: Kausa Projekt – DITIB – Mit zahlreichen Veranstaltungen von Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religionen (DITIB) und der Kölner Koordinierungsstelle Ausbildung in ausländischen Unternehmen wurden Vorbeter und Moscheevereinsvorsitzende in ihrer Multiplikatorenfunktion auf die Bedeutung von Bildung und Ausbildung von Jugendlichen hingewiesen. Sie sollen ihren Einfluss auf Eltern, Betriebe und Jugendliche nutzen, um die Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen zu verbessern. Bundesweit war das Vorgehen von DITIB erfolgreich. – Projekte zur beruflichen Qualifizierung von Frauen- IZDB Zur Förderung beruflich benachteiligter Mädchen und Frauen aus dem arabischen Raum führte das IZDB zwei aus dem LOS (Lokales Kapital für soziale Zwecke) geförderte Projekte durch, in den Frauen motiviert und qualifiziert werden, sich z.B. in den Bereichen Gastronomie, Kosmetik oder Schneiderei eine Existenz aufzubauen. Ziel der Kurse war es, das Selbstbewusstsein der Mädchen und Frauen zu stärken und ihnen eine Perspektive für einen Einstieg ins Berufsleben zu geben. Daneben nutzen andere Träger die Räume des IZDB zur Durchführung berufsorientierender LOS-Projekte. Dazu gehörte ein niedrigschwelliges Bewerbungstraining für Frauen und ein Existenzgründungsseminar, an dem überwiegend Männer teilnahmen. Die berufsorientierenden Projekte im IZDB finden in enger Abstimmung mit dem Bezirksamt Mitte und dem Quartiersmanagement Soldiner Straße statt. – Informationen über die Ausbildung bei der Polizei Die Berliner Politik hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Migranten und Migrantinnen im Polizeidienst zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund warb die Polizei bei muslimischen Jugendlichen in Moscheen für den Polizeiberuf. Sie informierte über Anforderungen und Aufgaben von Polizistinnen und Polizisten sowie über die Voraussetzungen für Bewerberinnen und Bewerbern. Neben dem Ziel der Anwerbung von Auszubildenden diente der Besuch der Polizei auch dazu, das Bild der Polizei zu verbessern. … 5. Jugendarbeit In vielen Moscheegemeinden findet außerhalb des Koranunterrichts und des Gebets Jugendarbeit statt. Das Interesse islamischer Gemeinden auf diesem Gebiet ist hoch. Allerdings ist ihre Arbeit in diesem Bereich sowohl hinsichtlich des fachlichen pädagogischen Wissens als auch ausgebildeter Fachkräfte verbesserungsbedürftig. Demnach könnte auch in diesem Handlungsfeld die Zusammenarbeit mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen die Kompetenzen der Gemeinden erweitern. Eine Kooperation könnte darüber hinaus zu mehr Transparenz, zum gegenseitigen Kennen Lernen und zur Erweiterung der Kenntnisse in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Erziehung und gemäß des Kinder- und Jugendschutzgesetzes führen. Beispiele: Deutschförderung – KAA Für das Schuljahr 2007/2008 plant das Kulturzentrum Anatolischer Aleviten, für Schülerinnen und Schüler mit schulischen Problemen eine Hausaufgabenhilfe anzubieten. In diesem Rahmen will das Kulturzentrum gemeinsam mit der Schulleitung überlegen, welche Kinder einer zusätzlichen Förderung bedürfen. Die Hausaufgabenhilfe, welche sich an Grundschülerinnen und -schüler richtet, soll in den Räumen des Kulturzentrums stattfinden. Aufgrund der Beobachtung des Kulturzentrums, dass viele Kinder über Schwierigkeiten verfügen, sollen darüber hinaus auch Deutschkurse für Grundschülerinnen und -schüler zusammen mit ihren Müttern angeboten werden. 6. Nachbarschaft Moscheegemeinden und islamische Vereine sind an der Kommunikation in der Nachbarschaft interessiert. Diese erfolgt aber bisher nur durch die Mitwirkung der Menschen im unmittelbaren Wohnumfeld einerseits und durch die Öffnung der Moscheen nach außen andererseits. … Zu diesem Handlungsfeld gehören Angebote an das nähere Wohnumfeld, aber auch Einladungen zum interreligiösen Dialog. … Berufsorientierende Seminare für Jugendliche – IZDB Seit Mai 2006 bietet das IZDB gemeinsam mit dem Ausbildungszentrum Quadriga berufsorientierende Seminare für Jugendliche an. Die Teilnehmenden sind meist im Alter zwischen 11 und 18 Jahren und sollen im Rahmen des Seminars lernen, ihre Interessen und Fähigkeiten zu erkennen, damit sie ihre Berufsrichtung gezielt wählen können. Darüber hinaus sollen die Jugendlichen in einem Coaching auf die Bewerbungssituation vorbereitet werden. 7. Partizipation Bisher werden unterschiedliche Partizipationsstrategien auf Quartiers- bzw. Bezirksebene vorgenommen. Zur Einschätzung spielt das Ausmaß, in welchem muslimische Vertreterinnen und Vertreter in bezirkliche Entscheidungsprozesse einbezogen werden, eine große Rolle. Folgende Fragen sind zu berücksichtigen: Inwieweit wird auf muslimische Vertreter/innen zugegangen? Inwieweit bieten sie auch selbst ihre Arbeit und damit vor allem ihre Kompetenzen an? Beispiele finden sich in diversen bezirklichen Runden, Arbeitskreisen der Verwaltung, Elternvertretungen, in der Stadtteilarbeit etc. … 10. Interreligiöser Dialog Der interreligiöse Dialog ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden und wurde im Laufe der Zeit intensiviert. Im Zuge dessen sind sehr viele islamische Vereine in verschiedenen Projekten mit dem Ziel der interreligiösen Verständigung aktiv. Beispiele: Tag der Religionsstifter – Ahmadiyya Im Mai 2006 lud die Ahmadiyya-Gemeinde zum Tag der Religionsstifter ein. Dieser diente dem Austausch verschiedener Religionsgemeinschaften. Hierzu waren ein Pfarrer, ein Rabbiner sowie ein Vertreter der buddhistischen Gemeinde eingeladen. … Tag der offenen Moschee Nahezu alle Moscheen sind täglich geöffnet und können jederzeit auch von Menschen nicht muslimischen Glaubens besucht werden. Einige Moscheen, … , bieten mittlerweile regelmäßig Führungen für Besuchergruppen an. Seit 1997 laden Moscheegemeinden bundesweit am 3.Oktober darüber hinaus gezielt nicht-muslimische Besucher zu Moscheeführungen, Podiumsdiskussionen, Ausstellungen u.ä. unter dem Titel �Tag der offenen Moschee’ ein.“ Den Volltext der Zusammenstellung entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link.
http://www.berlin.de/lb/intmig/islamforum/index.html
http://www.integrationsbeauftragter-berlin.de
Quelle: Muslimische Akademie in Deutschland
Dokumente: handlungsfelder_Zusammenarbeit_mit_muslimischen_Vereinen.pdf