Tagungsbericht: Islamfeindlichkeit als jugendpolitische Herausforderung

ÖFFENTLICHES FACHGESPRÄCH – Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus in der außerschulischen Jugendarbeit als ein wichtiger Aktionsbereich bewertet “ Am 15.11.2007 veranstaltete das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA) in Hannover ein öffentliches Fachgespräch zum Thema „Islamfeindlichkeit als jugendpolitische Herausforderung“. Der Eingangsvortrag wurde von Iman Attia, freie Erziehungs- und Sozialwissenschaftlerin, die sich seit vielen Jahren intensiv antimuslimischem Rassismus und pädagogischen Interventionsmöglichkeiten auseinandersetzt, gehalten. Zunächst wurden verschiedene empirische Untersuchungen vorgestellt, die auf bundesdeutscher wie europäischer Ebene den Anstieg von antimuslimischem Rassismus nachweisen. Zwar steht dieser Anstieg in Zusammenhang mit unterschiedlichen weltpolitischen Ereignissen, wie den 11. September oder den Karikaturenstreit, dessen politische und mediale Rezeptionen Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung von Muslimen und Muslimas hatten. Die Intensität und Ausprägungen antimuslimischer Stereotype in der Gesellschaft jedoch basieren auf lange tradierten Bildern und Ausgrenzungsstrukturen, die Iman Attia mittels des Orientalismuskonzeptes erläuterte, um die Wurzeln und Grundlagen des aktuellen antimuslimischen Rassismus zu erklären. Unter den Stichworten „Ausschluss“, „Fürsorge“ und „Exotismus“ zeigte die Referentin die unterschiedlichen Strategien der Dominanzgesellschaft, mit den als muslimisch markierten Personen umzugehen und deren Konsequenzen für die Betroffenen. Der Vortrag deckte die verschiedenen Facetten des antimuslimischen Rassismus, deren Traditionen, Interdependenzen und Verankerungen in der Gesellschaft auf, um die Vielschichtigkeit des Themas zu verdeutlichen. So wurde auch deutlich, dass nicht nur offensichtlich abwertende Äußerungen als ausgrenzend gelten können, sondern auch die exotisierenden und vermeintlich positiven Bilder, die über den Orient und damit partiell auch über die als muslimisch markierte Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland kursieren. Außerdem widmete sich die Veranstaltung der Frage, wie die Pädagogik didaktisch-methodisch auf Islamfeindlichkeit reagieren kann. Dabei ging es sowohl um konkrete praxisrelevante Anregungen als auch um die Frage, welchen Stellenwert die Auseinandersetzung mit Islamfeindlichkeit in der außerschulischen Jugendarbeit haben sollte. Denn reine Informationsvermittlung genügt nicht als Prävention vor Feindbildern und Stereotypen. Anhand eines Exkurses in die Geschichte der pädagogischen Strategien zum Umgang mit der Einwanderungsgesellschaft zeigte Iman Attia die problematischen Effekte von „Ausländerpädagogik“ und „interkultureller Pädagogik“ und entwickelte daraus resultierend Vorschläge für eine Pädagogik, die antimuslimischen Rassismus fokussiert. Als zentral gelten dabei Konzepte, die darauf abzielen, den Konstruktionscharakter von Zugehörigkeiten zu entwickeln, die Teilung in Gruppen, die zu einem imaginierten „Wir“ und Gruppen, die als „Die Anderen“ konstruiert werden, zu problematisieren und die die Funktion von Ausgrenzung als Stabilisierung der dominanten Gesellschaft fungieren, zu entschleiern. Das methodische Repertoire sei vielfältig und könne beispielsweise von der Arbeit mit Kinder- und Jugendbüchern, in denen orientalistische Bilder entfaltet werden, über die Auseinandersetzung mit Filmen, bis hin zu angeleiteten Befragungen von PassantInnen, die anschließend diskutiert werden, reichen. Wichtig sei es, bei der Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus nicht den Islam und Informationen über die Religion, sondern die diskriminierenden Mechanismen in den Mittelpunkt zu stellen. In der sich an den Vortrag anschließenden lebhaften Diskussion wurde deutlich, dass die Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus in der außerschulischen Jugendarbeit von den Teilnehmenden als ein wichtiger Aktionsbereich angesehen wird, wenngleich adäquate Herangehens- und Thematisierungsweisen noch weiter entwickelt werden müssen. Auch die Benennung der Thematik wurde kontrovers diskutiert: Islamophobie, Feindbild Islam oder antimuslimischer Rassismus waren Begriffe, die von den Teilnehmenden und der Referentin auf ihre Vor- und Nachteile hin analysiert wurden. Die wesentlichen Inhalte des Vortrags von Iman Attia und weitere Aspekte zum Thema antimuslimischer Rassismus werden aktuell von IDA e. V. in einem Reader aufbereitet. Dieser wird sowohl eine theoretisch-analytische Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus, Informationen über die Auswirkungen auf die muslimische Community, wie auch verschiedene pädagogische Praxiskonzepte enthalten. Der Reader wird Ende des Jahres erscheinen und kann bei IDA e. V. bezogen werden. “ Birgit Jagusch, IDA e. V.

http://www.idaev.de

Quelle: IDA e. V.

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