STREIT UM DIE WERTEVERMITTLUNG IN DER SCHULE “ Die Berliner Initiative «Pro Reli» hat nach eigenen Angaben mindestens 307.000 Unterschriften für ihr Volksbegehren gesammelt. «Damit ist es das mit Abstand erfolgreichste in der Geschichte Berlins,» erklärte der «Pro Reli»- Vorsitzende Christoph Lehmann beim Abschluss der Sammelaktion. Nach Angaben des Landesabstimmungsleiters sind die Voraussetzungen für einen Volksentscheid erfüllt. Die Stimmen dafür stammen vor allem aus den Westbezirken Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Reinickendorf. Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky und Landesbischof Wolfgang Huber dankten den Unterstützern von «Pro Reli». Es sei schon ein Erfolg, dass in Berlin wieder so intensiv über den Religionsunterricht gesprochen werde. Huber erklärte, die beiden letzten ihm zugetragenen Unterschriften stammten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Sterzinsky und Huber forderten zugleich wie Berliner CDU und FDP, den Volksentscheid zusammen mit der Europawahl am 7. Juni oder mit der Bundestagswahl am 27. September abzuhalten. Die Kirchenbeauftragte der Bundestags-Unionsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU), erklärte, mit den Unterschriftenlisten sei ein klares Votum für mehr Religionsfreiheit abgegeben worden. Die Entscheidung, ob Schüler konfessionellen Religionsunterricht oder bekenntnisfreien Ethikunterricht besuchen wollen, dürfe nicht die Politik treffen. Der Kirchenbeauftragte der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Michael Goldmann, verwies auf die Anzahl der abgegebenen Stimmen. Sie zeuge vom großen Mobilitätspotenzial der Idee einer Gleichstellung des Religionsunterrichts. Der Staatsrechtler Bernhard Schlink betonte dagegen, beim Streit um den Religionsunterricht in Berlin hätten die beiden großen Kirchen Vertrauen verspielt und ihre Integrität beschädigt. Durch die Art ihrer Unterstützung der Kampagne «Pro Reli» hätten sie sich auf die Gesetze des politischen Kampfes eingelassen, so Schlink in einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Die Menschen erhofften sich von den Kirchen eigentlich ein anderes Verhalten. «Selbst wenn die Kirchen den politischen Kampf noch gewinnen sollten, haben sie schon verloren», so Schlink. Die Initiative «Pro Reli» tritt für eine Gleichrangigkeit der Fächer Religion und Ethik an den Berliner Schulen ein. Derzeit ist der vor zwei Jahren eingeführte Ethikunterricht Pflichtfach, während Religion den Status einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft hat. Der „Pro-Reli‘-Vorsitzende erläuterte auf einer Veranstaltung eines SPD-Kreises in Berlin die geforderte Wahlfreiheit: „Wenn ich in einem Restaurant etwas essen möchte, und es gibt Pommes oder Nudeln als Beilage, dann will ich nicht erst die Pommes essen müssen und darf danach auch noch die Nudeln essen. Ich will die Freiheit haben, eines von beiden auswählen zu können.‘ «Pro Reli» wird auch von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sowie der «Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion» (Ditib) unterstützt. Die Alevitische Gemeinde hingegen steht auf Seiten der Initiative «Pro Ethik». Diese tritt für die bestehende Regelung ein. Der evangelische Theologe Rolf Schieder warf in der Diskussion um das Pflichtfach Ethik den Ethiklehrern in Berlin fehlende Fachkompetenz bei der Vermittlung von religiösem Wissen vor. Schieder erklärte dem in Bonn erscheinenden «Rheinischen Merkur», es sei ein Geburtsfehler des Fachs Ethik, dass die Lehrkräfte keine theologische Ausbildung vorweisen müssten. Dadurch komme der Unterricht «über einen allgemeinen Appell an Respekt und Toleranz nicht hinaus», so der Sprecher des Forschungsbereichs Religion und Politik der Berliner Humboldt-Universität. Ohne gründliche theologische Kenntnisse könne ein Dialog der Religionen nicht angestoßen werden. “
Quelle: KNA-Newsletter-Nordost hpd-online Die Zeit Nr. 3