Umsetzung ausgewählter Arbeitsmarktpolitischer Instrumente für U25

In der Expertise wird ein Schwerpunkt auf die Umsetzung der folgenden Instrumente im Bereich der Förderung von benachteiligten Jugendlichen gelegt: ## Vermittlungsbudget (§ 45 SGB III)
## Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 46 SGB III)
## Anspruch auf Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss im Rahmen berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen (§ 61a SGB III)
## Prämie beim Übergang in eine betriebliche Berufsausbildung (ab 1.9.2011)
## Neuregelung zu den Maßnahmekosten der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (§ 69 SGB III)
## Erprobung innovativer Ansätze (§ 421h SGB III)
## Wegfall der Förderung von Jugendwohnheimen (§§ 252, 253 SGB III)
## Freie Förderung im SGB II (§ 16f SGB II).
Auszüge aus der Expertise:
„… Überblick über die relevanten Änderungen für Jugendliche

Vermittlungsbudget (§ 45 SGB III)
Im Vermittlungsbudget wurden Leistungen zusammengefasst, die vor dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente in Einzelvorschriften geregelt waren. Die Entscheidung darüber, ob bestimmte Hilfen zur Unterstützung der Arbeitsaufnahme gewährt werden, liegt seit der Reform stärker als bisher im Ermessen der Vermittler. Während vor der Reform im Gesetz genaue Leistungsbestimmungen enthalten waren, können die Agentur für Arbeit oder die Grundsicherungsstellen nun über den Umfang der Leistungen entscheiden.

Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 46 SGB III)
Mit dem § 46 SGB III hat die öffentliche Arbeitsverwaltung seit dem 1. Januar 2009 die Möglichkeit, Träger mit Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zu beauftragen, um Ausbildungssuchenden, von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitssuchenden und Arbeitslosen je nach Bedarf Unterstützungsangebote unterbreiten zu können. Arbeitslose können die Zuweisung in eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung fordern, wenn sie sechs Monate nach Eintritt in die Arbeitslosigkeit noch arbeitslos sind. Mit der Neureglung sollten die positiven Elemente der früheren Instrumente (Beauftragung Dritter mit der Vermittlung, Personal-Service-Agenturen, Trainingsmaßnahmen, Maßnahmen nach § 421i SGB III sowie Aktivierungshilfen nach § 241 Abs. 3a SGB III) übernommen werden.

Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (§ 61 SGB III ff.)
Ab dem 1. Januar 2009 wurde nach § 61a SGB III ein Anspruch auf die Vorbereitung auf einen Hauptschulabschluss im Rahmen einer Berufsvorbereiteten Bildungsmaßnahme (BvB) eingeführt. Gleichzeitig ist die Möglichkeit weggefallen, Jugendliche und junge Erwachsene außerhalb von BvB auf einen Hauptschulabschluss vorzubereiten.
Neu ist zudem die Regelung, dass laut § 69 SGB III die Weiterbildungskosten für das Trägerpersonal in die Maßnahmekosten einkalkuliert werden müssen. Die gesonderte Kostenerstattung für Weiterbildungskosten entfällt. Zudem werden die Weiterbildungen für Bildungsträger von BvB nicht mehr zentral von der Bundesagentur für Arbeit (umgesetzt durch Hiba Impulse GmbH) angeboten. Eine weitere Neuerung im Bereich der BvB besteht darin, dass ab dem 1. September 2011 für die erfolgreiche Vermittlung von BvB-Teilnehmenden eine Prämie eingeführt wird.

Freie Förderung (§ 16f SGB II)
Vor der Einführung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente sind die sonstigen weiteren Leistungen nach § 16 Abs. 2 SGB II weggefallen. Als Ersatz gibt es nun die neuen Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 16 SGB II i.V.m. § 46 SGB III), das neue Vermittlungsbudget (§ 45 SGB III) sowie die Freie Förderung nach § 16f SGB II.

Mit der Freien Förderung können die Grundsicherungsstellen bis zu 10 Prozent ihrer Eingliederungsmittel einsetzen, um die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen zu erweitern. Eine Kombination oder Modularisierung von Maßnahmeinhalten ist zulässig. Die Maßnahmen dürfen (mit Ausnahme von Maßnahmen für Langzeitarbeitslose) die gesetzlichen Leistungen nicht umgehen oder aufstocken. Durch die Freie Förderung ist es auch möglich Zuwendungen zu gewähren.

Erprobung innovativer Ansätze (§ 421h SGB III)
Zum 1. Januar 2010 ist das Instrument der Freien Förderung nach § 10 SGB III a.F. weggefallen. Eine Individualförderung ist in das neue Vermittlungsbudget nach § 45 SGB III aufgegangen, der § 421h SGB III (sogenannter „Experimentiertopf“) wurde anstelle der Projektförderung im Rahmen der Freien Förderung eingeführt. Diese neue Regelung zielt nicht darauf ab eine flächendeckende und dauerhafte Förderung zu erzielen, sondern dient der Erprobung innovativer Ansätze der aktiven Arbeitsförderung. Die Regelung wurde befristet (finanzielle Befristung auf einen Höchstbetrag von zwei Millionen Euro; Laufzeitbefristung von maximal 24 Monaten; Projektbeginn spätestens bis zum 31.12.2013). Die Durchführung der Projekte wird wissenschaftlich begleitet, um Aussagen über die Umsetzung und die Wirkung der Projekte treffen zu können. …

Allgemeine Wahrnehmung der Reform

Welche Gesetzesänderungen sind besonders prominent und für die praktische Arbeit der Akteure im Bereich der Benachteiligtenförderung U25 relevant? Wie weitreichend sind die Auswirkungen der Neuausrichtung?
Ergebnisse aus Expertengesprächen und Fallstudien
Für örtliche Arbeitsagenturen sind die wichtigsten Änderungen durch die Reform in der Regel die Einführung des Vermittlungsbudgets nach § 45 SGB III und die Einführung des Anspruchs auf die Vorbereitung auf einen Hauptschulabschluss im Rahmen der BvB nach § 61a SGB III. Auch für den Bereich des SGB II sind vor allem diese Regelungen relevant, wobei die Änderungen bei BvB seitens der Ansprechpartner aus Grundsicherungsstellen eher problematisiert werden. In diesem Zusammenhang kritisierten einige Grundsicherungsstellen die alleinige Integration der Hauptschulabschlussvorbereitung in BvB bzw. den Wegfall oder die mangelnde Möglichkeit zur Weiterentwicklung anderer Varianten der Hauptschulabschlussvorbereitung. Konkret benannt wurden hier die Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten und das Modell der Produktionsschule. …

Das Thema sonstige weitere Leistungen wurde in den Gesprächen auch von einigen Trägern der Jugendsozialarbeit/Jugendberufshilfe hervorgehoben. Bei den interviewten Trägern war das Maßnahmenportfolio ausschlaggebend dafür, welche Neuregelungen der Reform von den Ansprechpartnern als besonders relevant angesehen wurden. Auch die Auswirkungen der Reform auf die Arbeit der Träger im Bereich U25 werden unterschiedlich gesehen. Einige Träger sehen größere Auswirkungen, vor allem im Bereich der BvB, einzelne Träger erkennen im Jugendlichen-Bereich dagegen keinerlei Auswirkungen durch die Reform.

Ergebnisse aus der Trägerbefragung
Insgesamt knapp ein Drittel (31%) der Träger, die an der Befragung teilgenommen haben, sieht im Zusammenhang mit der Reform keine bis eher geringe Auswirkungen auf die Fördermöglichkeiten für benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene. Die restlichen Befragten (69%) gehen dagegen von eher großen bis sehr großen Auswirkungen aus. …

Im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens und in einzelnen Expertengesprächen war die Befürchtung ausgesprochen worden, dass die Maßnahmendauer durch die Reform, beispielsweise beim § 46 SGB III zu kurz wäre, um benachteiligte Jugendliche in geeigneter Weise auf den für sie schwierigen Übergang in Ausbildung oder Arbeit vorzubereiten. 46 Träger haben bei der Trägerbefragung auf die Frage nach den Auswirkungen der Neuausrichtung auf die Maßnahmendauer geantwortet. Ein Drittel (33%) hiervon sagt, dass die Maßnahmendauer kürzer geworden und 43%, dass sie „in etwa gleich“ geblieben sei. Nur 4% der Träger geben an, dass die Maßnahmendauer sich verlängert habe. Ein Fünftel der Träger (20%) kann zu diesem Punkt allerdings keine Einschätzung abgeben. Auf der Basis der Befragungsdaten lässt sich somit eine leichte Tendenz zur Verkürzung der Maßnahmendauer festzustellen. …

Haben sich aus Sicht der Akteure durch die Reform die Handlungs- und Ermessensspielräume bei der Betreuung von benachteiligten Jugendlichen und die Passgenauigkeit der Maßnahmen insgesamt erhöht?
Ergebnisse aus Expertengesprächen und Fallstudien
Die Mehrzahl der Vertreter von Agenturen und Grundsicherungsstellen vor Ort nimmt eine moderate Erhöhung von Handlungs- und Ermessensspielräumen durch die Einführung des Vermittlungsbudgets nach § 45 SGB III wahr; eine zkT-Vertreterin sieht deutliche Verbesserungen durch eine Flexibilisierung der Instrumente und die Abschaffung starrer Fördermaßnahmen im Rahmen des § 45 SGB III. Dennoch würden nach der Reform im Bereich der Vermittlung weitestgehend die gleichen Leistungen gewährt wie vor der Gesetzesänderung – so die einhellige Meinung von Vertretern aus beiden Rechtskreisen. Bei der Frage, ob die neuen Handlungsspielräume bei der Vermittlung ausgeschöpft werden, scheinen agentur- und jobcenterinterne ermessenslenkende Weisungen, die Einstellung der Leitung, vor allem aber die Erfahrung und Risikobereitschaft des Personals eine wichtige Rolle zu spielen.
Die Einführung des § 46 SGB III wird vor allem von Agenturvertretern als Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten gewertet, da sie einen flexiblen und bedarfsgerechten Einkauf von Arbeitsmarktdienstleistungen ermögliche. Grundsicherungsstellen und Träger sehen dies meist kritischer, da alle Maßnahmen nach § 46 SGB III ausgeschrieben werden müssten, bei den Vorgänger maßnahmen sei hingegen häufiger eine freihändige Vergabe möglich gewesen. …

Dadurch, dass die Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss nur noch im Rahmen von BvB durchgeführt werden kann, fühlen sich die Grundsicherungsstellen in ihren Möglichkeiten beschnitten, in eigener Regie passgenaue und niederschwellige Maßnahmen mit integrierter Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss durchzuführen. Einige Grundsicherungsstellen und Träger bewerten dies als Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten für den Rechtskreis des SGB II gegenüber den vorherigen Regelungen.
Die Einführung der Freien Förderung nach § 16f SGB II wird in den interviewten Grundsicherungsstellen aufgrund des Umgehungs- und Aufstockungsverbots und wegen der Angst vor Rückforderungen bislang kaum genutzt und deshalb nicht als adäquater Ersatz für die Spielräume durch die früheren sonstigen weiteren Leistungen angesehen. …

Bei den interviewten Trägern bietet sich ein gemischtes Bild, wobei die kritischen Stimmen – häufig mit Hinweis auf zu starre Regelungen beim Ausschreibungsverfahren im Rahmen des § 46 SGB III – überwiegen. Hier hätten nicht der Gesetzestext, sondern die zentral geschaffenen Standardmodule, die bei Ausschreibungen häufig eingesetzt würden, tendenziell zu einer Vereinheitlichung der Maßnahmen und Verringerung von Spielräumen geführt. …

Ergebnisse der Trägerbefragung:

Insgesamt drei Viertel der 44 Träger, die auf diese Frage geantwortet haben, stellen keine bis sehr wenig Erhöhung der Spielräume fest; 14% sehen eher wenig, insgesamt 11% eine eher starke bis starke Erhöhung.
Die Befragten begründen ihre Einschätzung damit, dass ein individuelles Eingehen auf besonders benachteiligte Jugendliche durch die Reform schwieriger geworden sei. Innovationen seien generell schwerer umzusetzen, was vor allem Jugendliche aus dem SGB II-Bereich betreffe. … Die Neuausrichtung sei „ein guter Anfang, aber nicht zu Ende gedacht“, so ein Träger. Es gebe gesetzliche Spielräume, neue Projekte umzusetzen, allerdings seien die Ausschreibungsvorgaben in der Regel zu restriktiv.

Ist es gelungen, das Instrumentarium für förderbedürftige Jugendliche – auch rechtskreisübergreifend – besser zu strukturieren, übersichtlicher und einheitlicher zu gestalten?
Ergebnisse aus Expertengesprächen und Fallstudien

So wird von einigen Ansprechpersonen der Agentur für Arbeit (zentral) die Auffassung vertreten, dass durch die Reform Kerninstrumente des SGB III für benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene gestärkt werden sollen. Genannt werden in diesem Zusammenhang die Einstiegsqualifizierung, die außerbetriebliche Berufsausbildung (BaE), ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) sowie insbesondere die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen nach § 61 SGB III. Anliegen sei es, die Vielfalt im Bereich der Förderung benachteiligter Jugendlicher einzudämmen, zu systematisieren und mehr Übersichtlichkeit zu schaffen. Durch eine Stärkung der Basisinstrumente solle auch der Verwaltungs- und Bürokratieaufwand … verringert werden.
Nach Auffassung einiger Akteure aus Grundsicherungsstellen steht dieses Anliegen im Gegensatz zum Reformziel einer Flexibilisierung und beschneidet die Handlungsmöglichkeiten von Grundsicherungsstellen, vor allem im Bereich der niederschwelligen Förderung von Jugendlichen. …

Die Verantwortlichen einer Optionskommune sehen im Anliegen der Stärkung von BvB als Standardinstrument für benachteiligte Jugendliche einen deutlichen Eingriff in die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Da BvB ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der Agenturen für Arbeit durchgeführt werden, sei der Einfluss der Grundsicherungsstelle auf die Durchführung der Maßnahmen gering und ein Kontakt zu den Jugendlichen während deren Teilnahme nur eingeschränkt möglich. Verhindert werde hierdurch eine längerfristige, durchgängige Betreuung durch einheitliche Betreuungspersonen, die gerade bei benachteiligten Jugendlichen erfolgskritisch sei. …

Einige Grundsicherungsstellen fühlen sich in ihren Gestaltungsmöglichkeiten beschnitten, da sie in eigener Regie keine Maßnahmen zur Vorbereitung des Hauptschulabschlusses – beispielsweise im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten (AGH) – mehr durchführen können. Zusammen mit der Problematik, dass keine ausreichenden Plätze für SGB II-Jugendliche zur Verfügung stünden bzw. dass diese Maßnahmen teilweise nicht für Jugendliche aus dem SGB II geeignet seien, führe dies zu einer Unterversorgung von Jugendlichen im SGB II mit geeigneten Maßnahmen zur Hauptschulabschlussvorbereitung. …

Ergebnisse der Trägerbefragung
… Eine „eher starke“ bis „starke“ Vereinfachung durch die Reform erkennen etwas mehr als ein Viertel der Antwortenden an. Fast drei Viertel (74%) der Träger geben jedoch an, dass durch die Neuausrichtung 2009 der Maßnahmenkatalog im Bereich benachteiligter Jugendlicher und junger Erwachsener (U25) „eher wenig“ bis „überhaupt nicht“ übersichtlicher geworden sei. …

Wie bewerten die Akteure die Reform insgesamt?
Ergebnisse aus Expertengesprächen und Fallstudien

Insgesamt gesehen fühlen sich die Vertreter aus Agenturen und Grundsicherungsstellen nicht in hohem Maße von der Reform tangiert. Die Gesamteinschätzungen zur Reform sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – indifferent, wobei kritischere Eindrücke eher bei Vertretern von Grundsicherungsstellen als bei Ansprechpersonen aus Arbeitsagenturen vorzufinden sind.

Nur einzelne zkT und ARGEn äußeren insgesamt eine negative Einschätzung der Reform mit Blick auf die Betreuung von benachteiligten Jugendlichen. Diese wird u.a. damit begründet, dass Möglichkeiten zur Gestaltung niederschwelliger Maßnahmen weggefallen und die neuen Maßnahmen nicht flexibel genug seien. Bezug genommen wird hierbei auch auf den Wegfall der sonstigen weiteren Leistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 a.F., die allerdings bereits im Vorfeld der Reform abgeschafft wurden.

Einige Akteure – aus Arbeitsverwaltung, Grundsicherungsstellen und auch von Trägern – sehen Probleme bei einzelnen Instrumenten sehr pragmatisch als Anlaufschwierigkeiten an. …

Wesentlich kritischer wird die Reform insgesamt von Trägern und einem Ansprechpartner eines kommunalen Spitzenverbandes gesehen. In zentralen Punkten seien die ursprünglichen Reformziele nicht erreicht worden. Intensivere Fördermöglichkeiten für benachteiligte Jugendliche, die Verbindung zum Hauptschulabschluss und eine SGB II-spezifische Modifizierung der beruflichen Weiterbildung seien nicht realisiert worden. Besonders kritisch wird hier auch die zeitliche Begrenzung von Betriebspraktika im Rahmen der Maßnahmen nach § 46 SGB III angesehen. …

Ein ARGE-Vertreter resümiert, in der politischen Diskussion sei feststellbar, dass Politiker sehr weit von der Realität der Jugendlichen entfernt seien. Wichtig seien niederschwellige Instrumente und Zugänge, Maßnahmen mit längerer Dauer als BvB sowie feste Ansprechpartner über einen längeren Zeitraum bis zu drei Jahren. In diesem Zusammenhang wird auch die Empfehlung ausgesprochen, an jedem Ort eine große Produktionsschule einzurichten, um Maßnahmekarrieren frühzeitig vorzubeugen. …

Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen

Problematisch für Jugendliche im SGB II: Fehlende Kontinuität der Betreuung
Die Vorstellung, dass Jugendliche aus dem SGB II zunächst eine Aktivierungsmaßnahme nach § 46 SGB III absolvieren und danach in BvB übergehen sollen, wird von den meisten Grundsicherungsstellen und Trägern kritisiert. Zum einen seien BvB für manche Jugendliche aus dem Rechtskreis des SGB II mit schwerwiegenden Problemlagen aufgrund hoher Anforderungen per se nicht geeignet. Zum anderen komme es zu Wartezeiten zwischen dem Abschluss einer Aktivierungsmaßnahme und dem Eintritt in eine BvB. Zudem sei es problematisch, dass die Grundsicherungsstelle keinen Einfluss auf die Maßnahmengestaltung im Rahmen der BvB habe und sich nicht auf direktem Wege mit dem Träger der BvB abstimmen könne, sondern immer den Umweg über die Maßnahmenverantwortlichen der Agentur gehen müsse. …

Hauptschulabschlussvorbereitung ausschließlich in BvB problematisch
Durch die alleinige Möglichkeit der Hauptschulabschlussvorbereitungen im Rahmen von BvB sehen sich die Grundsicherungsstellen in ihren Möglichkeiten beschnitten eigene passgenaue und niederschwellige Maßnahmen mit integrierter Vorbereitung auf einen Hauptschulabschluss durchzuführen. … Die Anforderungen, die im Rahmen von BvB an die Jugendlichen gestellt würden, sind nach Einschätzung der befragten Personen tendenziell sehr hoch. Durch die zusätzlichen theoretischen Unterrichtseinheiten, die zur Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss im Rahmen von BvB notwendig seien, würden viele Jugendliche gänzlich die Motivation verlieren zu lernen, da sie eher praktisch orientiert seien und über eine verstärkte Einbindung in praktische Tätigkeiten womöglich leichter den Einstieg in eine Ausbildung schaffen könnten. Somit wäre es nach Einschätzung einiger Experten wünschenswert, die Gestaltung der BvB hinsichtlich ihrer Praxis- und Theorieanteile stärker zu flexibilisieren, damit das Angebot individuell auf den Bedarf der Jugendlichen angepasst werden kann. …

Freie Förderung nach § 16f SGB II wird in Praxis kaum genutzt
Aus den Gesprächen und den Befragungen wurde deutlich, dass die Umsetzung von Maßnahmen im § 16f SGB II sowohl von Grundsicherungsstellen als auch von Trägern als schwierig empfunden wird. … Anstelle von § 16f SGB II-Maßnahmen werden daher eher Regelinstrumente wie etwa der § 46 SGB III zur Umsetzung der Projektideen herangezogen. Einige Träger geben jedoch zu bedenken, dass durch das Überführen von individuell vor Ort konzipierten Maßnahmen in Regelinstrumente besondere Ansätze verloren gingen, die früher beispielsweise als sonstige weitere Leistungen durchgeführt werden konnten. …

Erprobung innovativer Ansätze nach § 421h SGB III kommt nicht zur Anwendung
Der § 421h SGB III wird in der Praxis der Agenturen für Arbeit und auch der Träger kaum eingesetzt. Ein Gespräch mit einer BA-Vertreterin ergab, dass bundesweit nur wenige Projektideen eingereicht werden. Aus den Expertengesprächen wurde deutlich, dass der § 421h SGB III für viele aufgrund der hohen Anforderungen (zeitlicher und finanzieller Aufwand zur Konzeption einer Projektidee) und Verpflichtungen bzw. Einschränkungen (Unsicherheit für einreichende Akteure, ob man im Ausschreibungsverfahren zum Zuge kommt und die eigene Projektidee umsetzen kann) nicht in Betracht gezogen wird. Die Hürde für die eingereichten Projektideen liegt sehr hoch. …

Die Neuausrichtung hat sich indirekt auf die Ausschreibungspraxis ausgewirkt
Durch die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wurden bezüglich der vorgeschriebenen Ausschreibungsverfahren keine Änderungen vorgenommen. Auch wenn es somit de jure keine gesetzlichen Änderungen gab, wurden in vielen Expertengesprächen Zusammenhänge zwischen Reform und Ausschreibungspraxis gesehen.
Eine solche Wahrnehmung könnte darin begründet sein, dass bei einigen Instrumenten, die es vor der Reform gab (beispielsweise sonstige weitere Leistungen, Freie Förderung nach § 10 SGB III), früher überwiegend freihändige Vergaben oder regionale Ausschreibungen praktiziert wurden. Gerade im Rahmen des § 46 SGB III hat die BA Standard-Maßnahmen konzipiert, die von den Agenturen und Grundsicherungsstellen gerne als Vorlage verwendet werden, so dass auch hier der Eindruck entstehen könnte, dass vermehrt Standardausschreibungen vorgenommen werden. …“

Die Expertise in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang oder aufgeführtem Link.

http://www.jugendsozialarbeit.de/media/raw/Neuausrichtung_Expertise_final.pdf

Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit; DV Paritätische Gesamtverband

Dokumente: Neuausrichtung_Expertise_final.pdf

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