Regionale Typisierung von Ausbildungsmärkten

Auszüge aus dem IAB-Kurzbericht Was Ausbildungsmärkte vergleichbar macht von Guido Heineck, Corinna Kleinert und Alexander Vosseler:
“ … Um Leistungen der Arbeitsagenturen vergleichen und beurteilen zu können, verwendet die Bundesagentur für Arbeit (BA) sowohl im Rechtskreis des SGB II als auch in dem des SGB III Typisierungen, die vom IAB entwickelt wurden. …

Große regionale Unterschiede finden sich nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch auf dem Ausbildungsmarkt: Auch dieser ist abhängig von einer Vielzahl regionaler Gegebenheiten wie der Konjunktur, den demografischen Faktoren und der Struktur der Betriebe vor Ort, etwa deren Größe und Branchenzugehörigkeit. Daher erschien es sinnvoll, ein analoges Instrument zur Typisierung regionaler Ausbildungsmärkte zu entwickeln.

Strukturelle Bedingungen auf regionalen Ausbildungsmärkten unterscheiden sich allerdings von denen auf Arbeitsmärkten. … Deshalb ließ sich die vorhandene SGB-III-Typisierung nicht einfach auf die Ausbildungsmärkte übertragen, sondern es musste ein neues Instrument speziell für diesen Bereich entwickelt werden. Dies geschah auf Grundlage eines zweistufigen statistischen Verfahrens, … . Dieses Verfahren kombiniert Regressions- und Clusteranalyse und vermeidet damit die Beliebigkeit üblicher Clusterlösungen: Im ersten Schritt wird mit regressionsanalytischen Verfahren empirisch ermittelt, welche Strukturmerkmale das regionale Ausbildungsmarktgeschehen beeinflussen und wie bedeutsam diese Effekte sind. Im zweiten Schritt werden die Regionen mit clusteranalytischen Verfahren anhand der Merkmale, die sich im ersten Schritt als relevant erwiesen haben, in Gruppen unterteilt, die in sich möglichst homogen und untereinander möglichst unähnlich sind. Dabei werden die einbezogenen Strukturmerkmale anhand ihrer Bedeutsamkeit in der Regressionsanalyse unterschiedlich stark gewichtet. …

Relevante Strukturbedingungen
Im ersten Schritt der Typisierung werden für die Jahre 2005 bis 2008 verfügbare Daten für regionale Strukturmerkmale gesammelt, von denen anzunehmen ist, dass sie Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt beeinflussen. Das sind die Arbeitslosenquote, der Anteil der Ausbildungsbetriebe an allen Betrieben, Merkmale zur Struktur der Ausbildungsbetriebe wie deren Größe, der Wirtschaftssektor
und die Berufsstruktur ihrer Beschäftigten.
Eigenschaften der Schulabgänger wie Kohortenstärke und Abiturientenanteil sowie Merkmale der Bewohner einer Region wie der Ausländeranteil und die Bevölkerungsdichte ergänzen die Ausbildungsmarktindikatoren.

Mithilfe von Regressionsanalysen werden aus diesem Merkmalspool die Größen ermittelt, die einen statistisch signifikanten Effekt auf die Übergangsquote in Ausbildung haben. Dabei werden sowohl die Ausprägungen der Merkmale im Agenturbezirk selbst einbezogen wie auch die in den Nachbarbezirken, wodurch die regionale Verflechtung angemessen berücksichtigt werden kann. …

Als bedeutsamste Größe erweist sich die Größenstruktur der Ausbildungsbetriebe in den angrenzenden Regionen: Je mehr Großbetriebe (mit 500 oder mehr Beschäftigten) sich unter den ausbildenden Betrieben in der Umgebung befinden, desto geringer ist die Übergangsquote in Ausbildung in der Region selbst. In diesem Effekt kommen vor allem die Pendlerverflechtungen zum Ausdruck, die es nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch auf dem Ausbildungsmarkt gibt. Viele Großbetriebe in der Umgebung bewirken, dass weniger Jugendliche in der Region selbst ausgebildet werden, weil sie in das Umland ausweichen. …

Fast ebenso relevant ist die Arbeitslosenquote in der Region: Je höher diese ist, desto geringer ist die Übergangsquote Jugendlicher in Ausbildung. Sie reflektiert die Lage am Arbeitsmarkt, ist aber auch
Ausdruck der Geschäftssituation von Betrieben, die sich auf die Bereitschaft auszubilden negativ auswirkt.

Ebenfalls bedeutsam, aber positiv ist der Tertiarisierungsgrad
der ausbildenden Betriebe in der Region:
Je mehr Ausbildungsbetriebe es im Dienstleistungsbereich gibt, desto höher ist die Übergangsquote in Ausbildung. …

Negativ ist auch der Effekt der Kohortenstärke der Schulabgänger: Je größer der Anteil der Schulabgänger an der Wohnbevölkerung ist, desto schwieriger wird es für den Einzelnen in dieser Region in Ausbildung zu kommen, weil er mit vielen anderen konkurrieren muss.

Umgekehrt beeinflusst die Bevölkerungsdichte einer Region die Übergangsquote in Ausbildung leicht positiv. Die unterschiedliche Verdichtung von Regionen steht dabei für zahlreiche soziodemografische
Merkmale und Charakteristika der Betriebslandschaft. Interessanterweise scheint dieser Faktor Ausbildungsmärkte in entgegengesetzter Richtung zu beeinflussen wie Arbeitsmärkte. So ist die Integration von SGB-III-Kunden in den Arbeitsmarkt umso geringer, je verstädterter eine Region ist – was unter anderem mit der Konzentration ungünstiger sozialer Lagen in (groß-)städtischen Regionen zusammenhängt. Umgekehrt steigt die Übergangsquote in Ausbildung mit der Bevölkerungsstärke von Regionen. …

Die Ausländerquote hat schließlich ebenfalls einen negativen, wenn auch wenig bedeutsamen Effekt auf die Zielgröße. Aus der Forschung zu individuellen Übergangsproblemen ist bekannt, dass ein Migrationshintergrund unabhängig vom Qualifikationsniveau die Übergangschancen in Ausbildung mindert. Dieser Zusammenhang zeigt sich auch auf der regionalen Ebene, allerdings mit sehr geringem Gewicht. …

Die Ausbildungsmarkttypen
Im zweiten Schritt werden die Agenturbezirke anhand der Ausprägungen der statistisch relevanten Strukturgrößen in Typen eingeteilt, die untereinander möglichst unähnlich und in sich möglichst homogen sind. Dies erfolgt mithilfe des Verfahrens der Clusteranalyse. Dabei werden die Strukturmerkmale je nach ihrer Bedeutsamkeit in der Regressionsanalyse unterschiedlich stark gewichtet. … Insgesamt wurden mit diesem Verfahren zwölf unterschiedliche Ausbildungsmarkttypen ermittelt. …
Zur besseren Übersicht wurden die insgesamt zwölf Einzeltypen zu vier übergeordneten Gruppen zusammengefasst:
Der Ausbildungsmarkt Typ I umfasst mit Ausnahme von Berlin und Potsdam alle Agenturbezirke in den neuen Bundesländern. Sie sind gekennzeichnet
durch die schlechte Arbeitsmarktlage einerseits, aber auch durch kleinere Abgängerkohorten und hohe Abiturientenquoten und damit durch eine günstige demografische Struktur andererseits. …

Der Ausbildungsmarkt Typ II ist durch überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit und leicht überdurchschnittliche Kohortenstärken der Schulabgänger gekennzeichnet. Zudem ist den Bezirken in diesem Typ gemeinsam, dass viele Dienstleistungsbetriebe in der Region angesiedelt sind. Mit insgesamt 22 Agenturen werden durch diese Merkmale nur verhältnismäßig wenige Bezirke charakterisiert. Die beiden
Untergruppen unterscheiden sich voneinander durch den Anteil von Großbetrieben: Im ländlich geprägten Typ IIa gibt es nur wenige Großbetriebe in der Region und sehr wenige in der Umgebung. Insgesamt
sind hier die Übergangsquoten überdurchschnittlich. Typ IIb ist dagegen großstädtisch geprägt, mit vielen Großbetrieben in der Region und sehr vielen in der Umgebung, was zu niedrigen Übergangsquoten in
den Bezirken selbst führt. Die meisten dieser Bezirke liegen in der Metropolregion Rhein-Ruhr.

Zum Ausbildungsmarkt Typ III gehören (groß-) städtische Bezirke mit niedrigem Schulabgängeranteil, also günstigen demografischen Bedingungen, und einem ebenso günstigen Ausbildungsmarktumfeld (AMU): Hier gibt es hohe bis sehr hohe Anteile von Dienstleistungsbetrieben und Großbetrieben in der Region bzw. in der Umgebung. Diese Merkmalskombination führt dazu, dass die Übergangsquoten in Ausbildung besonders hoch sind. Die drei Untergruppen unterscheiden sich vor allem durch ihre Arbeitsmarktlage: Während der städtische Typ IIIb und
vor allem der großstädtische Typ IIIa durch insgesamt sehr günstige Ausbildungsmarktbedingungen gekennzeichnet sind, herrscht in Typ IIIc hohe Arbeitslosigkeit. Hier befinden sich vor allem großstädtische
Bezirke in der Metropolregion Rhein-Ruhr – also Agenturen wie Köln, Düsseldorf oder Gelsenkirchen und Dortmund – sowie Berlin.

Der Ausbildungsmarkt Typ IV umfasst schließlich mit insgesamt 92 Bezirken mehr als die Hälfte aller 174 Agenturbezirke in Deutschland und lässt sich in vier Untergruppen einteilen. Den Agenturen dieses
Typs gemein ist die niedrige Arbeitslosigkeit einerseits, die sich positiv auf das Ausbildungsmarktgeschehen auswirkt. Hohe Schulabgängeranteile andererseits sorgen für einen größeren Bewerberdruck als in anderen Regionen. …
Insgesamt ist bei der Typisierung zu berücksichtigen, dass sich die Wertebereiche der einbezogenen Strukturmerkmale in gewissem Ausmaß auch zwischen den zwölf Typen überlappen – sie lassen sich mithin nicht ganz eindeutig voneinander abgrenzen. … Auf Grundlage der verwendeten Methodik können Agenturbezirke mit ähnlichen relevanten Merkmalen zu Typen gruppiert werden. Es muss allerdings betont werden, dass eine perfekte Passung nicht möglich ist, sodass auch innerhalb von Ausbildungsmarkttypen deutliche Heterogenität besteht. … „

Den Bericht in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang oder aufgeführtem Link.

http://doku.iab.de/kurzber/2011/kb1311.pdf

Quelle: IAB Kurzbericht 13/2011

Dokumente: IJAB_Kurzbericht_1311.pdf

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