Entwicklung des Arbeitskräfteangebots bis 2050

Auszüge aus dem IAB-Kurzbericht Projektion des Arbeitskräfteangebots bis 2050 von Johann Fuchs, Doris Söhnlein und Brigitte Weber:
„Aufgrund der demografischen Entwicklung geht langfristig die Zahl der erwerbsfähigen Menschen zurück und zugleich altert die Bevölkerung spürbar. Den Betrieben werden damit immer weniger und im Durchschnitt deutlich ältere Arbeitskräfte als heute zur Verfügung stehen. Eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren kann diese Trends nur noch abschwächen. Auch Zuwanderung kann daran kaum etwas ändern. …

Das Erwerbspersonenpotenzial ist die Summe aus Erwerbstätigen, Erwerbslosen sowie Stiller Reserve und bildet nahezu die Obergrenze des Angebots an Arbeitskräften. Dieses potenzielle Arbeitskräfteangebot
bestimmt sich rechnerisch aus der Bevölkerung und deren Erwerbsbeteiligung, wobei letztere auch vom Alter abhängt. Umfang und Struktur der Bevölkerung sind damit entscheidende Faktoren für die künftige Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials. …

Die Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials lässt sich in die Einflussfaktoren Demografie, Verhalten (Erwerbsquoten) und Migration zerlegen. Aufgrund der prognostisch recht sicheren demografischen Komponente (Geburten, Sterblichkeit und Alterung) würde das Erwerbspersonenpotenzial von 2008 bis 2050 isoliert betrachtet um 18,1 Mio. sinken. Aus der angenommenen Zunahme der Erwerbsbeteiligung resultiert bis 2050 ein zusätzliches Potenzial von 1,9 Mio. Erwerbspersonen. Damit wirkt der Verhaltenseffekt dem demografischen
Effekt nur wenig entgegen, obwohl beispielsweise in der Gruppe der 30- bis 49-jährigen Frauen die Erwerbsquote unter unseren Annahmen um fast 7 Prozentpunkte steigt. …

Die Altersstruktur des Erwerbspersonenpotenzials wird im Wesentlichen ebenfalls durch die Demografie bestimmt. Sehr vereinfacht dargestellt setzt sich die Bevölkerung Deutschlands aus geburtenstarken Jahrgängen (geboren zwischen 1950 und 1971) und geburtenschwachen Jahrgängen (geboren nach 1971) zusammen, wobei die Jahreszahlen nur eine grobe Orientierung sein sollen. Mit der Alterung der Bevölkerung wird auch das Erwerbspersonenpotenzial älter. Erst wenn etwa ab 2040 die Babyboom-Generation aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, stabilisiert sich die Altersstruktur. Weder eine steigende Erwerbsbeteiligung noch eine höhere Nettozuwanderung (mit vielen jüngeren Migranten) haben einen wesentlichen Einfluss auf diese einschneidenden Verschiebungen in der Alterszusammensetzung der Erwerbspersonen. …

Die Zahl der Erwerbspersonen jüngeren und mittleren Alters nimmt deutlich ab. So waren 2008 noch 9,8 Mio. Erwerbspersonen jünger als 30 Jahre. Selbst bei einem Wanderungssaldo von 100.000 Personen sind es im Jahr 2025 weniger als 8 Mio. und 2050 nur noch etwas mehr als 6 Mio. Damit sinkt der Anteil der 15- bis 29-Jährigen am gesamten Erwerbspersonenpotenzial von fast 22 Prozent im Jahr 2008 auf unter 19 Prozent im Jahr 2050. …

Das Erwerbspersonenpotenzial Deutschlands sinkt bereits. Selbst die Szenarien mit optimistischen Annahmen zur Entwicklung von Bevölkerung und Erwerbsbeteiligung zeigen, dass der Trend nicht aufzuhalten ist. Spätestens nach 2015 kann sogar eine hohe Nettozuwanderung (mehr als 200.000 Personen pro Jahr) den demografisch bedingten Rückgang nicht mehr kompensieren. …

Möglicherweise kann man durch längere Jahresarbeitszeiten den Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials ausgleichen. Ob und zu welchem Preis sich
dies durchsetzen lässt, ist offen. Denn es gibt bei den Arbeitszeitpräferenzen sowohl Wünsche nach einer Verlängerung der Arbeitszeit als auch nach einer Verkürzung.

Es bedarf eines ganzen Bündels von Maßnahmen, um den massiven Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials zu dämpfen. Aber selbst wenn es gelingt, mehr Ältere, Frauen, Ausländer und Ausländerinnen am Erwerbsleben zu beteiligen, müssen sich Wirtschaft und Gesellschaft längerfristig auf eine deutlich kleinere Bevölkerung und ein viel geringeres Arbeitskräftepotenzial einstellen. Auch die Zuwanderung kann dem rückläufigen Trend nur begrenzt entgegenwirken. Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Maßnahmen sollten deshalb vor allem auf eine positive Gestaltung des Übergangsprozesses gerichtet sein.

Der Rückgang des Arbeitskräfteangebots führt nicht zwangsläufig zu einem Fachkräftemangel im Sinne eines dauerhaften Nachfrageüberschusses gegenüber dem Angebot. Zum einen werden sich langfristig die Kapital- und Gütermärkte und auch die Löhne auf den Rückgang des Arbeitskräfteangebots einstellen. Zum anderen können die Qualifikation des Erwerbspersonenpotenzials und seine Produktivität
durch verstärkte Investition in Bildung und Ausbildung erhöht werden. Die hohe Arbeitslosigkeit von gering qualifizierten Arbeitskräften zeigt, dass ein Teil des an sich vorhandenen Potenzials kaum genutzt wird. Insofern tragen Bildungsanstrengungen längerfristig dazu bei, die Konsequenzen des sinkenden Erwerbspersonenpotenzials für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu mildern. … “

http://www.iab.de/194/section.aspx/Publikation/k110721n01

Quelle: IAB

Dokumente: IAB_Projektion_Arbeitskraefteangebot.pdf

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