Auszüge aus den Empfehlungen der Deutschen Bischofskonferenz „Inklusive Bildung von jungen Menschen mit Behinderungen in Katholischen Schulen in freier Trägerschaft“:
“ … Katholische Schulen wissen sich aufgrund ihres Selbstverständnisses und ihrer Tradition in einer besonderen Verantwortung für junge Menschen mit Behinderungen beziehungsweise Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf. Führte diese Option für junge Menschen mit Behinderungen in der Vergangenheit zur Gründung zahlreicher Förderschulen in kirchlicher Trägerschaft und vielerorts auch zu einer ausgeprägten Bereitschaft, Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen an den anderen allgemeinbildenden kirchlichen Schulen zu integrieren, so stehen die Träger Katholischer Schulen heute vor der Aufgabe, ausgehend vom spezifischen Bildungs- und Erziehungsverständnis Katholischer Schulen geeignete Wege und Konzepte zu entwickeln, die dem Paradigma der Inklusion gerecht werden. Auf diese Weise gestalten sie die anstehende Weiterentwicklung des Schulsystems aktiv und profiliert mit. Die konkret zu beschreitenden Wege und jeweiligen Lösungen werden für jeden einzelnen Träger und jede einzelne Schule unterschiedlich sein, wie auch die Schulprofile, die regionalen Gegebenheiten und nicht zuletzt die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern sehr verschieden sind. Die hier vorliegenden Leitsätze mögen den Trägern Katholischer Schulen dabei als Orientierung und Entscheidungshilfe dienen.
Die umfassende und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben ist ein wichtiges Ziel kirchlichen Handelns.
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Als Ebenbild des Schöpfers (Gen 1,26) sind alle Menschen vor Gott gleich und besitzen unabhängig von ihrer Leistung eine unverlierbare Würde. Gottes Liebe drängt uns, einander in Liebe anzunehmen und die Kirche als Ort erfahrbar werden zu lassen, an dem alle Menschen eins sind in Christus (Gal 3,28). Kirchliches Handeln steht dabei unter demAnspruch, die „Teilhabe und Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen glaubhaft umzusetzen“ und im alltäglichen Zusammenleben ein „unbehindertes“ Miteinander zu ermöglichen, um so die christliche Hoffnungsbotschaft glaubwürdig und heilsam zu verkörpern.
Das Grundanliegen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, „den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern“, ist daher auch ein zentrales Anliegen des Christentums und der katholischen Kirche. Ziel ist eine Kultur der Achtsamkeit im Zusammenleben der Menschen. Dabei gilt es, „die ethische Kompetenz für ein lebensförderndes Zusammenleben der behinderten und nichtbehinderten Menschen gezielt fortzuentwickeln“.
Das Menschenrecht auf Bildung verlangt nach bestmöglicher Bildung für jeden einzelnen Menschen.
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Menschen sind verschieden. So wie die Verschiedenheit der Menschen mit ihren je unterschiedlichen Fähigkeiten, Eigenschaften und Charakteren gerade den Reichtum der menschlichen Gesellschaft ausmacht, so sollte auch im Bildungssystem die Verschiedenheit der Menschen nicht als Problem, sondern als Bereicherung erfahrbar werden. Da alle Menschen verschieden sind, zugleich aber die gleichen Rechte haben, und da die schulische Bildung sie dazu befähigen soll, diese Rechte in gleicher Weise wahrzunehmen, muss die Schule Wege suchen und finden, wie sie die Verschiedenheit ihrer Schülerinnen und Schüler so anerkennen kann, dass daraus kein Hindernis für die selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft entsteht. Dabei sind die konkreten Inhalte und Ziele von Bildungsprozessen unterschiedlich. Sie müssen den je verschiedenen jungen Menschen gerecht werden und dürfen keineswegs auf die Vermittlung kognitiver Kompetenzen reduziert werden. Die zentrale Frage im Hinblick auf die Forderung nach inklusiver Bildung lautet deshalb, wie man in der Schule dafür Sorge tragen kann, dass jedem jungen Menschen die für ihn bestmöglichen Bildungschancen eröffnet werden. Die Träger Katholischer Schulen stehen in der Pflicht, ihre Einrichtungen auf dem Weg zu unterstützen, den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen in immer besserer Weise gerecht zu werden. …
Katholische Schulen und ihre Träger entwickeln tragfähige Lösungen zur Gestaltung inklusiver Bildung.
Die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems, das eine gleichberechtigte Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf ermöglicht, ist eine aktuelle gesellschaftliche Aufgabe, der sich auch Katholische Schulen überzeugt und engagiert stellen müssen. Dazu gehört es, dass sich katholische Grund- und weiterführende Schulen für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf öffnen. …
Das Prinzip der umfassenden Barrierefreiheit muss bei Entscheidungen auf allen Ebenen in den Schulen mitbedacht werden, auch wenn noch keine Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Schule aufgenommen worden sind. Die Beachtung dieses Prinzips ist die Voraussetzung für eine notwendige Kultur der Offenheit und Achtsamkeit. Sie macht deutlich, dass Menschen mit Behinderungen willkommen sind. …
Die Möglichkeit, eine Förderschule zu besuchen, muss auch in Zukunft gewährleistet bleiben, solange in den Regelschulen nicht für alle Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf angemessene Bedingungen für eine umfassende schulische Förderung geschaffen werden können. Neben den räumlichen, personellen und sächlichen Voraussetzungen müssen auch konzeptionelle Rahmenbedingungen geschaffen sein, die besonders die vielfältigen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler mit sehr hohem Förderbedarf berücksichtigen. Dazu gehört auch die Entwicklung eines Unterstützungssystems mit Schulbegleitern und Therapeuten, das den besonderen Anforderungen der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Rechnung trägt. Soweit wie möglich sollte das zur sonderpädagogischen Förderung erforderliche Personal zum Stammkollegium der Schule gehören.
Katholische Förderschulen können sich gleichberechtigt zu inklusiven Schulen entwickeln, wenn sie sich für Schülerinnen und Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf öffnen und schrittweise Formen gemeinsamen Unterrichts entwickeln, der allen in gleicher Weise gerecht zu werden vermag. …
Die Ermöglichung einer umfassenden und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an den Vollzügen der Gesellschaft ist ein wichtiges Anliegen der Kirche. Eine gewisse Schlüsselfunktion kommt dabei dem Zugang zum gesellschaftlichen Bildungssystem zu. Die Träger Katholischer Schulen stehen daher in der Verantwortung, die von der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen angestoßene Weiterentwicklung des Schulsystems im Sinne von Barrierefreiheit und Inklusion aktiv mit zu gestalten. Dabei sind sie dem Ziel verpflichtet, jedem einzelnen jungen Menschen im Einvernehmen mit dessen Eltern die für ihn bestmöglichen Bildungsangebote bereitzustellen. “
www.dbk.de/presse/details/?presseid=2097&cHash=e60bf74a19254d2a66213fc6ed6a72bc
Quelle: Deutsche Bischofskonferenz
Dokumente: 2012_074a_Inklusive_Bildung_Empfehlung_Kommission_Erziehung_Schule.pdf