Auszüge aus der DGB-Studie „Hohes Verarmungsrisiko Jugendlicher“:
“ … Armut unter Jugendlichen ist keinesfalls mehr eine gesellschaftliche Randerscheinung. Im September 2012 waren noch 534.000 Jugendliche im Alter von 15 – 24 Jahren auf Hartz IV angewiesen. Weniger als die Hälfte dieser Hartz IV-Empfänger ist arbeitslos. Etwa 60.000 nehmen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teil; andere besuchen noch die Schule, sind in Ausbildung oder gehen einer Erwerbstätigkeit nach.
In der Altersgruppe der jungen Erwachsenen sind gleichfalls viele auf Hartz IV angewiesen. Im September 2012 wurden in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen weitere 717.000 junge Menschen im Hartz IV-System gezählt; für beide Altersgruppen zusammen zählen folglich noch 1,25 Mio. junge Menschen zu den Hartz IV-Empfängern.
Dies weist darauf hin, dass der Übergang von der Schule in eine Ausbildung oder Existenz sichernde Erwerbstätigkeit häufig nicht reibungslos verläuft und viele bereits Erfahrung mit dem Fürsorgestaat gemacht haben, noch bevor sie festen Fuß in die Arbeitswelt fassen können. Die offizielle Arbeitslosigkeit der Jugendlichen zeigt nur einen Ausschnitt der zugrundeliegenden sozialen Problemlagen. Die Zahl der Jugendlichen mit sozialem oder arbeitsmarktpolitischem Unterstützungsbedarf geht weit darüber hinaus. …
Diese Jugendlichen erfahren die gesellschaftliche Spaltung bereits in jungen Jahren; sie wachsen in Verzicht auf, während andere sich nahezu alles leisten können. Zwischen Armut und Entwicklungsverlauf von Kindern und Jugendlichen gibt es aber keinesfalls einen mechanistischen Zusammenhang. Hilfebedürftigkeit ist meist nicht die Ursache ungleicher Lebenschancen, sondern oftmals Folge. Eine gute Schule oder Wohngegend beispielsweise, auch bei gleich niedrigem Einkommen, kann kompensierend wirken, während bei Fehlen derartiger Netze und Strukturen es weit schwieriger ist, soziale und berufliche Perspektiven aufzuzeigen.
Jugendarmut ist vor allem in den Städten zu Hause
Ein relativ großer Anteil dieser hilfebedürftigen Jugendlichen lebt in eher großstädtischen Regionen. Allein auf die 20 größten Jobcenter – davon 7 allein in Berlin – entfallen knapp ein Drittel der auf Hartz IV angewiesenen Jugendlichen. …
Zwischen den einzelnen Regionen zeigen sich deutliche Unterschiede. Am ungünstigsten stellt sich die Situation in Berlin dar, wo insgesamt noch fast ein Fünftel der Jugendlichen Hartz IV-Leistungen bezieht. Das Verarmungsrisiko von Jugendlichen in Berlin ist mehr als doppelt so hoch wie für Jugendliche im Bundesdurchschnitt insgesamt.
An zweiter Stelle folgt Duisburg mit einer Hilfequote Jugendlicher von 17,4 Prozent. Jugendliche sind in dieser Revier-Stadt fast doppelt so häufig auf Hartz IV angewiesen wie in Dresden und mehr als drei Mal so häufig wie in München, mit dem günstigsten Wert unter den größten Jobcentern. Nach München folgt Dresden mit dem zweitgünstigsten Wert, auch wenn in der sächsischen Landeshauptstadt fast zehn Prozent aller Jugendlichen Hartz IV-Leistungen erhalten. In 12 der 14 größten Städteregionen ist das Hartz IV-Risiko zweistellig.
Schlussfolgerungen
Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Integrationsmaßnahmen müssen diesen unterschiedlichen Lebensumständen der Jugendlichen Rechnung tragen. Individuelle und kreative Ansatzpunkte sind gefragt, die die gesamten Lebensumstände einschließlich des sozialen Netzwerks in den Blick nehmen. Bei einer Zuweisung in 1-Euro-Jobs ist ein Scheitern hingegen häufig vorprogrammiert.
Gefragt sind neue Formen von Arbeiten und Lernen, die auch schulmüden Jugendlichen Mut machen können. Neue Formen praxisorientierter Qualifizierung sind notwendig. Dringend ausgebaut werden muss ebenso die „nachgehende Betreuung“, um einen kurzfristigen Abbruch von Fördermaßnahmen möglichst zu verhindern und stabile Beschäftigung zu fördern. Die Sprachförderung für benachteiligte Jugendliche sollte gleichfalls möglichst in Fördermaßnahmen integriert werden.
Präventive arbeitsmarkt-, sozial- und bildungspolitische Ansatzpunkte sind gefragt, die längerfristig weit wirksamer und erfolgreicher sind als kurzfristige kurative Maßnahmen. Dies wird aber nur dann gelingen, wenn die unterschiedlichen Politikbereiche besser zusammen wirken und auch die Bildungspolitik der Länder einen besseren Beitrag leistet, um auch alle Jugendlichen für die Herausforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten. Insbesondere benachteiligte Jugendliche brauchen eine neue Chance, egal aus welchem Grund sie die erste Chance nicht genutzt haben oder nutzen konnten.
Wird damit Ernst gemacht, darf es nicht nur ein Bafög für Studenten und Meister geben und müssen Initiativen zum Abbau schulischer Bildungsdefizite auch als gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrgenommen und voll aus Steuermitteln und nicht länger über Beitragsmittel der Arbeitslosenversicherung finanziert werden. “
www.dgb.de/themen/++co++fd96bf20-5016-11e2-82b9-00188b4dc422
Quelle: DGB-Bundesvorstand