Ein Zusammenschluss von Organisationen und Verbänden positioniert sich zu Erasmus+ – dem EU-Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport. Grundsätzlich begrüßen die Organisationen die Investitionsbereitschaft der EU im Jugend- und Bildungssektor. Dennoch werden Verbesserungen in den Programmteilen JUGEND IN AKTION und GRUNDTVIG angemahnt. Die Stellungnahme zielt auf die Zwischenevaluation der EU-Kommission ab. Die Verbände fordern u.a. weniger Dominanz des Arbeitsmarktbezugs, einen besseren Stellenwert des non-formalen Bildungsbereichs, eine Anpassung der Finanzierungspauschalen an die realen Kosten und den Ausbau der Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und Jugendliche mit sozialer Benachteiligung.
Auszüge aus der „Stellungnahme zu Erasmus+„:
„(…) Sichtbarkeit der non-formalen Bildung verbessern
In der medialen und öffentlichen Wahrnehmung ist Erasmus+ ein Studierendenprogramm. Markennamen und Logos wie JUGEND IN AKTION und GRUNDTVIG müssten aktiver genutzt werden, um wiedererkannt zu werden. Dies gilt vor allem auch für die Darstellung auf den Webseiten der EUKommission, der Nationalagenturen sowie anderer politischer Entscheidungsträger. Auch bei Publikationen und Broschüren der EU-Kommission sollten diese Markennamen verwendet werden. (…)
Dem non-formalen Bildungsbereich einen angemessenen Stellenwert in Erasmus+ sichern
Die Auswirkungen der Europa 2020-Strategie auf das Gesamtprogramm Erasmus+ lassen weniger Spielraum für klassische Formen der internationalen Jugend(verbands-)arbeit und bringen eine Dominanz des Arbeitsmarktbezugs mit sich. Jedoch ist Erasmus+ ebenso ein non-formales Bildungsprogramm. Die Arbeitsmarktförderung ist zum Beispiel über den Europäischen Sozialfonds abgedeckt. Non-formale Bildung, sowohl in der Jugendarbeit als auch in der Erwachsenenbildung, dient u.a. der Förderung des europäischen Austauschs, interkulturellen Lernens, europäischer Bürgerschaft und Freiwilligentätigkeit, dem Abbau von Vorurteilen sowie der Demokratie- und Wertebildung. Non-formale und informelle Bildung müssen ihren eigenen Stellenwert behalten.
Gute Formate bewahren: (nationale) Jugendinitiativen, Partizipative Demokratieprojekte, GRUNDTVIG-Workshops, übergreifende Projektdatenbank sowie vorbereitende Besuche in der Erwachsenenbildung wieder einführen
Die in der vergangenen Förderperiode für JUGEND IN AKTION (2007 – 2013) entwickelten jugendspezifischen Projektformate „Nationale Jugendinitiative“ und „Partizipative Demokratieprojekte“ sind nicht in Erasmus+ übernommen worden. Damit fehlt ein leicht zugängliches, offenes Format für nicht organisierte Gruppen und ein spezielles Format zur Demokratieförderung, welche wieder eingeführt werden sollten. Im Programmteil GRUNDTVIG sollten sowohl die übergreifende COMENIUS-GRUNDTVIG-Datenbank als auch die GRUNDTVIG-Workshops wieder eingeführt werden. Für die Vorbereitung von Projekten im GRUNDTVIG-Programm gab es in der letzten Förderperiode die Möglichkeit, Mittel für vorbereitende Besuche zu bekommen, in denen Projekte entwickelt und beantragt werden konnten. Diese Möglichkeit sollte wieder eingeführt werden, um der erhöhten Komplexität im neuen Programm Rechnung tragen zu können. (…)
Informationen bei den Nationalagenturen europaweit gleich bereitstellen
Die Nationalagenturen agieren unterschiedlich in der Bereitstellung von Informationen. Dies gilt für die neue Registrierung von Projektpartnern in der URF- (Unique Registration Facility) und der ECAS- (European Commission Authentication Service) Datenbank, für die Bewilligung von Projekten oder für die Beratung von Antragstellenden z.B. bei der Projektskizzenberatung. Diese Unterschiede bestehen sowohl zwischen den vier Nationalagenturen in Deutschland als auch zwischen den andern europäischen Nationalagenturen. Es sollten europaweit annähernd gleiche Formate und Informationen auf den Webseiten zugänglich sein. (…)
Programmleitfaden nutzerfreundlich aufbereiten, Antragstellung und Verwendungsnachweise erleichtern
Der Programmleitfaden der EU-Kommission mit mehr als 300 Seiten ist nicht nutzerfreundlich und stellt insbesondere für Erstantragsteller eine große Hürde dar. Die Informationen sind zudem schlecht aufbereitet und unübersichtlich dargestellt. Aus den Erläuterungen wird nicht deutlich, welche konkreten Kosten aus den Pauschalen förderfähig sind, bzw. welche bei einer Prüfung nach Ende des Projektes auch anerkannt werden. Generell sollten die Prioritäten der Nationalagenturen mit denen der EU-Kommission übereinstimmen und sich in den Antragsformularen widerspiegeln. (…)
Projektteilnehmer aus nicht-antragsstellenden Einrichtungen zulassen
Die Regelung, dass nur Mitarbeitende der antragsstellenden Einrichtung an internationalen Projekten teilnehmen können, ist zu kritisieren. Viele Projekte wurden in der Vergangenheit für alle Fachkräfte der Bildungsarbeit geöffnet. Dachverbände konnten zudem internationale Projekte auflegen, an denen Mitarbeitende von kleinen Einrichtungen und Trägern der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung teilnehmen konnten. Diese Möglichkeit muss auch ohne aufwändige Konsortialverträge wieder eingeführt werden.
Pauschalen den realen Kosten anpassen
Die Einführung von Pauschalen wird begrüßt. Ein Bürokratieabbau ist damit leider nicht erzielt worden. Zudem bleibt eine große Unsicherheit, wie die Pauschalen verwendet werden dürfen. Es gibt keine gesicherten Informationen, welche Art der Ko-Finanzierung geeignet und damit förderungsunschädlich ist. Offen ist, inwieweit bei den Strategischen Partnerschaften außerhalb der intellektuellen Outputs Personal- und Honorarkosten finanziert werden können. (…) Alle Verbreitungsaktivitäten werden pauschal durch die Management-Pauschalen abgegolten. 250 Euro für Partnerorganisationen bzw. 500 Euro für die koordinierende Organisation reichen nicht aus, um z.B. Zwischen- und Endberichte zu verfassen und die Erstellung und Pflege einer Webseite zu finanzieren. Die Pauschalen sollten ähnlich wie bei der Personalkostenförderung der geistigen Leistungen nach Einkommensgruppen (Ländergruppen) gestaffelt sein. Ebenso sind die Pauschalen für Sachmittel wie auch die förderfähigen Summen für Unterverträge zu gering. Für Übersetzungen fallen z.B. hohe Kosten an. Unverständlich ist auch, warum teilweise Reisekosten erst ab einer Distanz von 99 Kilometern abgerechnet werden können. In JUGEND IN AKTION werden die geringsten Pauschalen angesetzt mit 80 Euro pro Teilnehmenden für eine Distanz von 100 bis 499 km, während gleichzeitig in COMENIUS oder GRUNDTVIG für die gleiche Distanz 180 Euro angesetzt sind. (…)
Antragsformulare vereinfachen
Zwei große Probleme sind die nicht rechtzeitige Bereitstellung der aktuellen Antragsformulare sowie die fehlenden Übersetzungen in die jeweilige Landessprache. Zudem werden die Antragsformulare in unterschiedlichen Versionen zur Verfügung gestellt. Dies stellt die Träger knapp vier Wochen vor Antragsfrist vor enorme zeitliche und technische Probleme. (…)
Ausschließliche Bewertung von Anträgen durch externe Gutachter abschaffen
Die Einführung von externen Gutachtern im Programmteil JUGEND IN AKTION für Anträge über 60.000 Euro ist eine Neuerung, die sich bisher nicht bewährt hat. Hierbei kommt es zu einer Entkopplung von Beratung und Antragsbewertung. Die Begründungen der Antragsevaluation führen zu vielen Nachfragen und Unverständnis bei den Antragstellenden. Überarbeitete, verbesserte Anträge, die abgelehnt und nachberaten wurden, haben teilweise bei der zweiten Antragstellung sogar weniger Punkte durch externe Gutachter erhalten. Es ist in JUGEND IN AKTION sowie GRUNDTVIG erforderlich, dass eine einheitliche und koordinierte Bewertung durch eine Stelle – unterstützt durch externe Gutachter – erfolgt. Die Bewertung und Entscheidung ausschließlich durch externe Gutachter ist nicht adäquat.
Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und Jugendliche mit sozialer Benachteiligung ausbauen
Maßnahmen mit sozial benachteiligten Menschen benötigen einen höheren sozialpädagogischen Aufwand bei Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Dieser muss sich in einer höheren finanziellen Förderung widerspiegeln. Der genaue Betrag des Mehraufwands muss bereits im Antrag angegeben werden. Dies ist insbesondere für psychosoziale oder geistige Behinderungen im Vorfeld nur schwer abschätzbar. Um eine umfassende Inklusion zu ermöglichen, muss der Betrag für den Mehraufwand auch im Nachgang angepasst werden können. Die besondere Förderung von Menschen mit Behinderung darf nicht auf die Höchstfördersumme angerechnet werden. Desweitern muss ermöglicht werden, dass Träger, Initiativen und Organisationen, die mit sozial benachteiligten Jugendlichen oder mit jungen Menschen mit Behinderungen arbeiten, hauptberufliches Personal abrechnen können. Nur so ist eine Kontinuität in der Begleitung, die für diese jungen Menschen besonders wichtig ist, zu gewährleisten. Zurzeit können nur zusätzliche Kräfte über Honorarkosten eingesetzt und abgerechnet werden. Insbesondere in Projekten des Strukturierten Dialogs bestehen mit der bisherigen Regelung kaum Chancen der Beteiligung.
Kleineren Organisationen Teilnahme ermöglichen
Bei den strategischen Partnerschaften liegt ein starker Fokus auf der Entwicklung von Produkten/ Intellectual Outputs. Das zeigt der hohe Anteil an Fördersummen von über 150.000 Euro, die 2014 und 2015 bewilligt wurden. Vernetzungs- und Austauschprojekte haben bei der Bewilligung deutlich geringere Chancen, weil sie bei der Bewertung mit den Produktentwicklungsprojekten konkurrieren. Vernetzungsprojekte werden insbesondere von kleineren Organisationen bevorzugt. Um mehr Chancen für Vernetzungsprojekte zu schaffen, sollten für beide Projektarten Kategorien mit festen Budgets eingeführt werden. Ebenfalls gilt, dass durch die Einführung des Lead-Partner Prinzips und die hohen Erwartungen an die Qualität der zu entwickelnden Produkte die Koordinatoren eines Projekts vielen Anforderungen gerecht werden müssen. Dies übersteigt häufig die organisatorischen und finanziellen Kapazitäten insbesondere von kleineren Organisationen und hält sie davon ab, ein Projekt zu beantragen. (…)“
Quelle: BAG KJS