Auszüge aus dem Artikel Weiter mit dem „Anything goes“ in der Schulsozialarbeit?
von Larissa Meinunger:
“ (…) Die Mehrheit in Theorie und Praxis verbindet die Schulsozialarbeit mit der Kinder- und Jugendhilfe und bejaht die Frage spontan. Zur fachlichen Begründung wird die Schule als ein zentraler Lebensort von Kindern und Jugendlichen mittels des Konzepts der Lebensweltorientierung in den eigenen disziplinären Begründungszusammenhang einbezogen. Nach der völlig konträren Gegenauffassung ist die Schulsozialarbeit keine Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, weil sich der Schulauftrag auf Bildung und Erziehung erstreckt und die Schule vornehmlich selbst dafür zu sorgen habe, dass sie diesem Bildungs- und Erziehungsauftrag nachkommen kann. (…)
Aufgrund der Kontroverse bleibt es bei dem ungeklärten Profil der Schulsozialarbeit, von der manche meinen, hierfür sei es unmöglich, ein eindeutiges Berufsbild zu entwickeln. Anything goes oder rien ne va plus?
Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit durch gesetzliche Änderungen?
Die Frustration der Praktiker/-innen über die Gesamtsituation ist gewiss. Die Fachpraxis scheint der Diskussion um die kontroverse Grundfrage mittlerweile auch ein wenig müde geworden zu sein, was mangels der Aussicht einer Lösung verständlich erscheint. Dessen ungeachtet gibt es äußerst zahlreiche Praktiker/-innen, die das Profil ihrer Profession stärken wollen. So gab der Bundeskongress Schulsozialarbeit Anfang Dezember 2015 mehr als 600 sozialpädagogischen Fachkräften, der Wissenschaft und Trägern Gelegenheit, sich u.a. mit dem Ziel eines systematischen Ausbaus und der professionellen Etablierung aus unterschiedlichen Blickwinkeln auseinanderzusetzen. Der Deutsche Verein bot den Workshop „Die Schulsozialarbeit das Recht und die Praxis“ an, in dem die Frage erörtert wurde, ob eine Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit durch gesetzliche Änderungen möglich und notwendig ist. Die (nicht repräsentativen) Ergebnisse sowohl aus dem Workshop als auch Äußerungen aus den Podiumsdiskussionen sowie Unterhaltungen mit den Praktiker/-innen machen deutlich, dass für die sich in der Mehrheit der Kinder- und Jugendhilfe zugehörig fühlende Schulsozialarbeit der Wunsch im Vordergrund steht, über gesetzliche Änderungen im Rahmen des SGB VIII „endlich eine vernünftige Arbeitsgrundlage“ zu erhalten.
Folgende gesetzliche Änderungsideen, werden aktuell von unterschiedlichen Verbänden diskutiert.
## Einfügung eines neuen § 13a SGB VIII – Um eine präventiv ausgerichtete Schulsozialarbeit anbieten zu können, die allen Kindern und Jugendlichen zugute kommen kann, wird darüber nachgedacht, eine neue Regelung, die in direkter Nachbarschaft der Jugendsozialarbeit normiert werden könnte und auf das Merkmal der sozialen Benachteiligung/individuellen Beeinträchtigung verzichten sollte, einzufügen.
## Einfügung einer neuen Norm, welche Schulsozialarbeit und Ganztagesbetreuung regelt – Aufgrund des gemeinsamen Tätigkeitsortes „Schule“ könnte eine neue Regelung der Schulsozialarbeit gemeinsam mit der Ganztagesbetreuung im Zusammenhang der
§§ 11 ff. SGB VIII eingefügt werden. (…)
## Modifizierung von § 4 SGB VIII/ § 81 SGB VIII – Sowohl § 4 SGB VIII als auch § 81 SGB VIII regeln die Zusammenarbeit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe mit „anderen Stellen“. Teilweise wird der Wunsch geäußert, diese Normen zu überarbeiten und deutlicher zu machen, inwiefern und inwieweit die Zusammenarbeit mit insbesondere der Schule (vgl. § 81 Nr. 3 SGB VIII) gefordert ist (…)
## Schulgesetze – In den meisten Schulgesetzen (wie auch Ausführungsgesetzen zum SGB VIII) mangelt es an eindeutigen Regelungen für die Schulsozialarbeit. Sicherlich tragen viele Länder dazu bei, dass Schulsozialarbeit vor Ort besteht, bestehen bleibt oder ausgeweitet wird. Dabei werden unterschiedliche Wege gewählt wie die Umwandlung von sog. Lehrerstellen (bspw. Nordrhein-Westfalen) oder wie Förderprogramme, die von den Jugendämtern ausgeführt werden (bspw. Thüringen). Erkennbar ist auch hier eine große Heterogenität, was der Profibildung der Schulsozialarbeit sehr wahrscheinlich nicht dienlich ist. (…)
Viele Fragen bleiben offen. Wie kann die Schulsozialarbeit in ein übergeordnetes Konzept der Bildungsverantwortung eingebunden werden? Wie kann die zuständige Bildungspolitik unterstützen, dass Schule sich zu einer multi professionellen Organisation entwickelt? Von großer Bedeutung bleibt nach Auffassung des Deutschen Vereins die systematische Klärung, welchen Stellenwert sozialpädagogische Kompetenz in Schule haben soll und in welchem Umfang hierfür sozialpädagogische Fachkräfte beschäftigt werden müssen. Doch mangels Eindeutigkeit und mangels einer Verpflichtung wird das zähe Ringen um die Schulsozialarbeit bei der bestehenden Gesetzeslage nicht enden. Das „Mysterium Schulsozialarbeit“ wird weiter mit dem „anything goes“ machen, wird weiterhin hoffnungsvoll auf die Wirkungsforschung schauen und wird sich weiterhin im schlimmsten Fall dem Vorwurf ausgesetzt sehen, die Lobby der Sozialpädagogik sei nun mal ein Meister im Schaffen von Jobs für sich selbst. Träger, die in Stellenausschreibungen die sog. eierlegende Wollmilchsau zu suchen scheinen, tragen dann wohl weiterhin dazu bei, dass die Profession wenig Profilschärfe gewinnt. Gleichsam werden wir weiterhin durchaus großen Respekt vor den Menschen haben, die diese vielfältigen, auch von der Gesellschaft an sie herangetragenen Erwartungen täglich erfüllen. Und – sehr unwissenschaftlich – wird man weiterhin sagen können: Schulsozialarbeit ist eine gute Sache, wenn es denn welche gibt. (…)“
Die Autorin ist wissenschaftliche Referentin im Arbeitsfeld „Kinderheit, Jugend, Familie, soziale Berufe“ des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., Berlin
Den Beitrag in vollem Umfang entnehmen Sie der NDV-Ausgabe 02/2016
Quelle: NDV