Auszüge aus dem IAB-Bericht „Kinder in Armutslagen“ von Silke Tophoven, Claudia Wenzig und Torsten Lietzmann:
„(…) Armut bei Kindern in Zahlen
(…) Das geläufigste Maß zur Armutsbestimmung ist die relative Einkommensarmut. Herangezogen wird hier üblicherweise die Armutsgefährdungsquote, d.h. der Anteil von Personen, die in Haushalten leben, die weniger als 60 Prozent des Median aller Einkommen in Deutschland zur Verfügung haben. (…) Die Armutsschwelle lag nach dieser Berechnung 2014 für einen Ein-Personen-Haushalt in Gesamtdeutschland bei 917 Euro. Für einen Haushalt, der sich aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren zusammensetzt, lag die Schwelle entsprechend höher; bei 1.926 Euro.
2014 lebten nach Daten des Mikrozensus 1,99 Millionen Kinder unter 15 Jahren in einkommensarmen Haushalten. In Relation zur Bevölkerung in jener Altersgruppe entspricht dies 19 Prozent aller Kinder unter 15 Jahren in Deutschland. (…)
Ein weiterer Armutsindikator ist der Sozialleistungsbezug. Sehr differenzierte Informationen sind dabei für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II-Grundsicherung für Arbeitssuchende verfügbar. Im Februar 2016 beziehen 3,28 Millionen Bedarfsgemeinschaften SGB-II-Leistungen. Von den 6,24 Millionen Personen in Bedarfsgemeinschaften sind 1,54 Millionen nicht erwerbsfähige leistungsberechtigte Kinder unter 15 Jahren. Außerdem leben noch 71.033 minderjährige Kinder ohne eigenen Leistungsanspruch in Bedarfsgemeinschaften.
Setzt man dies in Bezug zur Bevölkerung im Alter bis einschließlich 65 Jahre, liegt die Hilfequote im Februar 2016 bei neun Prozent. Das heißt neun Prozent der Personen dieser Altersgruppe beziehen SGB-II-Leistungen. Betrachtet man dies für Kinder unter 15 Jahren, zeigt sich eine deutlich höhere Bezugsquote: 14 Prozent der Kinder in Deutschland leben im SGB-II-Bezug. (…)
Zwischen 2010 und 2015 sind die SGB-II-Quoten der leistungsberechtigten Kinder unter 18 Jahren um etwa einen Prozentpunkt angestiegen (13 Prozent im Jahr 2010 und 14 Prozent im Jahr 2015). Eine differenziertere Betrachtung nach Bundesländern zeigt außerdem, dass in Ostdeutschland insgesamt mehr leistungsberechtigte Kinder leben (20 Prozent) als in Westdeutschland (12 Prozent). Für einzelne Bundesländer müssen dabei aber unterschiedliche Entwicklungen festgehalten werden. So ergibt sich für die Bundesländer Bremen und Nordrhein-Westfalen in diesem Zeitraum eine Zunahme von etwa drei Prozentpunkten und für das Saarland von etwa vier Prozentpunkten, während diese Quote in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Brandenburg und Berlin um etwa einen Prozentpunkt zurückgegangen ist. (…)
Erste Betrachtungen zeigen, dass eine Verbindung verschiedener Armutsindikatoren sowie einer indirekten und direkten Armutsmessung ein weitaus differenzierteres Bild der Kinder im unteren Einkommensbereich ermöglichen. Beispielsweise wurde auf Basis der Daten des Panels „Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung“ (PASS) für 2013 sowohl die Einkommensarmutsgefährdung wie auch der Bezug von SGB-II-Leistungen im Haushalt zur Armutsdefinitionen herangezogen und zusammengeführt. Dementsprechend waren in Deutschland 2013 20 Prozent der Kinder unter 15 Jahren einkommensarmutsgefährdet. Das Haushaltseinkommen dieser Haushalte lag unter der Armutsschwelle und betrug weniger als 60 Prozent des Medians aller Einkommen in Deutschland. (…)
Führt man beide Betrachtungen zusammen, ergibt sich, dass neun Prozent der Kinder in Haushalten leben, die armutsgefährdet waren und aktuell SGB-II-Leistungen bezogen. Elf Prozent lebten in Haushalten, die armutsgefährdet waren, aber keine SGB-II-Leistungen bezogen. Weitere fünf Prozent der Kinder lebten in Haushalten, die nicht als armutsgefährdet eingestuft wurden, aber aktuell SGB-II-Leistungen bezogen. Somit wuchs 2013 jedes vierte Kind unter 15 Jahren (24 Prozent) in einem Haushalt auf, der einkommensarm war und/oder SGB-II-Leistungen bezogen hat, (…).
Ursachen von Armut im Kindesalter
Das Risiko arm zu sein, ist nicht gleich verteilt. (…) Es zeigt sich, dass insbesondere Alleinerziehendenhaushalte, aber auch Paarfamilien mit drei oder mehr Kindern überdurchschnittlich häufig im Leistungsbezug sind. Aktuell sind Alleinerziehende mit 38 Prozent und kinderreiche Familien mit 16 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt aller Haushalte von zehn Prozent deutlich häufiger im Leistungsbezug. (…)
Weiterhin zeigt sich, dass Erwerbslosigkeit, ein niedriges Qualifikationsniveau oder ein Migrationshintergrund bzw. eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit Merkmale sind, die mit einer höheren Armutsgefährdungsquote verbunden sind. Die höchste Armutsgefährdungsquote ist dabei bei Erwerbslosen zu beobachten. Im Zeitverlauf zeigt sich außerdem, dass die Armutsgefährdungsquote für Personen mit einem niedrigen Qualifikationsniveau leicht angestiegen ist. (…)“
Der IAB-Bericht ist in dem Forschungsprojekt „Lebenssituation von Kindern im unteren Einkommensbereich“ entstanden. Das Projekt hat zum Ziel, Forschungslücken zu schließen und die Armutsbekämpfung von Kindern Multidimensional und im Zeitverlauf zu analysieren.
Den Bericht in vollem Umfang entnehmen Sie dem Anhang.
Quelle: Bertelsmann Stiftung; Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; epd-sozial; Deutsches Kinderhilfswerk
Dokumente: iab_fb__Kinder_in_Armutslagen.pdf