Auszüge aus dem Bericht:
„(…) Diskriminierung in Deutschland – zentrale Erkenntnisse
## Diskriminierung trifft alle, aber manche stärker: Bestimmte Gruppen sind – auch das zeigt die Befragung –
einem höheren Diskriminierungsrisiko ausgesetzt als andere. So sind es in erster Linie Frauen, die Benachteiligungen wegen ihres Geschlechts erfahren.(…) Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung trifft fast ausschließlich homosexuelle Menschen. Zudem weisen Menschen nichtchristlichen Glaubens wie z. B. Muslim_innen ein höheres Risiko auf, Diskriminierung zu erfahren. Zugleich sind Mehrfachdiskriminierungen von hoher Bedeutung. (…)
## Diskriminierungserfahrungen jenseits der Grenzen des AGG: Menschen erleben Diskriminierung und suchen Unterstützung, auch wenn die Benachteiligung in keinem vom AGG geschützten Lebensbereich stattfindet oder nicht an ein geschütztes Merkmal anknüpft. Das betrifft vor allem die Lebensbereiche Bildung, Ämter und Behörden sowie Öffentlichkeit und Freizeit. Auch Benachteiligungen wegen Merkmalen außerhalb von § 1 AGG werden als Diskriminierung benannt, insbesondere die „soziale Herkunft“, der Familienstand, die Staatsangehörigkeit oder die äußere Erscheinung.
## Diskriminierung hat viele Gesichter: Es hängt sehr von den jeweiligen Lebensbereichen und betroffenen Merkmalen ab, in welcher Form sich Diskriminierung zeigt. Geht es um wichtige Ressourcen wie Arbeit, Bildung, Wohnraum oder Güter wie Versicherungen äußert sich Diskriminierung häufig als verwehrter Zugang oder in Form geringerer Chancen durch schlechtere Behandlung und stereotype Zuschreibungen. In Öffentlichkeit und Freizeit sind es Herabwürdigungen, Beleidigungen und Übergriffe; in Ämtern und Behörden oft Regeln, Gesetze oder eingeschliffene Verwaltungspraxen, durch die Menschen sich diskriminiert sehen.
##Systematische Belästigungen (Mobbing) betreffen im Berufsleben vor allem Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft und in Verbindung mit ihrer (nichtchristlichen) Religion. Auch homo- und bisexuelle sowie trans*geschlechtliche Personen erfahren Mobbing. Interne Unterstützungs- und Beschwerdestrukturen sind vielfach nicht bekannt. (…)
## Viele Menschen sind beim Übergang in eine Erwerbstätigkeit auf die Unterstützung von Institutionen wie Arbeitsagenturen und Jobcenter angewiesen. Diskriminierungen in der öffentlichen Arbeitsvermittlung können daher für die betroffenen Personen besonders schwerwiegend sein. Sie sind auch gesamtgesellschaftlich bedeutsam, da Arbeitsverwaltungen als fester Bestandteil moderner Sozialstaaten darauf ausgelegt sind, Chancenunterschiede auszugleichen, statt zu verstärken. (…)
## Im Berichtszeitraum wurden der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 1.484 Diskriminierungserfahrungen bei Ämtern und Behörden, z. B. Ausländerbehörden, Jobcentern, Arbeitsagenturen gemeldet. Die ADS verzeichnet in diesem Bereich 16 Prozent aller eingegangenen Fälle. Damit ist dieser Bereich der dritthäufigste nach Beratungsanfragen im Bereich Arbeitsleben und im Bereich Güter und Dienstleistungen. (…)
## Diskriminierungserfahrungen können individuelle Ursachen haben (beispielsweise offen diskriminierende Einstellungen durch Fachpersonal). Von weitaus grundsätzlicherer Bedeutung für die Behebung von Diskriminierungsrisiken sind jedoch institutionelle Verfahren, die Benachteiligungen begünstigen können. (…) Problematisch gesehen wird z. B. das ausdifferenzierte Kennzahlensystem, das von der Bundesagentur für Arbeit (BA) entwickelt wurde und von Arbeitsagenturen und Jobcentern angewendet wird. So laufen Vermittler_innen Gefahr, die Vermittlungsanstrengungen nicht an den individuellen Bedarfen der Arbeitsuchenden auszurichten, sondern mit möglichst minimalem Aufwand die Kennzahlen zu erfüllen (Creaming) und Personen, die nur mit erhöhtem Aufwand integriert werden können, in kostengünstige Maßnahmen zu verweisen oder gar nicht zu aktivieren (Parking). Fehleranfällig sind auch die Ermessensentscheidungen, wenn beispielsweise individuelle Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen, Alleinerziehenden oder Trans*Personen nicht ausreichend berücksichtigt werden.
## Auch Informations- und Beratungsdefizite sowie Zugangsbarrieren zu Dienstleistungen von Arbeitsagenturen und Jobcentern können institutionelle Diskriminierungsrisiken darstellen, etwa durch fehlende Barrierefreiheit (z. B. Angebote in leichter Sprache) oder die zurückhaltende Zurverfügungstellung von Dolmetscher_innendiensten für Zugewanderte. Ein weiteres Risiko stellen intransparente und nicht begründete Entscheidungen dar. Sie stehen häufig in Verbindung mit der Vergabe bzw. der Entscheidung über Maßnahmen und mögliche Leistungen. So kommt es beispielsweise dazu, dass Wünsche nach Weiterbildungsmaßnahmen bei der Gutscheinvergabe ohne Begründung abgelehnt werden. Hinter solchen Ablehnungen steht mitunter außer budgetären Gründen auch eine negative Erfolgsprognose der Vermittlungsfachkraft, die sich ausschließlich auf äußerlich erkennbare oder bekannte pauschale Merkmale (wie z. B. das Alter, die ethnische Herkunft oder eine Behinderung) stützt. (…)
## Benachteiligungen wegen ethnischer Herkunft oder Behinderung besonders häufig: In allen Beratungsstellen zeichnen sich hier klare Trends ab: Einerseits gibt es die „Diskriminierung nach Augenschein“ – als nichtdeutsch wahrgenommenen Personen wird der Zutritt oder Einlass verweigert oder sie werden verstärkt kontrolliert. Klagen gegen diese Formen unmittelbarer Diskriminierung z. B. beim Zugang zu Diskotheken oder Fitnessstudios sind mittlerweile zunehmend erfolgversprechend.
## Ein zentrales Problem im Bereich der Güter und Dienstleistungen ist andererseits nach wie vor die mangelnde Barrierefreiheit. Dazu zählen u. a. Barrieren in Cafés, Arztpraxen, Supermärkten, Büchereien oder im Transportmittelbereich (etwa an Bahnhöfen) sowie die immer wieder verweigerte Mitnahme von Rollstühlen, Assistenzhunden usw. im öffentlichen Personennahverkehr, in Fernbussen, bei Bahn- und Flugreisen. (…)
## Für die Arbeit der nichtstaatlichen Antidiskriminierungsstellen spielt der Bildungsbereich eine große Rolle. Rund 90 Prozent gaben an, hierzu Beratungsanfragen zu erhalten. Diese betreffen vor allem Schulen und Hochschulen, hier insbesondere Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft und Religion, einer Behinderung oder der sexuellen Identität, die sowohl von Mitschüler_innen als auch pädagogischem Personal ausgingen. Beklagt wurde auch, dass Pädagog_innen und Schulleitung nicht ausreichend auf Belästigungen und Mobbing reagierten. Eltern von Kindern mit Behinderungen beschwerten sich außerdem darüber, dass ihren Kindern der Zugang zu Kindergärten oder -tagesstätten sowie zu Schulen verwehrt wurde. Wie die Studie Diskriminierungserfahrungen, werden in diesem Bereich auch vergleichsweise häufig wegen der „sozialen Herkunft“ gemacht. (…)“
Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes; epd