ZUKUNFT DER TRÄGERSCHAFT IM SGB II Das Modell „Kooperatives Jobcenter“, dass das BMAS und die BA zur künftigen Form der Arbeitslosengeld II-Verwaltung vorlegen, stößt weiterhin auf Kritik. Das Eckpunktepapier in seiner ersten Fassung vom 12. Februar 2008 rief Widerstand hervor. Beispielsweise legte der Deutsche Städte- und Landkreistag einen Gegenentwurf vor. Das BMAS und die BA überarbeiteten die Eckpunkte zum „Kooperativen Jobcenter“ und brachten eine überarbeitete Fassung am 23. April 2008 heraus. Mit dem Neuentwurf des Eckpunktepapiers reagiert das BMAS auf die Vorwürfe einer fortbestehenden Mischverwaltung und des „Mega- Bundessozialamtes“. Obwohl das überarbeitete Papier eine stärkere kommunale Begleitung vorsieht und die Beauftragung der Kommunen mit dem Fallmanagment für bestimmte Zielgruppen (z.B. Jugendliche) erfolgen soll, gibt es weiterhin Gegenstimmen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutchen Handwerks (ZDH) kritisieren den Vorschlag des „Kooperativen Jobcenters“ nach wie vor und haben dazu eine gemeinsame Stellungnahme herausgegeben. Die Grünen haben sich im Rahmen eines Bund-Länder-Kommunen-Treffens ebenfalls ablehnend positioniert. Auch die FDP lehnt den Vorschlag des ‚Kooperativen Jobcenters‘ ab und spricht sich für eine stärkere Verantwortung der Kommunen aus. Die nachfolgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen im Vorschlag des BMAS sowie über die Kritik an dem Modell seitens der Grünen und des Zusammenschlusses von Arbeitgebern, Industrie und Handwerk sowie die Position der FDP. Den Vorschlag des BMAS zum „Kooperativen Jobcenter“ in seiner ersten Fassung entnehmen Sie bitte dem Archiv der Jugendsozialarbeit News, ebenso wie den Gegenentwurf des Städte- und Landkreistages. Die Meldungen sind erschienen am 18.2.2008 bzw. am 07.04.2008. NEUJUSTIERUNGEN IM ECKPUNKTEPAPIER “ – Das BMAS räumt ein, dass Gesetzesänderungen für die Neuaufstellung im SGB II erforderlich sein könnten. Ferner wird anerkannt, dass „das Letztentscheidungsrecht beim jeweils zuständigen Träger liegt und auch – auf freiwilliger Basis – nicht abgegeben oder geteilt werden kann.“ – Für die praktische Umsetzung wird ein Einvernehmen mit Kommunen und Ländern angestrebt. Als Startzeitpunkt für den Übergang von der Arbeitsgemeinschaft zum kooperativen Jobcenter wird Anfang 2009 genannt. – Der Kooperationsausschuss ist jetzt eindeutig als Einrichtung der Arbeitsagentur ausgestaltet, in den die Geschäftsführung (BA) zur Hälfte kommunale Vertreter beruft. Die Bindung der Geschäftsführung wird allein auf das lokale Arbeitsmarktprogramm und nicht mehr auf das im Kooperationsausschuss auch abgestimte Integrationsprogramm bezogen und zugleich ausdrücklich auf das „rechtlich Zulässige“ beschränkt. Die konkreten Angebote zur Zusammenarbeit werden damit jeweils ausdrücklich unter den Vorbehalt der verfassungsrechtlichen Prüfung gestellt. Für den Kooperationsausschuss wird außerdem nochmals ausdrücklich die o.g. Passage zum Letztentscheidungsrecht wiederholt. – Ein neues Kapitel in den Eckpunkten sieht nun eine einheitliche „Kommunale Leistungserbringung für besondere Personengruppen“ vor, indem Agenturen und Kommunen ein sozialrechtliches Auftragsverhältnis vereinbaren. Auf diese Weise „könnten bei den besonders auf komplexe Hilfen angewiesenen Bürgern Probleme an der Schnittstelle zwischen sozialintegrativen und beschäftigungsorientierten Hilfen vermieden werden.“ Genannt werden dazu beispielhaft „besonders arbeitsmarktferne Personengruppen“, „Alleinerziehende“, „Obdachlose“, „Jugendliche, die auch Hilfen zur Erziehung erhalten“ und „bestimmte Gruppen von Migranten“. Nach den Eckpunkten „ist“ die Beauftragung sogar „anzustreben“, wenn z.B. aufgrund vorhandener kommunaler Infrastruktur für die sozialpolitischen Angebote eine effiziente Umsetzunge der Eingliederungsleistungen möglich ist. – In einem neuen Kapitel wird die Verantwortlichkeit der Bundesländer für die Rahmenbedingungen der Arbeit in den Kooperativen Jobcentern beschrieben. Dabei wird ausdrücklich die Aufsicht über die Kommunen benannt. Auf die Verantwortung der Länder für eine entsprechende Leistungserbringung, die Herstellung von Transparenz und die Sicherstellung eines ausreichenden Leistungsumfangs sowie deren Erbringung in guter Qualität wird hingewiesen. “ * Auszüge aus der Grünen Position zur Zukunft der Trägerschaft im SGB II “ KOOPERATIVES JOBCENTER IST KEINE GRÜNE ANTWORT … Die Grundsicherung für Arbeitssuchende soll sowohl einen arbeitsmarktpolitischen als auch einen sozialpolitischen Auftrag erfüllen. Sie zielt auch auf soziale Teilhabe und gesellschaftliche Integration. Mehr als 7 Millionen Menschen aller Altersgruppen mit den unterschiedlichsten Biografien, Fähigkeiten und Problemlagen sollen durch sie unterstützt werden. Entsprechend bürgernah, umfassend und breit angelegt müssen der Ansatz und das Instrumentarium angelegt sein. Eine neue Trägerstruktur muss sich deshalb an den Erfordernissen der Menschen, für die sie Hilfe und Unterstützung anbieten soll, orientieren. Sie ist die Grundlage für die Arbeit für und mit den Betroffenen. Sie muss individuelle und nachhaltige Integrationswege befördern. Hilfen und Angebote müssen zu den Menschen passen und nicht die Menschen für Angebote passend gemacht werden. Dafür braucht es Gestaltungsfreiheit vor Ort und flexible Instrumente. Das individuelle Fördern muss im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Zielsetzung aller Angebote und Maßnahmen muss es sein, den Betroffenen dauerhaft ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Das gelingt aus grüner Sicht mit dem vorgeschlagenen „kooperativen Jobcenter“ nicht. Erforderlich ist vielmehr die Berücksichtigung der folgenden Punkte: 1. Stärkung der kommunalen und lokalen Kompetenz: Die neue Trägerstruktur muss eine weitgehende Verknüpfung der sozial-, arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Angebote vor Ort sicherstellen. Dafür ist eine dezentrale Struktur zwingend erforderlich, denn das operative Geschäft setzt den Einblick in die lokalen Strukturen voraus. Es erfordert die konstruktive und flexible Kooperation mit anderen örtlichen Hilfesystemen wie z.B. der Jugendhilfe oder der Schuldnerberatung. Ziel ist es, die Arbeit vor Ort autonomer, effektiver und effizienter als bisher zu gestalten. Das operative Geschäft darf keinem zentralen Durchgriff unterliegen. … 2. Hilfe aus einer Hand Ein neues Modell muss dem Prinzip „Hilfe aus einer Hand“ genügen. Diesem inhaltlichen Anspruch wird der lediglich örtlich gemeinte Ansatz „unter einem Dach“ bei weitem nicht gerecht. Die Bündelung der Kompetenzen der Kommunen und der Arbeitsagenturen in den Arbeitsgemeinschaften waren zur Umsetzung dieses Prinzips grundsätzlich richtig. Daher wollen wir alle Möglichkeiten zur Schaffung der rechtlichen – auch grundgesetzlichen – Grundlagen für eine verbesserte Zusammenarbeit der Kommunen und Arbeitsagenturen nutzen. Nicht richtig austariert waren allerdings die Kompetenzen innerhalb der Arbeitsgemeinschaften, mit der Folge, dass der sozialpolitische Aspekt der Arbeit zu häufig in den Hintergrund gedrängt wurde. … 3. Bund nicht aus Verantwortung entlassen Der Bund darf weder aus seiner politischen noch aus seiner finanziellen Verantwortung für die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit entlassen werden und muss weiter in die Strukturen eingebunden bleiben. Dies beinhaltet in erster Linie die Übernahme der finanziellen Verantwortung und die Sicherstellung eines bundeseinheitlichen Leistungsrechts. … Der Bund gibt … die Ziele vor, an denen sich orientiert werden muss der lokalen Ebene ist es aber vorbehalten, die gesamte Breite des Weges mithilfe der dafür notwendigen Instrumente für das jeweils bestmögliche Eingliederungsergebnis zu nutzen. 4. Optionskommunen sichern und erweitern Die bestehenden Optionskommunen müssen Sicherheit über das Jahr 2013 hinaus erhalten und sollen die Möglichkeit bekommen, in der etablierten Form weiterzuarbeiten. … 5. Neues Modell verfassungsrechtlich sichern Die Politik muss willens und in der Lage sein, auch die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die beste Lösung zur Bewältigung der Integration und sozialen Teilhabe von arbeitsuchenden und in Bedarfsgemeinschaften lebenden Menschen und den nachhaltigen Abbau der Arbeitslosigkeit zu schaffen. Darum treten wir Grünen für eine gezielte Verfassungsänderung ein. “ * Auszüge aus der Stellungnahme von BDA, BDI, DIHK und ZDH zum Vorschlag „Kooperatives Jobcenter“ GEGEN EIN „MEGA-BUNDESSOZIALAMT MIT KOMMUNALER BETEILIGUNG“ „… Statt die verfassungswidrige Arbeitslosengeld II-Mischverwaltung aus Kommunen und Arbeitsagenturen aufzulösen, soll mit den „kooperativen Jobcentern“ die Mischverwaltung in abgewandelter Form fortgeführt werden. Im Gegensatz zu den jetzigen Arbeitsgemeinschaften, die nach dem Gesetz den Regelfall der SGB II-Verwaltung darstellen, würde den „Kooperativen Jobcentern“ eine gesetzliche Grundlage fehlen. Im Jobcenter würden dem Bürger mit Arbeitsagentur und Kommune zwei Behörden gegenüber treten, die in der erfolgreichen Erbringung ihres jeweiligen Leistungsteils wiederum von einander abhängig sind und deren jeweilige Gut- oder Schlechtleistung weiterhin für den Bürger nicht klar erkennbar ist. Dies ist mit den vom BVerfG aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten Anforderungen kaum vereinbar. Im Neuentwurf des Eckpunktepapiers werden durch die stärkere Abgrenzung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten die verfassungsrechtliche Angreifbarkeit (insbesondere im Hinblick auf das vom Bundesverfassungsgericht herausgehobene Demokratieprinzip) in der Tat deutlich vermindert . Die Strukturen eines Mega-Bundessozialamtes werden allerdings hinter den unverbindlichen Angeboten an die Kommunen sogar noch deutlicher. Letztlich ist das Papier der Versuch einer Quadratur des Kreises: Die Arbeitsangenturlösung mit dem BMAS an der Spitze zu sichern, die Kommunen zumindest optisch so weitgehend wie möglich zu beteiligen, das Reformziel von Hartz der „Leistung aus einer Hand“ nicht offen aufzugeben und zugleich eine verfassungsrechtlich unzulässige Mischverwaltung zu vermeiden. Während nach außen die Mischverwaltung unter einem neuen Namensschild fortgeführt wird, würden sich intern, hinter der Fassade, die Gewichte aber ganz erheblich zu Gunsten der Arbeitsagenturen als Teil einer Bundesbehörde verschieben. Damit würde ein großer Schritt hin zu einem abzulehnenden „Mega- Bundessozialamt mit kommunaler Beteiligung“ unternommen. Denn die Jobcenter sollen als eigenständige Geschäftseinheiten der Arbeitsagenturen … eingerichtet werden. Mit der gleichzeitig vorgesehenen Herausbildung von für Arbeitslosengeld II eigenverantwortlichen Geschäftseinheiten innerhalb der Bundesagentur für Arbeit entstünde eine bis auf die kommunale Ebene gegliederte Bundesbehörde, in der das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis in die kleinste Einheit vor Ort durchsteuern könnte. … Da Erfolge gegen eine zum Teil über viele Jahre verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit abgestimmte jugend-, sozial-, familien- und bildungspolitische Maßnahmen mit gezielter arbeitsmarktpolitischer Förderung vor Ort voraussetzen, kommen für die einheitliche Leistungsträgerschaft nur die Kommunen in Betracht. Deren ureigene Aufgabe, die zum Kern des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gehört, ist es, Menschen in ihrem Gemeinwesen zu unterstützen, die oft mit familiären, gesundheitlichen und anderen Problemen zu kämpfen haben und nicht selten seit Jahren keiner geregelten Arbeit mehr nachgegangen sind. Mit einer „kommunalen Lösung“ soll das arbeitsmarktpolitische Know-how der Bundesagentur für Arbeit nicht unter den Tisch fallen. Wo es um den gezielten Einsatz von Arbeitsförderungsinstrumenten und die eigentliche Vermittlung in Arbeit geht, können Kommunen Leistungen der Agenturen vertraglich einkaufen. Auch bei einer einheitlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Kommunen muss gewährleistet werden, dass in der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II die gleiche Transparenz hergestellt wird, wie sie erfolgreich von der Selbstverwaltung der Arbeitslosenversicherung geschaffen wurde. Die Steuerung der arbeitsmarktpolitischen Förderleistungen muss auch im Fürsorgebereich wirkungsvoll und wirtschaftlich erfolgen. Hergestellt werden muss ein finanzielles Eigeninteresse der Kommunen an einer guten Aufgabenerledigung. … Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber nur deshalb eine Übergangsfrist bis Ende 2010 eingeräumt, weil „Umstellungen von ungewöhnlichem Ausmaß“ erforderlich sind. Der Bundesarbeitsminister muss sich dem nicht zuletzt auch von SPD-regierten Städten erhobenen Vorwurf ehrlich stellen, dass mit seinem Vorschlag die Arbeitslosengeld II-Verwaltung sogar noch teurer und schlechter werden könnte. … Für eine verfassungskonforme Lösung führt an einer Gesetzesänderung nach den klaren Worten des BVerfG ohnehin kein Weg vorbei. Denn allein um zu verhindern, dass in der Übergangszeit „nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige“, hat das BVerfG die Vorschrift über die Arbeitsgemeinschaft nicht sofort für unwirksam erklärt. … „Mega-Bundessozialamt mit kommunaler Beteiligung“ ist abzulehnen Während sich bei Fortbestehen der Mischverwaltung für den Kunden nach außen nichts ändert und mit dem „Kooperativen Jobcenter“ lediglich ein neues Namensschild aufgehängt wird, würden sich die Gewichte intern aber ganz erheblich verschieben. … Den Kommunen bliebe … unter dem Deckmantel der „freiwilligen Kooperation“ eine eher nur marginale Beteiligung. Diese Gewichtsverschiebung resultiert daraus, dass das „Kooperative Jobcenter“ nicht mehr wie bisher gemeinsame Einrichtung von Kommune und Arbeitsagentur ist, sondern zukünftig als eigenständige Einheit der Arbeitsagentur unter Leitung eines BA-Geschäftsführers operieren soll. Zwar sollen auch in der neuen Struktur im so genannten „Kooperationsausschuss“ als Nachfolgeorgan der bisherigen Trägerversammlung Arbeitsmarktpolitik der Arbeitsagentur und sozialintegrative Leistungen der Kommune abgestimmt werden. Der BA-Geschäftsführer ist in dem von ihm geführten „Kooperativen Jobcenter“ jedoch „Herr des Verfahrens“ mit der Federführung für das Fallmanagement … Die einzelne Kommune im „Kooperativen Jobcenter“ ist nicht gleichberechtigter Partner der Arbeitsagentur, sondern tritt einer zentral gesteuerten Verwaltung gegenüber. … Die „lokalen Handlungs- und Entscheidungsspielräume“ können aber angesichts dieser SteuerungsÜbermacht schnell zu Makulatur werden. Letztlich bleibt es dem BMAS unbenommen, jederzeit doch noch stärker durchzusteuern, als dies gegenüber der BA als SGB II-Träger schon heute möglich ist. Das Bild eines geplanten „Mega-Bundessozialamtes“ vervollständigt sich mit Blick auf die den Kommunen angebotene Übernahme von knapp 18.000 kommunalen Beschäftigten, die derzeit in den Arbeitsgemeinschaften tätig sind. … Politik muss Verantwortung für eine gute organisatorische Lösung wahrnehmen … Für die jetzt anstehende Neuorganisation der Arbeitslosengeld IIVerwaltung stehen Politik und alle Beteiligten erneut in der Pflicht, das allgemein als richtig erkannte Ziel der „Leistung aus einer Hand“ für Langzeitarbeitslose nochmals anzugehen. … Schon gar nicht darf die Bundesregierung zulassen, dass das BMAS jetzt handstreichartig vollendete Tatsachen für die gewollte eigene Lösung schafft. Statt der Fortsetzung der getrennten Leistungsträgerschaft … ist eine Neuaufstellung der SGB II-Verwaltung notwendig, die dauerhaft Bestand hat und für alle Planungs- und Rechtssicherheit schafft. … Kommunen müssen ihrer ureigenen Fürsorgeaufgabe gerecht werden … Ein ausreichendes Engagement und umfassende Initiativen auf kommunaler Ebene können nicht angestoßen werden, wenn Kommunen lediglich im Rahmen eines Bundessozialamtes mitwirken, sondern wenn sich Politik und die Menschen vor Ort selbst für die Aufgabe verantwortlich fühlen. Nur dann wird die Kraft der kommunalen Netzwerke für die Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit in vollem Maße aktiviert und genutzt. Auf kommunaler Ebene befinden sich die Instrumente, um Probleme, wie Drogen- oder Alkoholsucht, Überschuldung, mangelnde Kinderbetreuung etc. anzugehen. Die Aktivierung von Langzeitarbeitslosen in einer umfassenden Strategie ist sinnvollerweise verschränkt bzw. steht in enger Wechselwirkung mit Strategien für eine gesunde Stadtentwicklung, Verhinderung sozialer Ghettos und von (Jugend-) Kriminalität, sozialpflegerischen Aufgaben und Zielen in der allgemeinen Jugendhilfe, dem kommunalen Interesse an einer gesellschaftlichen Integration von Migranten und z. B. auch dem Interesse an einem Schulbesuch und der Erlangung der entsprechenden Abschlüsse. Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik müssen in eine solche umfassende Strategie zielgerichtet eingebunden werden und sind, um erfolgreich wirken zu können, in vielen Fällen überhaupt erst auf den Einsatz der anderen genannten Maßnahmen angewiesen. Gerade auch bei Übertragung der Arbeitslosengeld II-Verwaltung auf die Kommunen muss vollständige Transparenz von Maßnahmen, Kosten und Wirkungen gewährleistet werden. … Bei der Übertragung der Arbeitslosengeld II-Verwaltung auf die Kommunen muss sichergestellt sein, dass die Kommunen ein finanzielles Eigeninteresse an einer guten Aufgabenerledigung haben. Wesentlicher Anreiz kann … ein Budget zur Finanzierung der Sozialleistungen sein, dessen Überschüsse die Kommunen behalten und für beliebige andere kommunale Zwecke einsetzen können, wobei sie aber auch Defizite aus der eigenen Kasse ausgleichen müssen. Parallel dazu erhalten die Kommunen ein eigenes, spezielles Budget für die Aktivierung und Integration der Arbeitslosen, das ausschließlich für solche Maßnahmen einzusetzen ist und dessen Überschüsse zurückzuzahlen sind. … Den Kommunen die klare Verantwortlichkeit für Arbeitslosengeld II zu übertragen bedeutet nicht, das Know-how der Bundesagentur für Arbeit unter den Tisch fallen zu lassen. … Beispielsweise kann die Kommune die Arbeitsvermittlung von Arbeitslosengeld II-Empfängern durch die Arbeitsagentur gegen Bezahlung durchführen lassen. Für eigene Vermittlungstätigkeiten sollten die Kommunen grundsätzlich Zugriff auf den gesamten Stellenbestand der BA haben. … Die Zuständigkeit für den gesamten Bereich der Ausbildungsvermittlung und ausbildungsbegleitenden Fördermaßnahmen sollte indes regelmäßig durchgehend bei den Arbeitsagenturen liegen, die hier über das erforderliche Know-how verfügen. So lässt sich erreichen, dass Jugendliche nicht allein aufgrund von Hilfebedürftigkeit den Ansprechpartner wechseln müssen. … “ * Position der FDP “ DIE BETREUUNG LANGZEITARBEITSLOSER GEHÖRT IN DIE HÄNDE DER KOMMUNEN Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat eine untergesetzliche Regelung geplant, um das parlamentarische Verfahren zu umgehen. Seine Vorschläge führen zu einer weiteren Zentralisierung der Aufgaben bei der BA und weg von dem Prinzip, dass Hilfen aus einer Hand gewährt werden sollten. Die Kommunen werden weitgehend der Steuerung durch die BA unterliegen. Nach den Vorstellungen des Bundesarbeitsministers sollen diese Vorschläge zeitnah umgesetzt und der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Zeitrahmen bis 2010 nicht genutzt werden. Dies ist mit Blick auf die laufende Evaluierung zu der Organisation der Betreuung von Langzeitarbeitslosen nicht sachgerecht und sinnvoll. Vielmehr birgt dieses Vorgehen die Gefahr, dass durch weitere Zentralisierungen bei der BA das Modell der Optionskommunen langfristig, unabhängig von den dort erzielten Integrationserfolgen, keine Chance mehr hat. Wenn zukünftig Kommunen und Arbeitsagenturen ihre Aufgaben in eigener Verantwortung wahrnehmen und freiwillige Kooperationsvereinbarungen treffen sollen, bedeutet das einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand ohne bessere Leistungen. Das ist ein Rückschritt in die Zeit vor den Reformen. Die FDP hat wiederholt die Auflösung der Bundesagentur für Arbeit in ihrer jetzigen Form und die Neuordnung ihrer Aufgaben gefordert. Wir fordern den verantwortungsvollen Umgang mit den Mitteln der Beitragszahler und die Anpassung an die Bedürfnisse der Arbeitslosen, Arbeitgeber und Arbeitsuchenden. Neben der Einrichtung einer Versicherungsagentur, die die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld verwaltet, und einer personell deutlich abgespeckten Arbeitsmarktagentur, die für überregionale Aufgaben verantwortlich ist und Rahmenbedingungen setzt, sollen alle Arbeitslosen in kommunalen Jobcentern betreut, beraten und vermittelt werden. Die FDP wird sich weiterhin mit allem Nachdruck für eine stärkere Verantwortung der Kommunen bei der Betreuung Langzeitarbeitsloser einsetzen, wie sie es bereits in dem Gesetzgebungsverfahren zum SGB II getan hat. Dies schließt eine grundgesetzliche Absicherung der Finanzbeziehungen ein. Ein erster Schritt hierzu müsste sein, die Befristung der Optionsregelung aufzuheben, um den Optionskommunen Planungssicherheit zu geben. Die schwarz-rote Koalition sollte die gute wirtschaftliche Ausgangssituation nutzen und die notwendige Flexibilisierung für den Arbeitsmarkt auf den Weg bringen. Um mehr Arbeitsplätze zu schaffen, müssen Steuern und Abgaben gesenkt, Bürokratie abgebaut und arbeits- und tarifrechtliche Vorschriften gelockert werden. Dann haben Arbeitslose aller Altersstufen wieder eine Chance auf Beschäftigung. Mit der schwarz-roten Koalition wird es aber weder ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem noch Freiheit am Arbeitsmarkt geben und damit keine nachhaltigen Chancen, die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. “ Das Eckpunktepapier zur Neuregelung der SGB II-Trägerschaft des BMAS, die Stellungnahme der Arbeitgeber, der Instrie- und des Handwerks sowie die „Grüne Position“ und die der FDP entnehmen Sie jeweils im vollem Textumfang dem Anhang.
Quelle: BMAS, BDA, DIHK, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, FDP Dirk Niebel
Dokumente: Liberale_Argumente_20_Hartz_IV.pdf