Kriminalität von Aussiedlern – Eine Bestandsaufnahme

„WORKING PAPER“ DER FORSCHUNGSGRUPPE DES BAMF Das Bundesministerium des Innern hat die Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge damit beauftragt, valide Zahlen zur Aussiedlerkriminalität zusammenzustellen und den Stand der Forschung aufzuarbeiten. Hiermit wird eine Bestandsaufnahme vorgelegt, die sowohl die Kriminalitätsstatistik als auch die empirische Sozialforschung berücksichtigt. Auszüge aus dem Bericht: “ AUSSIEDLER IN DER POLIZEILICHEN KRIMINALSTATISTIK … * Kriminalität im Migrationskontext Eine zentrale Datenquelle zur Straffälligkeit von Personen in der Bundesrepublik ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) (Bundeskriminalamt 2007). Die PKS gibt grundsätzlich Auskunft über Art und Zahl erfasster Straftaten, Tatort und Tatzeit, Opfer und Schäden, Aufklärungsergebnisse, Alter, Geschlecht und Nationalität der Tatverdächtigen. Die nichtdeutschen Tatverdächtigen werden als eigene Gruppe unter allen Tatverdächtigen ausgewiesen. Die PKS wird jährlich vom Bundeskriminalamt (BKA) in Zusammenarbeit mit den Landeskriminalämtern erstellt und nach einstimmigem Beschluss der Innenministerkonferenz veröffentlicht. Es handelt sich bei der PKS um eine Tatverdächtigen-Statistik. In der PKS wird der Tatverdacht wie folgt definiert: Tatverdächtig ist jeder, der nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte verdächtig ist, eine rechtswidrige (Straf-)Tat begangen zu haben. Dazu zählen auch Mittäter, Anstifter und Gehilfen. Vage, nicht überprüfbare Angaben allein reichen nicht aus, um als Fall in die PKS aufgenommen zu werden. Werden einem Tatverdächtigen im Berichtszeitraum mehrere Fälle verschiedener Straftatenschlüssel zugeordnet, wird er für jede Gruppe gesondert, für die entsprechenden übergeordneten Straftatengruppen beziehungsweise für die Gesamtzahl der Straftaten hingegen nur einmal gezählt. Die Tatverdächtigen bei den einzelnen Straftatengruppen lassen sich daher nicht zur Gesamtzahl der Tatverdächtigen addieren. In der PKS wird grundsätzlich zwischen Deutschen und Nichtdeutschen (d.h. ausländischen) Tätern unterschieden. … Sowohl die absolute Zahl als auch der Anteil der Nichtdeutschen an allen Tatverdächtigen, der zu Beginn der 1990er Jahre infolge der politischen Umbruchsituation in den osteuropäischen Staaten, der Konfliktlage auf dem Balkan und der Grenzöffnungen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung einen historischen Höchststand erreicht hatte, sind seit 1993 kontinuierlich zurückgegangen (Bundeskriminalamt 2007). Mitbedingt wurde der Rückgang durch Novellierungen des Asyl- und Flüchtlingsrechts sowie des Staatsangehörigkeits- und Bundesvertriebenengesetzes. Im Jahr 2006 wurden von der Polizei insgesamt 2.283.127 Tatverdächtige registriert und damit 1,3% weniger als im Vorjahr (Bundeskriminalamt 2007: 105). Davon besaßen 503.037 Tatverdächtige nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Dies entspricht einem Anteil von 22,0% (2005: 22,5%) an allen Tatverdächtigen. Insgesamt ist damit seit dem Jahr 1993, in dem der Anteil bei 33,6% lag, ein kontinuierlicher Rückgang des Anteils nichtdeutscher Tatverdächtiger an allen Tatverdächtigen festzustellen. Bei einer Betrachtung der deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen differenziert nach Altersgruppen zeigt sich, dass die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen unter 18 Jahren im Vergleich zum Vorjahr stärker gesunken ist als die der deutschen (-6,3% im Vergleich zu -1,4%). … * Aussielderkriminalität in Relation zur einheimischen und nichtdeutschen Bevölkerung Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) hat für das Land Niedersachsen in den Landkreisen mit hoher Zuwanderungsrate einen deutlich höheren Kriminalitätsanstieg, insbesondere bei Drogendelikten, Gewaltdelikten und Diebstahl, festgestellt. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass dieser Anstieg nicht mit der Zuwanderung in Verbindung stehen muss es handelt sich um einen so genannten statistischen Fehlschluss. Um die Kriminalitätsrate zu berechnen, müsste man die Gesamtzahl der Aussiedlerbevölkerung kennen. Eine diesbezügliche Auswertung ist auf kommunaler Ebene möglich, indem aus Einwohnermelderegistern eine Schätzung der Zahl der Aussiedler vorgenommen wird. Dies wurde in Hamburg, Niedersachsen (Hannover und Wolfsburg) sowie in verschiedenen Orten in Bayern und Schleswig-Holstein durchgeführt. Die Vergleichsbasis ist die so genannte Tatverdächtigenbelastungsziffer (TVBZ). Bayern (Ingolstadt, Schweinfurt, Nürnberg, Fürth, Landkreis Mühldorf) … Aussiedler wurden in diesen Städten als Personen definiert, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und in einem Aussiedlerstaat (ehemalige Sowjetunion, Polen, Rumänien, ehemalige CSSR, ehemaliges Jugoslawien, Ungarn) geboren sind. … Die höchsten TVBZ lassen sich in allen Altersgruppen mit Ausnahme der 10-13-jährigen Kinder bei Nichtdeutschen feststellen. Insgesamt wird ein Wert von 3.078 für Aussiedler, 2.928 für Deutsche und 7.039 für Nichtdeutsche errechnet. Die TVBZ der Aussiedler bewegt sich somit leicht über dem Niveau der Deutschen. Bei allen Gruppen lässt sich ein starker Geschlechterunterschied feststellen: Männer sind bei Aussiedlern und Deutschen fast fünfmal so stark belastet wie Frauen. Bei den Aussiedlern sind die Jugendlichen vor den Heranwachsenden die am meisten belastete Altersgruppe (Jugendliche: 13.027, Heranwachsende: 11.726 Jugendliche Deutsche: 10.154, Nichtdeutsche: 14.599). Je jünger die tatverdächtigen Aussiedler sind, um so höher sind sie im Vergleich zu den Deutschen belastet. Aussiedlerkriminalität äußert sich hinsichtlich der begangenen Delikte regional unterschiedlich. Der Schwerpunkt der von Aussiedlern begangenen Taten liegt beim einfachen Diebstahl, gefolgt von Rohheitsdelikten. Niedersachsen (Hannover und Wolfsburg) In Hannover und Wolfsburg wurde durch das Landeskriminalamt Niedersachsen eine Sonderanalyse der PKS … durchgeführt. Als Aussiedler sind … Personen definiert, die neben der deutschen eine Staatsangehörigkeit eines „klassischen“ Aussiedlerherkunftslandes aufweisen. … Es wurden drei Gruppen unterschieden: Deutsche, Aussiedler als Untergruppe der Deutschen sowie Ausländer. Es wurde die TVBZ berechnet, die hochgerechnet auf 100.000 Einwohner der jeweiligen Bevölkerungsgruppe ausgewiesen wird. Im Ergebnis wird für die Gruppe der Aussiedler eine TVBZ berechnet, die unter der der deutschen Bevölkerung liegt. In Hannover: Deutsche 3.190, Aussiedler 1.273, Nichtdeutsche 6.004 und in Wolfsburg: Deutsche 2.123, Aussiedler 1.788, Nichtdeutsche 4.256. Selbst bei heranwachsenden Aussiedlern ist die TVBZ der Aussiedler nicht einmal halb so hoch und bei 21- 25-Jährigen liegt sie bei 60% der Vergleichszahl bei Deutschen. Nichtdeutsche weisen in allen Altersgruppen die höchsten Werte auf. … Aussiedler sind … in der PKS in Hannover deutlich und in Wolfsburg leicht unterrepräsentiert, gemessen an der Zahl der Tatverdächtigen. In beiden Betrachtungszeiträumen liegt die TVBZ unter denen der Vergleichsgruppe der Deutschen. Allerdings sind in beiden Städten zwischen 2002 und 2004 Steigerungen der Aussiedlerkriminalität aufgetreten, so dass sich der Abstand der beiden Gruppen verringert hat. Auch wird am Ende der Studie erwähnt, dass Schwerpunkte der Kriminalität von Aussiedlern in Niedersachsen nicht die Städte Hannover und Wolfsburg, sondern eher ländliche Räume darstellen. … Hamburg In der Studie des Landeskriminalamtes Hamburg wurden weitere Definitionskriterien für die Gruppe der Aussiedler verwendet. Zur Analyse der Kriminalität wurde eine Sonderauswertung der Vorgänge der polizeilichen Meldedaten durchgeführt. Hierzu wurden Deutsche, deren Geburtsland beziehungsweise Geburtsort in den Aussiedlerherkunftsländern liegt, als Aussiedler definiert und in einem gesonderten Erhebungsvorgang erfasst. Es wurde eine korrigierte Zahl von Tatverdächtigen berechnet, um einer Untererfassung entgegenzuwirken, d.h. die Berechnung der Tatverdächtigen der Aussiedler ist fiktiv. Im Melderegister wurden Personen herausgefiltert, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und deren zweite beziehungsweise frühere Staatsangehörigkeit beziehungsweise das Geburtsland mit einem der klassischen Aussiedlerherkunftsländer übereinstimmt. … Die Kriminalitätsbelastung der Aussiedler ist im Vergleich zu allen Hamburgern geringer, wobei die Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion unter allen Aussiedlern auf dem Niveau der Deutschen insgesamt liegen. Nichtdeutsche weisen mit Abstand die höchste Kriminalitätsbelastung auf (Deutsche: 3.670, Nichtdeutsche: 9.320, alle Aussiedler: 2.175, Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion: 3.356). Die Deliktstruktur der von Aussiedlern begangenen Taten ist von Kontroll- und Gewaltdelikten dominiert. Gewaltdelikte werden überwiegend im öffentlichen Raum der Wohnquartiere begangen. Auch bei Rohheits- und Diebstahldelikten ist die MBZ der Aussiedler im Vergleich zur TVBZ aller Hamburger niedriger, wobei wiederum Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion höher als Deutsche gesamt liegen (TVBZ Deutsche: 922, MBZ für alle Aussiedler: 745, für Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion: 1.163). Schleswig-Holstein Mitte (Kreise Rendsburg-Eckernförde, Segeberg, Plön) Für eine Sonderauswertung der Kriminalitätsbelastung in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde, Segeberg und Plön wurden die TVBZ berechnet. Dabei wird eine Annäherung an die Aussiedlerbevölkerung aus der Zahl der im Untersuchungsbezirk zwischen 1985 und 2002 aufgenommenen „Spätaussiedler mit Einschluss anderer Zuwanderer (jüdische Emigranten)“ vorgenommen. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Methode nicht den Bevölkerungsstand zum Untersuchungszeitpunkt wiedergibt, da Geburten, Sterbefälle und Umzüge nicht berücksichtigt sind. Insofern ist die Schätzung der Aussiedlerbevölkerung in dieser Studie sehr ungenau. Die resultierende TVBZ der Aussiedler liegt bei 2.092, während sie bei Deutschen 2.814 und bei Nichtdeutschen 8.681 erreicht. Insofern ist die Kriminalitätsbelastung relativ niedrig. Bei den Delikten und der Altersstruktur zeigt sich das gleiche Muster wie in den anderen Studien: Bei Aussiedlern ist der Anteil der Rohheitsdelikte und des Delikts des einfachen Diebstahls im Vergleich zu Deutschen oder Nichtdeutschen besonders stark ausgeprägt – 65,8% der Delikte fallen in diese Kategorien. Unter den Rohheitsdelikten ist der Anteil der gefährlichen und schweren Körperverletzung mit 41,1% auffällig hoch (Deutsche: 22,6%, Nichtdeutsche 26,1%). Die Altersgruppe der 18-25-jährigen Männer weist die höchste Kriminalitätsbelastung auf. Hierbei liegen Aussiedler mit 14.971 etwas höher als Deutsche (14.086), aber deutlich niedriger als Nichtdeutsche (12.722). … * Fazit zur Kriminalität von Aussiedlern in der PKS Die Kriminalitätsrate von Ausländern oder auch Deutschen mit Migrationshintergrund kann anhand der vorliegenden Statistiken nicht eindeutig beantwortet werden. Dies liegt … daran, dass in der PKS nur zwischen Deutschen und Nichtdeutschen unterschieden wird, nicht jedoch nach Personen mit Migrationshintergrund. – Spezielle Erhebungen des Merkmals Aussiedler erfolgen in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Niedersachsen sowie einzelnen Kreisen anderer Bundesländer. Insofern ist die Datenlage lückenhaft. In allen untersuchten Bundesländern weisen jugendliche Aussiedler eine relativ hohe Kriminalität auf, insbesondere bei Gewaltdelikten. Insgesamt ist jedoch überall ein Absinken der absoluten Zahl an tatverdächtigen Aussiedlern in den letzten Jahren zu beobachten. – Die Bezugsgröße, anhand derer die Kriminalitätsbelastung (Tatverdächtigenbelastungsziffer – (TVBZ) berechnet wird, ist im Falle der Aussiedler bundesweit nicht bestimmbar, da die Zahl der in einem Ort lebenden Aussiedler nicht statistisch erfasst ist. – Sonderauswertungen der PKS unter Zuhilfenahme der Melderegister wurden in verschiedenen Städten in Bayern und Schleswig-Holstein, in Hamburg sowie Niedersachsen vorgenommen, so dass die TVBZ der Aussiedler mit denen der restlichen Deutschen und Nichtdeutschen verglichen werden konnten. Durch unterschiedliche Erhebungsverfahren und methodisch problematische Zuordnungen zur Gruppe der Aussiedler sind die Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren. Da die eingebürgerten Deutschen nicht ihrer Herkunftsnationalität zugerechnet werden, sondern in der Gruppe der Deutschen enthalten sind, kann kein systematischer Vergleich der Kriminalitätsbelastung von Einheimischen und Migranten vorgenommen werden. Bei der vorgenommenen Gruppeneinteilung liegt in allen Orten die Kriminalitätsbelastung der Aussiedler erheblich niedriger als bei Nichtdeutschen und teilweise leicht niedriger als bei einheimischen Deutschen. RISIKOGRUPPE – MÄNNLICHE JUGENDLICHE … Studien stellen gleichermaßen fest, dass die Kriminalitätsraten männlicher Aussiedlerjugendlicher im Vergleich zu Kriminalitätsraten einheimischer junger Männer auf einem durchschnittlichen Niveau liegen. Das Verhalten der Aussiedler entspricht somit dem allgemeinen Trend. Die PKS des Jahres 2006 zeigt auf, dass die Kriminalität im heutigen Deutschland jung und männlich ist (Bundeskriminalamt 2007). Das erhöhte Kriminalitätsrisiko betrifft sowohl Aussiedlerjugendliche als auch andere junge Männer in Deutschland gleichermaßen. Dennoch scheinen männliche Aussiedlerjugendliche sich von den anderen jungen Straftätern darin zu unterscheiden, dass sie härtere Straftaten begehen, dass sie öfter zu härteren Strafen verurteilt werden und dass sie öfter Mehrfachtäter sind. … Zur Kriminalitätsbelastung der Aussiedler liegen Daten einiger Landes- und regionaler Kriminalstatistiken vor. Außerdem wurden in den letzten Jahren einige Aussiedlerkriminalitätsstudien erstellt, welche die jeweils regionale PKS als empirische Grundlage ihrer Analysen nutzten. Diese Studien stehen im Fokus der weiteren Betrachtungen. * Kriminalität der männlichen Aussiedlerjugendlichen im Vergleich zur Kriminalität der deutschen und nichtdeutschen Jugendlichen Die Kriminalitätsbelastung der männlichen Aussiedlerjugendlichen wird von der (Fach-) Öffentlichkeit oft als besorgniserregend hoch wahrgenommen. Anhand der Studien in Wolfsburg und Hannover ist ein Vergleich der Kriminalitätsbelastung der jungen Aussiedler mit der Belastung der deutschen und nichtdeutschen Jugendlichen möglich. Entgegen der öffentlichen Meinung weisen Aussiedlerjugendliche laut dieser Studien keine signifikanten Unterschiede zu deutschen Jugendlichen auf. Die nichtdeutschen Jugendlichen sind stärker als Aussiedler und Deutsche belastet. Die Studie in Wolfsburg und Hannover kommt sogar zum Ergebnis, dass die Kriminalitätsbelastung der jugendlichen Aussiedler grundsätzlich unter der der deutschen Bevölkerung liegt. Selbst bei als besonders kriminell wahrgenommenen heranwachsenden Aussiedlern ist die TVBZ nicht einmal halb so hoch wie bei den Deutschen. In Hamburg wurde eine geringfügig erhöhte Kriminalitätsbelastung der Aussiedler aus den GUS-Staaten bei Rohheits- und Diebstahldelikten festgestellt, wobei jugendliche Straftäter dabei überproportional vertreten waren. Die Kriminalitätsbelastung der Aussiedler lag jedoch auch bei diesen beiden Deliktarten deutlich unter der Kriminalitätsbelastung der nichtdeutschen Bevölkerung. … Auswertungen der PKS in Rheinland-Pfalz, in Nordrhein-Westfalen, in Bayern und im Kreis Lippe geben einen Einblick in die Altersverteilung aller ausgesiedelten, deutschen und nichtdeutschen Strafverdächtigen. Dabei sticht heraus, dass die Gruppe der Tatverdächtigen unter 21 Jahren in der Gruppe der Aussiedler in allen vier Regionen überrepräsentiert ist. Der Anteil der jungen Straftäter an der Gesamtzahl der ermittelten Straftäter aus der eigenen Herkunftsgruppe schwankt zwischen 26% in Bayern und 46% in Rheinland-Pfalz. Die Anteile der jungen Deutschen und Nichtdeutschen unter den Straftätern ihrer Herkunftsgruppen sind bedeutend niedriger. Die Studien … in Bayern sowie … in Nordrhein-Westfalen, aber auch Statistiken der Kreispolizeibehörde Lippe und eine Auswertung der PKS in Wolfsburg und Hannover heben zwei Risikogruppen unter den jugendlichen Aussiedlern hervor. Vor allem jugendliche (Gruppe von 14-17-Jährigen) und heranwachsende Aussiedler (18-21-jährige Aussiedler) sind demnach besonders gefährdet. Das Übergewicht der Straftäter im Jugendalter ist allerdings nicht nur für die Aussiedler spezifisch. Im Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht wird der Zusammenhang zwischen Alter und Kriminalitätsrisiko folgendermaßen formuliert: „Nach kriminalistisch-kriminologischen Befunden in der ganzen Welt ist kaum etwas in der amtlich registrierten Kriminalität von der Grundstruktur her so stabil wie die so genannte Alterskriminalitätskurve“ … .Danach steigt, vereinfacht gesagt, die Straffälligkeit im Jugendalter besonders beim männlichen Teil der Bevölkerung und sinkt mit dem Erreichen des 30. Lebensjahres der Straftäter rapide ab. … * Kriminalität der jungen Aussiedler im Vergleich zur Kriminalität der jungen Aussiedlerinnen Kriminalität betrifft in Deutschland überwiegend junge Männer. In der Langzeitperspektive fällt der Kriminalitätsanstieg bei jungen Männern stärker als bei jungen Frauen aus. … In der Gruppe der jungen Aussiedler zeigt sich ein ähnliches Geschlechterverhältnis. Die Studie in Hannover und Wolfsburg macht darauf aufmerksam, dass die TVBZ bei Mädchen ein Drittel bis die Hälfte niedriger ist als die der männlichen Vergleichsgruppe. Während männliche Jugendliche die höchste TVBZ im Alter zwischen 18 und 21 Jahren aufweisen, ist bei Mädchen die TVBZ für das Alter von 14 bis 17 Jahren besonders hoch. Mit fortschreitendem Alter geht die Schere bei den TVBZ zwischen ausgesiedelten Männern und Frauen immer stärker auseinander. Im Alter von 18 bis 30 Jahren sind die TVBZ der Männer 6,6 bis 9 mal so hoch wie die der Frauen. Auch die Analysen … für Niedersachsen, die auf der Grundlage polizeilicher Daten des Jahres 2003 durchgeführt worden sind, weisen in die gleiche Richtung. Der zentrale Befund ist, dass das Geschlechterverhältnis der tatverdächtigen Aussiedler im Vergleich zu den deutschen und ausländischen Tatverdächtigen deutlich verschoben war. Der Anteil männlicher jugendlicher Tatverdächtiger bis 30 Jahren war in der Aussiedlergruppe besonders hoch. Verhaltens- und Einstellungsstudien der jungen Aussiedler deuten darauf hin, dass die Kriminalitätsbelastung junger ausgesiedelter Frauen aufgrund der spezifischen Rollenbilder und aufgrund einer starken familiären Einbindung sehr niedrig und ein Anstieg nicht erwartbar sei. … Männliche Jugendliche haben niedrigere Hemmschwellen bezüglich der Gewaltanwendung bei verbalen Provokationen und fallen deshalb stärker mit ihrem Verhalten auf. Zdun (2007b) erklärt die niedrige Gewalt- und Konfliktbereitschaft der jungen weiblichen Aussiedler damit, dass bei den Aussiedlern ein relativ starker Familienzusammenhalt bestehe, so dass die jungen Frauen auch in Quartieren, in denen die Normen und Werte der Straßenkultur relevant seien, noch größtenteils in der Familie und nicht „auf der Straße“ sozialisiert werden. Dabei würden geschlechtsspezifische Sozialisationsnormen dem traditionellen Muster folgen: Frauen werden zur Passivität und Konsensorientierung und Männer zur Härte, Aggressivität und Gewaltbereitschaft in Auseinandersetzungen erzogen. … * Fazit zu Risikogruppen … – Laut den Ergebnissen verschiedener Studien, die primär Daten der regionalen PKS nutzen, sind männliche jugendliche Aussiedler im Alter zwischen 14 und 21 Jahren einem erhöhten Risiko ausgesetzt, eine Straftat zu begehen. Dabei liegt die Kriminalitätsbelastung der männlichen Aussiedlerjugendlichen aber auf einem ähnlichen Niveau wie die Kriminalitätsbelastung der deutschen männlichen Jugendlichen. In dieser Hinsicht folgt die Kriminalitätsbelastung der männlichen Aussiedlerjugendlichen einem allgemeinen Trend und stellt keinesfalls eine besorgniserregende Entwicklung dar. – Straffällig gewordene Aussiedlerjugendliche begehen überwiegend Diebstahl, Rohheitsdelikte, darunter insbesondere Raub und schwere Körperverletzung, und sind bei der Drogenkriminalität überrepräsentiert. Das abweichende Verhalten der jugendlichen männlichen Aussiedler zeichnet sich also durch schwerere Deliktformen aus. Es ist anzunehmen, dass deshalb das abweichende Verhalten der jungen Aussiedler öfter polizeilich registriert und bestraft wird. – Männliche Aussiedlerjugendliche sind im Strafvollzug überrepräsentiert. Die Ursachen für die höheren Inhaftierungsquoten bei den jugendlichen Aussiedlern werden zum einen im Übergewicht der besonders schweren Delikte, die unweigerlich eine Inhaftierung nach sich ziehen, gesucht. Aber auch das härtere Vorgehen der Gerichte bei den Verurteilungen wird für die erhöhte Präsenz der Aussiedlerjugendlichen im Strafvollzug verantwortlich gemacht. Männliche Aussiedlerjugendliche gehören eher zur Gruppe der Mehrfachtäter. Außerdem wird bei ihnen eine ansteigende Wiederkehrertendenz beobachtet: Einmal zu Freiheitsstrafen verurteilte Aussiedlerjugendliche tendieren dazu, innerhalb einer kurzen Zeit in die Strafvollzugsanstalten wiederzukehren. All dies weist darauf hin, dass straffällig gewordene männliche Aussiedlerjugendliche zu langfristigen Delinquenzkarrieren tendieren. Es bleibt dennoch ungeklärt, ob langfristige Delinquenzkarrieren der Aussiedler im Jugendalter zum schwerwiegenden Delinquenzverhalten im Erwachsenenalter führen. “ Den Volltext der Bestandsaufnahme entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Dokumente: wp12_kriminalitaet_aussiedler.pdf

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