Konjunkturpaket geschnürt. Nur wo bleibt die Bildung?

KEINE KONJUNKTUR FÜR BILDUNG? Zur Diskussion gestellt ein Kommentar zum Konjunkturpaket II Noch vor kurzem hatte Bildung in Deutschland Konjunktur. Bildung war „Chefsache“. Auf dem Bildungsgipfel der Kanzlerin am 22. Oktober 2008 wurde voller Aktionismus beschlossen, die Bildungs- und Forschungsausgaben bis zum Jahr 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben. Alles vergessen angesichts der Finanzkrise? In Rekordgeschwindigkeit wurde das erste Konjunkturpaket verabschiedet. Am 13. Januar 2009 erläuterte die Kanzlerin in einer Regierungserklärung die Vorhaben des zweiten Konjunkturpaketes. Der Bundestag und der Bundesrat müssen noch zustimmen. Damit nach dieser Milliardenunterstützung auf Pump Finanz- und Wirtschaftsweldt die Verschuldung nicht noch weiter ansteigt, soll eine Schuldenobergrenze eingeführt werden. Doch was heißt das für die dringend notwendigen Ausgaben zur Reform des Bildungssystems? Bleibt Bildung auf der Strecke? Ein Kommentar von Dr. Dieter Dohmen auf der Homepage des bildungsspiegel.de befasst sich mit dieser Problematik. Auszüge aus dem Kommentar von Dr. Dieter Dohmen (Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin) zum Konjunkturpaket II: “ „Wir hinterlassen den nachwachsenden Generationen einen Scherbenhaufen, verweigern einem Teil von ihnen aber den Besen, um diesen Scherbenhaufen zusammenzukehren.“ So könnte man – sicherlich etwas zugespitzt – die derzeitige Situation zusammenfassen. In kürzester Zeit hat die Bundesregierung ein riesiges Maßnahmenpaket zusammengeschnürt, um der Finanz- und Wirtschaftskrise zu trotzen. Höhere Bildungsausgaben, die dringend notwendig sind, werden auf die lange Bank geschoben und drohen auszubleiben, wenn die jetzt diskutierte Schuldenobergrenze eingeführt werden sollte. Hat Bildung keine Konjunktur mehr in Deutschland? In einer schier unglaublichen Geschwindigkeit hat die Bundesregierung ein Paket von fast 700 Milliarden Euro aufgelegt, um Banken und Unternehmen zu helfen und die Konjunktur anzukurbeln. Im ungünstigen Fall, wenn die Rettungsschirme tatsächlich fällig werden sollten, kann die Finanzkrise den derzeitigen Schuldenstand von knapp 1.600 Milliarden Euro um fast 700 Milliarden Euro erhöhen. Wahrscheinlich erscheint ferner, dass sich dieser Schuldenberg in den nächsten Jahren durch sinkende Steuereinnahmen und steigende Sozialausgaben aufgrund zunehmender Arbeitslosigkeit weiter erhöhen wird. Selbst wenn nun eine Schuldenobergrenze beschlossen werden sollte, gegen die grundsätzlich nichts einzuwenden ist, stellt sich die Frage, wie diese Beträge je zurückgezahlt werden sollen, wenn gleichzeitig jeder zwölfte Jugendliche das Schulsystem ohne Abschluss verlässt, jeder sechste keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann und viele junge Menschen keinen Ausbildungs- oder Studienplatz finden? Bleibt bei all dem noch Geld für die dringenden Reformen im Bildungssystem übrig? Zurzeit belaufen sich die Schulden je Bundesbürger … auf fast 20.000 Euro, sie werden sich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich erhöhen, so viel ist ziemlich sicher. … Die Gesamtwirtschaft steht und fällt aber mit den Menschen, ihren Qualifikationen und Kompetenzen. Die Zahl der Erwerbstätigen wird erheblich von der Arbeitslosigkeit und damit vom Bildungsniveau beeinflusst. Personen ohne Berufsausbildung haben ein deutlich überproportionales Arbeitslosigkeitsrisiko ein fehlender Schulabschluss erhöht das Risiko noch einmal deutlich. Dies wird auch in Zeiten eines Fachkräftemangels gelten die Unternehmen werden eher schrumpfen oder ins Ausland gehen, als dass sie junge Menschen ohne ausreichende Vorqualifikation einstellen werden. Derzeit verlassen bis zu 80.000 junge Menschen jährlich das Schulsystem ohne Abschluss. 20 Prozent der 15-Jährigen, das sind etwa 160.000 Personen, verfügen nicht über die grundlegenden Fähigkeiten, die sie zur Aufnahme einer Berufsausbildung benötigen. Und was sind die Maßnahmen der Politik, um diesen Missstand zu beseitigen? Sie bekundet, dass sie den Anteil der Schulabbrecher von derzeit acht auf vier Prozent bis 2015 verringern möchte. Bisher gibt es aber keine inhaltlichen Konzepte, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Stattdessen wird diskutiert, ob man den Förderschulabschluss nicht einfach als »normalen« Schulabschluss anerkennen soll. Zwar werden diese Jugendlichen dadurch nicht ausbildungsfähig oder besser vermittelbar, aber es poliert die Statistik. Auch hat die Bundesregierung beim Bildungsgipfel vorgeschlagen, die Bildungs- und Forschungsausgaben bis 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. … Da sich Bund und Länder beim Bildungsgipfel aber weder über das Ziel als solches noch über die Verteilung der Finanzlasten verständigen konnten, haben sie eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis Ende 2009 über mögliche Wege befinden soll. Fazit: Dringend notwendige Bildungsinvestitionen werden auf die lange Bank geschoben, teilweise zweifelhafte Maßnahmen in Namen der Finanz- und Wirtschaftskrise werden im Eiltempo beschlossen. Angesichts der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise für die öffentlichen Haushalte und der Diskussionen über eine Schuldenobergrenze ist auch zu befürchten, dass für die notwendigen Bildungsreformen kein Geld mehr da sein wird. Die nachwachsenden Generationen zahlen für das Versagen der Banker. … Nun soll hier nicht bestritten werden, dass akuter Handlungsbedarf besteht. Auch sollen die im Konjunkturprogramm enthaltenen Investitionen in den baulichen Zustand von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen nicht übersehen werden. So sinnvoll und notwendig diese grundsätzlich sind, sie führen nicht zu besseren Bildungsleistungen und mehr Schulabschlüssen. Wenn aber die nachfolgenden Generationen in die Lage versetzt werden sollen, den angehäuften Schuldenberg ihrer Vorfahren auch zu tilgen, dann müssen alle Kräfte mobilisiert werden, um junge Menschen zum Schulabschluss zu bringen und zur Berufsausbildung zu befähigen. Während andere Nationen ihre jungen Menschen immer höher qualifizieren, errichten wir immer neue Hürden und entlassen viel zu viele junge Menschen ohne Zukunft in das Erwerbsleben. Wenn wir aber ohnehin aus konjunkturellen Gründen etwas tun müssen, warum nutzen wir dann nicht die Gelegenheit und investieren in die Zukunft, statt nur für Fehler der Vergangenheit zu bezahlen? Im Klartext: Warum wird nicht der Ausbau des Ganztagsschulprogramms konsequent vorangetrieben? Der vollständige Ausbau aller Schulen zu gebundenen Ganztagsschulen würde rund 20 Milliarden Euro kosten … . Hierdurch könnten die Fördermöglichkeiten für bildungsbenachteiligte Kinder nachhaltig verbessert und ein Beitrag zur Verringerung der Zahl der Schulabbrecher geleistet werden. Da mehr Ganztagsschulen auch zusätzliches Lehr- und sonstiges Personal benötigen, … – gerade auch zugunsten benachteiligter Kinder -, wäre eine Qualifizierungsprogramm nicht nur für Lehr- und andere Fachkräfte sinnvoll. Für manche Tätigkeiten, wie die Essensausgabe oder die Pausenaufsicht, könnte man auch Personen mit geringeren Qualifikationen einstellen. Die erforderliche Qualifizierung könnte etwa aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden. Dies ist auf Dauer billiger als ein Arbeitloser, der die Volkswirtschaft durchschnittlich rund 18.000 Euro im Jahr kostet. Ein weiterer Punkt sind die Förderschulen: Die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen erfordert nach Einschätzung von Fachleuten die Abschaffung dieser Schulform und die Integration der bisherigen Förderschüler in die »normalen« Schulen. Die mit der Umrüstung von solchen Schulen verbundenen Umbaukosten dürften rund 2 Milliarden Euro kosten. Geht man davon aus, dass infolge der Integration die Klassen an den aufnehmenden Schulen kleiner werden sollten, sind wiederum Lehrkräfte und anderes Personal, Sozialarbeiter, Therapeuten etc. erforderlich. Auch dadurch würden also Arbeitschancen entstehen. Ähnliches gilt auch für die kaum noch aufzuhaltende Abschaffung der Hauptschulen, Dies sind nur einige Beispiele, welche Investitionen sinnvoll in das Konjunkturprogramm II aufgenommen und wie Kinder und Jugendliche befähigt werden könnten, ihre eigene Zukunft zu meistern und den hinterlassenen Scherbenhaufen zusammenzukehren. Im Unterschied zu einigen der bisher geplanten Maßnahmen haben die hier vorgeschlagenen Maßnahmen eine Kurz- undeine Langfristwirkung und sind daher geeignet, Deutschlands Zukunftsfähigkeit nachhaltig zu verbessern. …“ Den Kommentar in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte über aufgeführten Link.

http://www.bildungsspiegel.de/aktuelles/standpunkt-bildung-fuer-die-konjunktur-konjunktur-fuer-die-bildung.html?Itemid=262

Quelle: www.bildungsgipfel.de Standpunkt: Bildung für die Konjunktur

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