Empfehlungen zur Erziehung, Bildung und Betreuung von Schulkindern

Auszüge aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur öffentlichen Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern bis zum 14. Lebensjahr:
„(…) Begriffsklärung
Unter Schulkinderbetreuung versteht der Deutsche Verein Angebote der öffentlichen Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Schule für Kinder im schulpflichtigen Alter. Der Deutsche Verein präferiert einen ganzheitlichen Ansatz der Förderung und Unterstützung von Kindern und ihren Familien. (…) Bildung umfasst hierbei formale und informelle Bildungsprozesse wie auch formale und non-formale Bildungssettings. (…) Erziehung zielt darauf, Kinder in ihrer Werteorientierung, auf ihrem Bildungsweg und in ihrem Alltag zu begleiten und zu unterstützen. Bildung und Erziehung wird als Prozess des Aufbaus, des Einübens und der Vertiefung von sozialen, personalen, kulturellen und instrumentellen Kompetenzen sowie von Kompetenzen im Umgang mit Medien verstanden. Das hier zugrundeliegende Verständnis von Betreuung geht weit über Beaufsichtigung hinaus und verlangt einen Rahmen, der Kindern verlässliche, kontinuierliche Beziehungen zu den erwachsenen Bezugspersonen wie auch zu anderen Kindern ermöglicht. (…)

Anforderungen an die Qualität und Gestaltung der außerunterrichtlichen Angebote der Kinder- und Jugendhilfe und Schule
Unabhängig davon, welche Angebote und Einrichtungsformen für Kinder im Schulalter existieren, sind sie nach Auffassung des Deutschen Vereins am Wohlergehen der Kinder auszurichten. Die Betreuungsangebote müssen dabei den Lebenslagen und Bedürfnissen der Kinder, insbesondere denen mit besonderen Bedarfen und ihrer Familien Rechnung tragen. Eine zentrale Herausforderung besteht in der notwendigen Balance zwischen Aufsicht, Erziehung, Bildung, Betreuung und Fürsorge einerseits und dem alters- und entwicklungsabhängigen Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit andererseits. Dies bedeutet bspw., dass Kindern mit zunehmendem Alter die eigenständige Gestaltung von (Zeit-)Räumen ohne Erwachsene ermöglicht wird. (…)

Die zunehmende Zahl von gebundenen und offenen Ganztagsschulen stellt zudem eine hohe Anforderung an die Öffnung der Institution in das Gemeinwesen, um die Angebote freier und öffentlicher Träger der Kinder- und Jugendhilfe beispielsweise im sportlichen und kulturellen Bereich in das eigene Freizeitangebot zu integrieren sowie den Begegnungsraum der Kinder mit anderen Kindern aus dem Sozialraum entsprechend zu erweitern. Dies setzt seitens der Lehr- bzw. pädagogischen Fachkräfte/Kindertagespflegepersonen enge Absprachen mit den Eltern, Kindern und den Akteuren im Gemeinwesen voraus. (…)

Für das Wohlbefinden der Kinder ist Kontinuität in den sozialen Beziehungen wichtig – zu den Erwachsenen wie zur Kindergruppe. Dabei sind mit zunehmendem Alter vorrangig die selbstgewählten Freundschaften und Kooperationen von Bedeutung, weniger die gesamte Schulklasse oder Hortgruppe. Verlässlichkeit und Kontinuität stehen nicht selten in einem Spannungsverhältnis zu der von Eltern wie auch Kindern gewünschten und benötigten Flexibilität der Öffnungs- bzw. Betreuungszeiten. Im Austarieren zwischen Bedarfen und Erfordernissen gilt es, sich in erster Linie am Kind orientieren. (…)

Zur Sicherstellung des Bildungs- und Erziehungsauftrages, für die Zusammenarbeit mit den Eltern, Schulen und Akteuren im Gemeinwesen ist es nach Auffassung des Deutschen Vereins unerlässlich, über ausreichendes und gut qualifiziertes, pädagogisches Personal zu verfügen. Des Weiteren ist auch in der Schulkinderbetreuung die Entwicklung und Implementierung eines Qualitätsentwicklungs- und -sicherungssystems notwendig, welches gewährleistet, dass in den pädagogischen Angeboten die Förderung der Kinder und deren Entwicklungsbegleitung unter Berücksichtigung der elterlichen Bedarfe bestmöglich umgesetzt wird. (…)

Entwicklung eines gemeinsamen Rahmens der Erziehung, Bildung und Betreuung und zwischen Schule und Kinder- und Jugendhilfe
Schule und Kinder- und Jugendhilfe haben sich in Deutschland historisch gesehen unterschiedlich entwickelt. Ausgangspunkte sind die Schule als verpflichtendes Regelangebot, föderal ausgestaltet, mit einer etablierten Profession (…) und einem staatlich (…) kodifizierten Bildungs- und Erziehungsauftrag. Kinder- und Jugendhilfe ist ein heterogener Mix von freien und öffentlichen Trägern, überwiegend lokal situiert mit einer breiten Palette unterschiedlicher Berufsgruppen und einer Vielzahl an Aufgaben der Daseinsvorsorge. Gleichwohl setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Schule und Kinder- und Jugendhilfe ein- und demselben Ziel verpflichtet sind: der Bildung und dem Wohlergehen der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Beide stimmen darin überein, dass sie Institutionen/Angebote sind, in denen Kinder den größten Teil ihrer Lebenszeit verbringen, sie sich entfalten können und möglichst viele Kompetenzen erwerben sollten. ## Ausgehend von diesem Ziel (…) spricht sich der Deutsche Verein deshalb für die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Erziehung, Bildung und Betreuung sowie vom Kind und von Familie aus, welches sich in einem verbindlichem Rahmen für die Schule und die Kindertagesbetreuung auf Landesebene niederschlagen sollte.(… ). Die Verständigung über Inhalte und Ziele eines solchen Rahmens sollte in einem dialogischen Prozess zwischen allen beteiligten Akteuren und Ebenen erfolgen. Zugleich empfiehlt der Deutsche Verein die Umsetzung der Rahmenvereinbarung(en) mit einer Qualitätssicherung und -entwicklung zu flankieren.
## Der Deutsche Verein empfiehlt, die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Ministerien in den Ländern zu verstärken und das Thema Schulkinderbetreuung regelmäßig auf die Tagesordnungen sowohl der Jugend- als auch der Kultusministerkonferenz zu setzen mit dem Ziel, eine gemeinsame Empfehlung zur Sicherstellung und qualitativen (Weiter)Entwicklung der Schulkinderbetreuung zu erarbeiten. (…)
Sicherstellung und Weiterentwicklung der strukturellen, rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen ## Der Deutsche Verein spricht sich für den weiteren Ausbau der öffentlichen
Schulkinderbetreuung aus. Leitlinien und Orientierungsrahmen müssen dabei
die kindlichen Bildungs- und Entwicklungsbedarfe, die Umsetzung der UN-Kinderrechts-
wie auch der UN-Behindertenrechtskonvention sein.
## Des Weiteren fordert er eine gemeinsame integrierte Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung, die neben der quantitativen Schaffung von Plätzen unbedingt auch qualitative Aspekte beinhaltet. (…)
## Der Deutsche Verein empfiehlt zudem die Prüfung eines Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz für Kinder
im Schulalter. (…)
## Der Deutsche Verein fordert die Länder auf, die vom Bund durch dessen Kostenübernahme des BAföG frei werdenden Mittel auch für den weiteren Ausbau und die Sicherstellung eines qualitativ guten Schulkinderbetreuungsangebotes
zu nutzen. (…)
Fazit
Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern im Schulalter in öffentlichen, außerunterrichtlichen Angeboten ist weitgehend eine statistische und fachwissenschaftliche Black-Box. Daher sollte das Thema Schulkinderbetreuung auf die wissenschaftliche und fachpolitische Agenda gesetzt werden. Das „Zusammendenken“ der beiden Systeme Schule und Kinder- und Jugendhilfe muss verstärkt werden. Ein Weg dahin ist die Entwicklung eines gemeinsamen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsverständnisses, eines an dessen Bedarfslagen orientierten Verständnisses vom Kind und die stärkere Einbeziehung von Eltern. Soweit heute der Ausbau der offenen Ganztagsschule im Mittelpunkt der Schulentwicklung steht, sollte die konzeptionelle Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten wie auch die Rhythmisierung des Ganztags weiter vorangetrieben werden. Dabei ist aus Sicht des Deutschen Vereins die institutionelle und strukturelle Verankerung dieser Aufgabe keineswegs abschließend entschieden. (…)“

Die Empfehlungen in vollem Textumfang entnehmen Sie dem Anhang.

www.deutscher-verein.de

Quelle: Deutscher Verein

Dokumente: DV614Schulkinderbetreuung.pdf

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