Schnittstellenprobleme der Sozialgesetzbücher beseitigen

Auszüge aus dem Positionspapier des DCV zum Schnittstellenmanagement in den Sozialgesetzbüchern:
„(…) Problemstellung
Die Praxiserfahrung zeigt, dass viele junge Menschen durch die bestehenden Förderangebote nicht (mehr) erreicht werden. Sie brauchen komplexe Hilfsangebote, die nicht alleine auf die Integration in Ausbildung und Arbeit abzielen, sondern ihre Entwicklung zu einem selbstverantwortlichen Leben fördern, ihnen eine verlässliche Begleitung bieten und flexibel auf ihre individuellen Förderbedarfe und ihre Lebenssituation eingehen. (…)

Das Gesetz sieht umfangreiche Leistungen für beeinträchtigte und benachteiligte junge Menschen vor, die ihre Berufsausbildung fördern. Jedoch sind die Zuständigkeiten dafür sowie die verschiedenen Aufgabenbereiche in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. Die Agenturen für Arbeit bzw. die Jobcenter sind im Rahmen des SGB III und SGB II für die Integration in Arbeit und Ausbildung von jungen Menschen zuständig. Vergleicht man die Zielsetzungen des SGB II und III mit denen des SGB VIII, zeigt sich, dass die Ziele der Jugendhilfe weiter reichen. Haben das SGB II und SGB III vordringlich die Vermeidung oder Verkürzung der Hilfebedürftigkeit und die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit im Blick, greift das SGB VIII weiter. Gemäß SGB VIII haben junge Menschen ein Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Ein wichtiger Aspekt, damit die jungen Menschen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten reifen können, ist dabei auch die berufliche Integration.(…)

Oft stellt sich die Frage, welcher Sozialleistungsträger für den konkreten Fall zuständig ist. In diesem „Bermudadreieck“ können die jungen Menschen leicht verloren gehen, wenn jeder in Betracht kommende Sozialleistungsträger die Zuständigkeit ablehnt und auf die anderen verweist. (…)

Gegenwärtig gibt es in den einzelnen Sozialgesetzbüchern Regelungen, die eine solche Zusammenarbeit unterschiedlicher Leistungsträger zwar grundsätzlich zulassen. (…) In der Praxis wird jedoch von dieser Möglichkeit der Kooperation und Abstimmung nicht in ausreichendem Umfang Gebrauch gemacht. Momentan hängt sie von der jeweils vor Ort in sehr unterschiedlichem Ausmaß gepflegten Kooperation oder gar der Eigeninitiative und der Motivation einzelner Personen ab. (…)

Bewertung

Es ist dringend geboten, dass die Sozialleistungsträger aus den Bereichen SGB II, SGB III, SGB VIII und SGB XII im Interesse der optimalen Förderung und Unterstützung von jungen Menschen besser zusammenarbeiten, damit die jungen Menschen, die Beratungs- und Unterstützungsleistungen benötigen und möchten, passgenau und individuell gefördert werden können.

Zielführend wäre es, in allen Kommunen bzw. Jobcentern gemeinsame Anlaufstellen für junge Menschen zu schaffen, an der alle Förder- und Hilfsangebote gebündelt sind. (…) Viele SGB II-Träger haben in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren sogenannte „Arbeitsbündnisse Jugend und Beruf“ – inzwischen besser bekannt unter dem Namen „Jugendberufsagenturen“ – eingerichtet. (…)

Durch eine gemeinsame Koordinierungsstelle bzw. durch die lokal geregelte Zusammenarbeit wird gewährleistet, dass die Angebots- und Maßnahmeplanung von den Trägern der Jugendhilfe, den Kommunen, Trägern der Grundsicherung und den Arbeitsagenturen gemeinsam erfolgt. Fachliche Partner müssen dabei unbedingt auch die freien Träger der Jugendhilfe sein. Außerdem müssen die Beratungs- und Unterstützungsangebote im Sozialraum eng miteinander vernetzt sein. Sinnvoll ist die Einrichtung von rechtskreisübergreifenden Fallkonferenzen. Für die unkomplizierte und zeitnahe Erbringung gemeinsam gestalteter und finanzierter Förderangebote ist es wichtig, dass in jedem Rechtskreis ein bedarfsgerechtes und zugleich flexibles Budget für gemeinsam finanzierte Aufgaben eingerichtet wird. Im Idealfall beginnt die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Leistungsträger bereits bei der Ermittlung des individuellen Bedarfs. Durch eine umfassende trägerübergreifende Bedarfsermittlung, an der die jungen Menschen bzw. ihre gesetzlichen Vertreter beteiligt werden könnten, könnten die einzelnen Angebote der Träger passgenau auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden, ohne dass Lücken oder Doppelungen entstehen. (…)

Ziel der koordinierten Hilfeplanung ist es, allen jungen Menschen eine Berufsausbildung zu ermöglichen und Maßnahme- und Ausbildungsabbrüche zu verringern und auf diese Weise eine positive Lebensperspektive zu eröffnen. (…)

Eine koordinierte Hilfeplanung (…) kann nur regelhaft gelingen, wenn die gesetzliche Verpflichtung zur Kooperation in allen für die Jugendlichen relevanten Rechtskreisen verankert und konkreter beschrieben ist. (…)

Lösung
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und Leistungen nach dem SGB II oder SGB III bekommen, sollen eine umfassende Förderung und Unterstützung durch ergänzende Leistungen nach dem SGB VIII und SGB XII erhalten können. Um dies zu gewährleisten, ist die Verpflichtung zur Kooperation und Zusammenarbeit der verschiedenen Sozialleistungsträger zu stärken. Insbesondere braucht es eine gemeinsame Angebots- und Maßnahmeplanung, nach Möglichkeit gemeinsame Anlaufstellen oder alternativ zumindest Fallkonferenzen. Daher sind die gesetzlichen Vorschriften zur Zusammenarbeit wie folgt zu ergänzen: ## In das SGB III ist ein neuer § 9b einzufügen:
Die Agenturen für Arbeit sind verpflichtet, bei der Arbeitsförderung von jungen Menschen, die
das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, insbesondere mit Trägern der Sozialleistungen nach dem Achten und Zwölften Buch sowie den für die Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen gemeinsamen Einrichtungen und zugelassenen kommunalen Trägern im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit erfolgt insbesondere durch eine abgestimmte Planung von Maßnahmen und Angeboten, durch gemeinsame Anlaufstellen oder durch Fallkonferenzen; dabei entscheiden die örtlichen Gegebenheiten über die konkrete Form der Zusammenarbeit. Die Wünsche der jungen Menschen sind dabei angemessen zu berücksichtigen.

## In das SGB VIII ist ein neuer § 81a einzufügen:
Bei der Erbringung von Leistungen an junge Menschen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, insbesondere mit Trägern der Leistungen nach SGB II, SGB III und SGB XII zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit erfolgt insbesondere durch eine abgestimmte Planung von Maßnahmen und Angeboten, durch gemeinsame Anlaufstellen oder durch Fallkonferenzen der zuständigen Träger. Die Wünsche der jungen Menschen sind dabei angemessen zu berücksichtigen.
## § 13 Abs. 4 SGB VIII (Jugendsozialarbeit) ist wie folgt zu ändern:
Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Träger der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch, der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung
sowie den Trägern von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden. § 81a SGB VIII gilt entsprechend.
## In § 18 SGB II ist ein neuer Absatz 3 einzufügen:
Bei der Erbringung von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit an junge Menschen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind die Agenturen für Arbeit verpflichtet, unter Berücksichtigung ihrer Aufgaben nach dem Dritten Buch mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, insbesondere mit den Trägern von Leistungen nach dem Achten und Zwölften Buch, zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit erfolgt insbesondere durch eine abgestimmte Planung von Maßnahmen und Angeboten, durch gemeinsame Anlaufstellen oder durch Fallkonferenzen; dabei entscheiden die örtlichen Gegebenheiten über die konkrete Form der Zusammenarbeit. Die Wünsche der jungen Menschen sind dabei angemessen zu berücksichtigen.
## In § 68 SGB XII ist Absatz 1 entsprechend zu ergänzen:
(1) Die Leistungen umfassen alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigten und ihre Angehörigen, Hilfen zur Ausbildung, Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes sowie Maßnahmen bei der Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung. Zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen ist in geeigneten Fällen ein Gesamtplan zu erstellen. Bei der Erbringung von Leistungen nach Satz 1 an junge Menschen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind die Sozialhilfeträger verpflichtet, mit den Trägern des Zweiten, Dritten und Achten Buches zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit erfolgt insbesondere durch eine abgestimmte Planung von Maßnahmen und Angeboten, durch gemeinsame Anlaufstellen oder durch Fallkonferenzen; dabei entscheiden die örtlichen Gegebenheiten über die konkrete Form der Zusammenarbeit. Die Wünsche der jungen Menschen sind dabei angemessen zu berücksichtigen. (…)“
Um die berufliche Integration Jugendlicher zu verbessern, fordert der Caritasverband einen Rechtsanspruch auf entsprechende Leistungen. Darüber werden die „Jugendsozialarbeit News“ in ihrer nächsten Ausgabe am 20. April 2015 bericht.

Quelle: Deutscher Caritasverband

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