Im Juni 2014 waren knapp zwei Millionen Leistungsberechtigte in der Grundsicherung für Arbeitsuchende als arbeitslos registriert. Rund die Hälfte von ihnen (47,4 %) war langzeitarbeitslos. Schätzungen zufolge haben rund 100.000 bis 200.000 der Langzeitarbeitslosen im SGB II kaum mehr realistische Chancen am ersten Arbeitsmarkt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) analysiert, ob geförderte Beschäftigung, wie Ein-Euro-Jobs oder der Beschäftigungszuschuss soziale Teilhabedefizite für diese Menschen beheben können.
Ähnelt die Maßnahme einer regulären Erwerbstätigkeit, steigt die Wahrscheinlichkeit verbesserter Teilhabe
Die Arbeitsmarktexperten kommen zu dem Ergebnis, dass sich öffentlich geförderte Beschäftigung zwar teilweise deutlich von regulärer Erwerbsarbeit unterscheidet, aber sie dennoch zur Verbesserung sozialer Teilhabe beitragen kann. Das gilt vor allem dann, wenn die Maßnahme freiwillig aufgenommen wird, einen vergleichsweise hohen Stundenumfang aufweist und insgesamt einer regulären Erwerbstätigkeit möglichst ähnlich ist.
Auszüge aus dem IAB-Kurzbericht „Mehr soziale Teilhabe durch geförderte Beschäftigung?“ von Bernhard Christoph, Stefanie Gundert, Andreas Hirseland, Christian Hohendanner, Katrin Hohmeyer und Philipp Ramos Lobato:
„(…) Rahmenbedingungen von Ein-Euro-Jobs und Beschäftigungszuschuss
Dass geförderte Beschäftigung (…) Teilhabedefiziten entgegenwirken kann, ist keineswegs selbstverständlich. (…) Bei den Ein-Euro-Jobs handelt es sich um eine sozialrechtliche Fördermaßnahme, die in den ersten Jahren nach Einführung des SGB II in großem Umfang zum Einsatz kam. So waren zwischen 2006 und 2010 noch deutlich über eine halbe Million Zugänge jährlich zu verzeichnen. Bis zum Jahr 2013 ist diese Zahl auf rund 280.000 gesunken. Die Teilnehmer erhalten neben den ALG-II-Leistungen eine Aufwandsentschädigung, die in der Regel einen bis zwei Euro pro Stunde beträgt. Berücksichtigt man den Stundenumfang von üblicherweise bis zu 30 Stunden pro Woche, ergibt sich eine monatliche Mehraufwandsentschädigung von durchschnittlich 150 Euro. Auch wenn diesen Mehreinnahmen erhöhte Ausgaben gegenüberstehen (z. B. Fahrtkosten oder Ausgaben für Arbeitskleidung), ist davon auszugehen, dass sie die finanzielle Situation der Maßnahmeteilnehmer insgesamt verbessern. (…)
Die arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen dieses Instruments umfassten anfänglich sowohl die Erhöhung der Arbeitsmarktchancen als auch die Überprüfung der Arbeitsbereitschaft der Leistungsempfänger sowie die Verbesserung ihrer sozialen Teilhabe. Mit den 2012 erfolgten Gesetzesänderungen wurden die Zielsetzungen gestrafft, sodass nur das erste der genannten Ziele weiterhin besteht.
Demgegenüber verfolgte der 2007 eingeführte und im Frühjahr 2012 in die „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ überführte Beschäftigungszuschuss ein anderes Ziel. Konzipiert für langzeitarbeitslose Leistungsberechtigte ohne realistische Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt, sollte er „dauerhafte, sinnvolle und gesellschaftlich anerkannte Beschäftigungsmöglichkeiten“ eröffnen. Dazu wurden die Rahmenbedingungen des Beschäftigungszuschusses am Modell des „Normalarbeitsverhältnisses“ ausgerichtet: Gefördert wurden Arbeitsverhältnisse bei gemeinnützigen wie privatwirtschaftlichen Arbeitgebern, die (…) sozialversicherungspflichtig waren, häufig in Vollzeit ausgeübt und tariflich bzw. ortsüblich entlohnt werden sollten. (…) Nach einer zunächst zweijährigen Befristung konnte die Förderung unbefristet fortgesetzt werden, sofern die Aufnahme regulärer Beschäftigung weiterhin ausgeschlossen war (…). In den beiden Jahren 2008 und 2009 waren jährlich über 25.000 Zugänge in so geförderte Arbeitsverhältnisse zu verzeichnen. Insgesamt belief sich die Zahl der Förderfälle auf etwa 64.000.
Teilhabe durch geförderte Beschäftigung
(…) Die beiden Formen geförderter Beschäftigung können – trotz aller Unterschiede zu einer regulären Erwerbstätigkeit – unter bestimmten Umständen einen Beitrag zur Verbesserung der sozialen Teilhabe der Maßnahmeteilnehmer leisten. (…) Es wird deutlich, dass eine geförderte Beschäftigung die soziale Integration der Teilnehmer insbesondere dann begünstigt, wenn sie sich – wie beim früheren Beschäftigungszuschuss der Fall – an regulärer Erwerbsarbeit orientiert und eine flankierende Unterstützung durch die Jobcenter aufweist.
Ein zentraler Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Freiwilligkeit der Teilnahme. Am Beispiel der Ein-Euro-Jobs sieht man, dass der Zugangsweg zur Förderung nicht nur in Zusammenhang mit der subjektiven Bewertung der Maßnahme steht, sondern auch mit dem Erleben gesellschaftlicher Teilhabe insgesamt: Ein-Euro-Jobs gehen vor allem dann mit einem höheren Teilhabeempfinden einher, wenn die Geförderten freiwillig, also nicht bloß zur Vermeidung von Sanktionen des Jobcenters, an der Maßnahme teilnehmen und wenn sie sich von den Mitarbeitern der Jobcenter unterstützt fühlen. Daher kann es im Sinne der sozialen Teilhabe problematisch sein, wenn eine Maßnahme wie die Ein-Euro-Jobs gleichzeitig zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft eingesetzt wird.
Darüber hinaus spielt die formale Ausgestaltung der Maßnahme eine zentrale Rolle. Bei den Ein-Euro-Jobs wurde auch deutlich, dass eine Erhöhung des Teilhabeerlebens insbesondere dann festgestellt werden kann, wenn die Maßnahme länger dauert oder eine höhere Wochenarbeitszeit aufweist. Die längere Förderdauer wird im Hinblick auf die soziale Integration auch beim Beschäftigungszuschuss als relevant erachtet. Als weitere teilhabefördernde Aspekte kommen hier Form und Höhe der Vergütung sowie die zumindest temporäre Überwindung des ALG-II-Bezugs hinzu. (…)
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass geförderte Beschäftigung das Potenzial besitzt, Teilhabedefizite gerade jener Leistungsempfänger zu mildern, die kaum realistische Beschäftigungschancen auf dem ersten Arbeitsmarkt aufweisen.“
Quelle: IAB