Empfehlungen der UNESCO-Kommission für Deutschland

Politische Entwicklungen voranbringen
„Inklusive Bildungssysteme und Gesellschaften können nur verwirklicht werden, wenn sich politische Entscheidungsträger auf allen Ebenen der Notwendigkeit inklusiver Bildung bewusst sind und sicher ihrer Umsetzung verpflichtet fühlen. Die UNESCO empfiehlt grundlegende Analysen zu Ausgrenzungsmechanismen mittels verlässlicher Datensysteme und Datenerhebungsmethoden. Als Konsequenz aus den Analysen sind klare politische Vorgaben abzuleiten und Gelder bereit zu stellen. Bisher sind politische Vorgaben unklar definiert und inklusive Bildung wird vorrangig auf Behinderungen bezogen. Das greift zu kurz. Es geht um die Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe für Alle. Es gibt zahlreiche Themen, die aufgegriffen werden müssten, um inklusive Bildung in angemessener Art und Weise innerhalb des Politikkreislaufs zu positionieren. Aber egal, wo man anfängt, ein ganzheitliches Bildungssystem kann nur gelingen, wenn bei allen Beteiligten Einvernehmen über die gemeinsame Vision besteht. Diskussion, Austausch und Informationsfluss muss auf allen Gesellschaftsebnen erfolgen.

Der Wandel zu einem inklusiven Bildungssystem vollzieht sich graduell und sollte auf klaren Prinzipien beruhen. Diese Prinzipien sollten sich auf systemweite Entwicklung und multisektorale Ansätze auf allen Gesellschaftsebenen beziehen. Inklusionsbarrieren können erst reduziert werden, wenn politische Entscheidungsträger auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, Beschäftigte im Bildungswesen, Lernende und Eltern, zivilgesellschaftliche Akteure, die Wissenschaft und andere gesellschaftliche Akteure zusammenarbeiten. Dies beinhaltet auch die aktive Teilhabe von Menschen vor Ort, beispielsweise von politischen und religiösen Autoritäten, Vertretern der Schulämter und den Medien.

Einige wichtige Schritte sind: ## Situationsanalysen auf Bundes-, Landes-, und kommunaler Ebene durchführen, um zu bestimmen, welche Handlungsspielräume und Ressourcen vorliegen, und wie letztere zur Förderung von inklusiver Bildung eingesetzt werden sollen;
## Die Gesetzgebung in Einklang mit relevanten internationalen Übereinkommen, Empfehlungen und Erklärungen bringen, um inklusive Bildung zu unterstützen;
## Für das Recht auf inklusive Bildung sensibilisieren;
## Kompetenzaufbau vor Ort unterstützen, um die Entwicklung auf dem Weg zur inklusiven Bildung voranzutreiben;
## Die Ausbildung von Fachkräften im Bildungssystem im Hinblick auf Inklusion überprüfen;
## Kurz- und mittelfristig ausreichend Fachkräfte durch qualifizierende Fortbildungen darin unterstützen, Vielfalt nicht als Problem, sondern als Chance für die Bildung und jeden Einzelnen zu begreifen;
## Konsens über die Konzepte inklusive Bildung und Bildungsqualität herstellen;
## Methoden entwickeln, um die Wirkung von inklusiver und qualitativ hochwertiger Bildung zu messen.
(…) Inklusion erfordert zunächst einmal eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Einstellungen und Werten. Solch ein Wandel braucht Zeit und erfordert erhebliche Neubewertungen von Konzepten und Rollenverhalten. Die Bewusstseinsbildung sollte auf einem klaren, gemeinsamen Verständnis von inklusiver Bildung aufbauen und das Ziel einer toleranten und offenen Gesellschaft verfolgen: (…) Kritische Bestandsanalysen, nationale Richtlinien zur Inklusion, lokale institutionelle Unterstützung und geeignete Curricula sind zentrale Aspekte, um den notwendigen Kontext für Inklusion zu schaffen.

Bildungsinstitutionen sollten sich nicht als die alleinigen Experten für Bildung begreifen. Ebenso wenig sollten solch überhöhte Erwartungen von außen an Kindergärten, Schulen und Ausbildungsinstitute herangetragen werden. Es braucht ein Verständnis vom Zusammenspiel der Bildungseinrichtung mit ihrem politischen, sozialen und institutionellen Umfeld, um den Wandel hin zur inklusiven Gesellschaft auf möglichst viele Schultern zu verteilen. (…)

Lehrkräfte, andere Pädagogen, unterstützendes Personal, Eltern, Kommunen, Schulbehörden, Entwickler von Curricula, Bildungsplaner, Unternehmen und Ausbildungsinstitute sind sehr wichtig für die Förderung von Inklusion. Einige (…) sind noch mehr als das: Sie sind unverzichtbar, um alle Aspekte des Inklusionsprozesses zu unterstützen. Dies erfordert den Willen, Vielfalt zu akzeptieren und willkommen zu heißen, sowie innerhalb als auch außerhalb der Bildungseinrichtung eine aktive Rolle im Leben der Lernenden einzunehmen. Die hauptverantwortlichen Akteure benötigen gleichzeitig die Unterstützung aller Beteiligten. (…)

Der Aus-, Weiter- und Fortbildung des pädagogischen Fachpersonals aller Bildungsstufen kommt bei der Umsetzung inklusiver Bildung eine zentrale Rolle zu. Auf welche Weise Erzieher die Grundsteine für die Bildungslaufbahn von Kindern legen und auf welche Weise Lehrkräfte unterrichten, ist grundlegend für Inklusion im Bildungswesen. Lehrkräfte müssen sicherstellen, dass alle Lernenden die angewandten Instruktionen und Arbeitsmethoden verstehen. Gleichsam müssen Lehrkräfte selbst in der Lage sein, die Reaktionen der Lernenden zu deuten und geeignet darauf zu reagieren. Dabei muss die Lehrkraft der Vielfalt von unterschiedlichen Lern- und Leistungsvoraussetzungen der Lernenden Rechnung tragen. Im Hinblick auf diese vielfältigen Anforderungen muss das pädagogische Fachpersonal aus- und weitergebildet werden. (…) Die Aufgabe der Professionalisierung der Fachkräfte bezieht sich zudem nicht nur auf die Rekrutierung, Ausbildung und Berufseinführung des Personals, sondern in ganz besonderer Weise auch auf die Fort- und Weiterbildung des bereits gegenwärtig im Bildungswesen arbeitenden Personals. Inklusives Lernen benötigt zudem heterogene Lehrteams. Lehr- und Führungskräfte aller Bildungsstufen müssen ermutigt werden, Lernen und Lehren sowie Methoden und Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung zu diskutieren. (…)

Für eine gelungene Umstellung zur Inklusion als Leitprinzip sollten die Einstellungen aller Beteiligten positiv beeinflusst werden. Der Aufbau von Vertrauen zwischen Eltern und Lehrpersonal und die kollegiale Zusammenarbeit von sonderpädagogischem Förderpersonal und regulären Lehrkräften ist dabei von großer Bedeutung.

Lehrkräfte, Erzieher, andere Pädagogen und unterstützendes Personal müssen dazu ausgebildet werden, Kinder, Jugendliche und Erwachsene in ihrer Entwicklung und ihren Lernprozessen tagtäglich zu unterstützen. Die Gestaltung von inklusiven Lehreinheiten und der Umgang mit Diversität sollten deshalb ein wesentlicher Bestandteil der Erstausbildung des pädagogischen Fachpersonals sein. (…) Außerdem erfordern flexible Lehr- und Lern-Methoden eine Verlagerung von einer langen theoretischen Ausbildung vor dem Berufseintritt hin zu einer kontinuierlichen berufsbegleitenden Weiterentwicklung. (…)

Der Politik kommt bei der Einführung einer umfassenden inklusionsorientierten Ausbildung für Erzieher und Lehrkräfte eine wesentliche Rolle zu. Insbesondere müssen studiengangsübergreifende Konzepte für die Erstausbildung von Lehrkräften erarbeitet und verpflichtende Weiterbildungsmöglichkeiten in den einzelnen Bundesländern verankert werden. (…) „

Die Leitlinien für die Bildungspolitik in vollem Textumfang entnehmen Sie dem Anhang.

Quelle: Deutsche UNESCO-Kommission

Dokumente: 2014_Leitlinien_inklusive_Bildung.pdf

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