Im Laufe der Jahre hat sich der Übergang von der Schule in die Berufswelt stark verändert. Lebensläufe sind im Zuge gesellschaftlicher Modernisierung stärker entstandardisiert, stärker individualisiert und fragmentiert worden. Ausbildungsorte und -inhalte haben sich ebenso wie Einstiegswege und Anschlussmöglichkeiten pluralisiert, und die Anforderungen in Bezug auf fortlaufende Weiterqualifizierung und hohe zeitliche und räumliche Flexibilität sind gewachsen.
Die Gestaltung von pluralisierten Übergangswegen ist für alle jungen Menschen mit zunehmenden Risiken und Unsicherheiten behaftet. Jedoch sind die Fähigkeiten und Ressourcen für die Gestaltung und Bewältigung dieser Übergänge sozial ungleich verteilt. Ohne eine individuell ausgerichtete Förderung gelingt benachteiligten oder bereits ausgegrenzten jungen Menschen dieser Übergang meist nicht direkt, und die bereits bestehende Chancenungerechtigkeit wird an dieser Schwelle verstärkt oder verfestigt.
Mit einem konsequentem Blick auf die Bedürfnisse junger Menschen und der Aktzeptanz von Vielfalt und Unterschiedlichkeit als Normalität wird eine inklusive Gesellschaft für alle Jugendlichen möglich. Die Leitlinien für eine Pädagogik der Inklusion zeigen die notwendigen Rahmenbedingungen auf, definieren das Verständnis von „Inklusion“ und verdeutlichen, dass eine Pädagogik der Inklusion auch immer eine politische Pädagogik ist.
Auszüge aus den Leitlinien für eine Pädagogik der Inklusion:
“ (…) Prinzipien einer Pädagogik der Inklusion
und authentisches Sich-Einlassen der Fachkraft wird dem jungen Menschen ermöglicht, Zugang zu seinen Anliegen und Stärken zu finden.
## Eine Pädagogik der Inklusion eröffnet jungen Menschen die Möglichkeit, sich selbst zu vertreten. (…) Der Ausgangspunkt der individuellen Beratung sind die von jungen Menschen eingebrachte Anliegen und die von ihnen anvisierten Lösungen. Die pädagogische Fachkraft bietet Reflexions- und Auseinandersetzungsprozesse an. Gemeinsam werden Lösungsschritte und ein Förderplan erarbeitet. Im gemeinsamen Tun mit anderen müssen jungen Menschen Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen werden. Sie werden dabei unterstützt, ihre Interessen zu artikulieren, sich mit anderen auszutauschen, sich zu einigen und letztendlich sich selbst zu vertreten. Beispiele hierfür sind Schülervertretungen, Klassenrat oder eine Konferenz im Mädchentreff.
## Eine Pädagogik der Inklusion vermittelt Zugehörigkeitsgefühl. Leider erfahren junge Menschen bereits in der Schule, dass sie nicht dazu gehören. Nicht nur durch die Leistungsbewertungen der Schule werden sie ausgegrenzt, sondern auch von Gleichaltrigen oder anderen gesellschaftlichen Gruppierungen. Das Zusammenkommen mit anderen jungen Menschen, die gleiche oder ähnliche Erfahrungen durchleben müssen, bestärkt diese jungen Menschen, und sie können – manchmal zum ersten Mal in ihrem Leben – ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln. In diesem Sinne ist es zielführend, in einem begrenzten Zeitraum Angebote zu entwickeln, die sich nur an diese Zielgruppe richten. (…)
## Eine Pädagogik der Inklusion setzt inklusive Ansätze und Methoden ein. Sowohl schulische als auch außerschulische Bildungsprozesse sind oftmals darauf ausgerichtet, dass junge Menschen Wissen und Kenntnisse und darüber Zertifikate erwerben.
Entsprechend kognitiv ausgerichtet sind oftmals der Kenntniserwerb und der pädagogische Prozess. Junge Menschen, die andere Lernzugänge und -weisen haben, werden so von Bildungsprozessen ausgeschlossen. Bildungsprozesse müssen auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Handwerklich oder künstlerisch orientierte Tätigkeiten bieten Möglichkeiten zur Selbsterfahrung und Selbstbestätigung. Methodisch gut geeignet sind vor allem auch Projekte, die nicht nur auf Sprache zentriert sind, sondern Bilder sprechen lassen. Diese können den Ausgangspunkt bilden für die Reflexion von Alltagsherausforderungen. Theater-, Foto- und Filmprojekte sind hier geeignet. (…)
## Eine Pädagogik der Inklusion eröffnet Zugänge. (…)Pädagogische Fachkräfte eröffnen jungen Menschen Kontakte zu kulturellen und Freizeitangeboten, aber auch zu Ämtern,
Beratungsstellen und Betrieben. Über Schlüsselpersonen (…) müssen ihnen Zugänge in für sie wichtigen Einrichtungen erschlossen werden. (…)
## Eine Pädagogik der Inklusion wirkt der Exklusion entgegen. Oberstes Ziel der Pädagogik ist es, Inklusion zu verwirklichen. Dies schließt ein, in pädagogischen Prozessen, in Angeboten und beim Entwickeln von Konzepten, aber auch bei der Selbstdarstellung und Öffentlichkeitsarbeit zu überprüfen, ob diese Exklusion fördern oder verhindern. Hierzu ist es erforderlich, die Planungen in einen globalen Bezug zu setzen und Konsequenzen für das lokale Handeln abzuleiten. Der Jugendsozialarbeit obliegt es nicht allein, Exklusion zu verhindern. Jedoch kann sie in ihren Prozessen und ihrem Auftreten überprüfen, ob das gewählte Vorgehen der Exklusion entgegen wirkt und ihr pädagogisches und politisches Handeln entsprechend ausrichten. (…)
## Eine Pädagogik der Inklusion basiert auf fachlichen Standards. Die bisher geltenden fachlichen Standards in der Gestaltung des Übergangs basieren vorrangig auf der Integration benachteiligter junger Menschen in den Arbeitsmarkt. Die Bedingungen für diese Integration werden von den Bedarfen des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts geprägt sowie von den Vorgaben der Kostenträger. In der Jugendsozialarbeit müssen neue fachliche Standards in einem inklusiven System entwickelt werden. Hierfür werden die Anforderungen von den Entwicklungs- und Bildungsprozessen der jungen Menschen abgeleitet und nicht von der Maßnahme. In diesem Kontext muss auch die Rolle der Jugendsozialarbeit neu beschrieben werden.
## Eine Pädagogik der Inklusion erfordert gesetzliche Rahmenbedingungen. Junge Menschen – besonders benachteiligte – benötigen eine individuelle Unterstützung, bis sie ihre Probleme bewältigt haben und in ihrem Beruf etabliert sind. Für die Gewährleistung einer individuellen Unterstützung ist es notwendig, einen individuellen Rechtsanspruch einzuführen. Eventuell kann der §13 SGB VIII in diesem Sinn erweitert werden, und junge Menschen können ein persönliches Budget für individuelle Begleitung erhalten.
## Eine Pädagogik der Inklusion beinhaltet regionale Koordination und Steuerung. Junge Menschen müssen auf ihre Persönlichkeit abgestimmte Bildungs- und Hilfsangebote erhalten. Hierfür müssen die Bedarfe der jungen Menschen erfasst und die Angebotsstruktur entsprechend weiterentwickelt werden. Eine regionale Koordinierungs- und Steuerungsstelle übernimmt die Aufgabe, für junge Menschen Bildungs- und Hilfsangebote sowie Angebote zur Eingliederung in das Erwerbsleben bzw. alternative Arbeitsangebote bereit zu stellen.
einzubringen. Junge Menschen werden darin unterstützt, ihre Interessen und Bedarfe gegenüber politisch Verantwortlichen zu artikulieren.
Dafür werden geeignete Gelegenheiten geschaffen.
## Eine Pädagogik der Inklusion bedeutet auch politische Öffentlichkeitsarbeit. Über Medien werden oft nur negative Bilder und Informationen über sozial benachteiligte junge Menschen transportiert und bestehende Vorurteile verstärkt. Kaum beleuchtet wird das Unvermögen der Gesellschaft, mit jungen Menschen, die nicht dem vorgegebenen Ideal entsprechen, umzugehen. Jugendsozialarbeit ist aufgefordert, Beispiele eines inklusiven Miteinanders zu publizieren, exkludierende Mechanismen aufzudecken und für das Ideal einer inklusiven Gesellschaft zu sensibilisieren.
## Im Interesse der Jugendlichen fordern die Verantwortlichen der Jugendsozialarbeit bedarfsgerechte Angebote. Die Vorgaben der Kostenträger und die Anforderungen der Berufswelt prägen die Angebote für junge Menschen. Grundlage für ein erfolgreiches Berufsleben ist jedoch die Stärkung ihrer Persönlichkeit und die Entwicklung ihrer individuellen Stärken und Fähigkeiten. Im Interesse der jungen Menschen müssen Träger professionelle Standards offensiv vertreten, vermeintliche Sachzwänge enttarnen und sich für eine sachgerechte Finanzierung einsetzen. Gute Praxisbeispiele können die fachlichen Argumente untermauern.
## Träger der Jugendsozialarbeit agieren abgestimmt im Interesse der jungen Menschen.
Öffentliche Ausschreibungen führen zu einem von Konkurrenz geprägten Verhältnis der Träger untereinander. In der Folge akzeptieren einige Träger auch schlechte Konditionen zu Lasten der Fachlichkeit, um mit ihren Angeboten am Markt bleiben zu können. Die Entwicklung einer gemeinsam getragenen Fachlichkeit und Strategie der Träger der Jugendsozialarbeit ist erforderlich. „
Quelle: IN VIA Deutschland