Jugendliche ohne Berufsabschluss – Handlungsempfehlungen für die berufliche Bildung

BEDARF AN AUSBILDUNGSPLÄTZEN WIRD ZU NIEDRIG EINGESCHÄTZT Der Anteil der Jugendlichen ohne Berufsabschluss liegt seit Jahren bei rund 15%. Eine wichtige Ursache ist, dass der tatsächliche Bedarf an Ausbildungsplätzen bislang viel zu niedrig eingeschätzt wird. Dies zeigt das neue Kurzgutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung „Jugendliche ohne Berufsabschluss“. Gravierende Mängel in der bisherigen Praxis der Ausbildungsmarktbilanzierung und der sich daraus ergebende fehlende Handlungsdruck führen dazu, dass bislang Jahr für Jahr selbst für ausbildungsreife Jugendliche viel zu wenig Ausbildungsplätze bereitgestellt wurden. Auszüge aus dem Gutachten, das Elisabeth M. Krekel und Joachim Gerd Ulrich vom Bundesinstitut für Berufsbildung für die Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt haben: “ HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DIE BERUFLICHE BILDUNG Seit Jahren schwankt der Anteil der Jugendlichen ohne Berufsabschluss um rund 15%. Die individuellen Ursachen für die Ausbildungslosigkeit sind schlechte Bildungsvoraussetzungen und besondere Lebensumstände auf Seiten der Betroffenen. Ein fehlendes Interesse der Jugendlichen an einer vollqualifizierenden Berufsausbildung spielt dagegen kaum eine Rolle. Fast alle haben nach einem Ausbildungsplatz gesucht. Ein gutes Drittel hat sogar einmal eine Berufsausbildung begonnen, diese aber nicht erfolgreich abgeschlossen. Doch gilt auch in diesen Fällen, dass vor allem Auszubildende mit niedriger schulischer Vorbildung in der Gefahr sind, vorzeitig abzubrechen. Es sind allerdings nicht nur persönliche Gründe auf Seiten der Jugendlichen dafür verantwortlich, dass es bislang nicht gelang, den Anteil der Ausbildungslosen substanziell zu senken. Denn die Zahl der vollqualifizierenden Ausbildungsplätze war in den letzten Jahren viel zu niedrig. Das Ausbildungsangebot des dualen Systems hielt mit der bis Mitte dieses Jahrzehnts stetig steigenden Zahl an Schulentlassenen nicht mit, und die vollqualifizierenden Bildungsangebote des Schulberufssystems reichten nicht aus, um die Lücke zu schließen. Selbst ausbildungsreife Ausbildungsstellenbewerber mussten in wachsender Zahl auf teilqualifizierende Bildungsgänge des sogenannten Übergangssystems ausweichen. Aufgrund des „Staus“ an der „Ersten Schwelle“ standen die Abgänger aus allgemeinbildenden Schulen vor der Herausforderung, immer längere Zeiträume bis zum möglichen Eintritt in eine Berufsausbildung zu überbrücken. Dies traf insbesondere jene Jugendlichen, die für eine solch anspruchsvolle Aufgabe – sich auf einem Markt zu bewegen, der von nur niedrigen Erfolgsaussichten geprägt ist und den Ausbildungsinteressierten ein hohes Maß an oft langjähriger Frustrationstoleranz abverlangt – die ungünstigsten Voraussetzungen mitbringen: nämlich die Gruppe der Hauptschulabsolventen, die mit 15, 16 oder 17 Jahren bei weitem die jüngsten von allen Schulentlassenen sind, oft aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen, nur über begrenzte Bildungsressourcen verfügen und die Schule oft mit einem bereits angeschlagenen Selbstbild verlassen. Wesentliche Gründe für die unzureichende Bereitstellung an vollqualifizierenden Ausbildungsplätzen sind in den Mängeln der Ausbildungsmarktbilanzierung und der Steuerung der Bildungsströme zu suchen. Seit der Berufsbildungsberichterstattung Mitte der 1970er-Jahre ist es Tradition, jährlich zum Stichtag 30. September Bilanz zu ziehen. Bis dahin sind aber bereits viele erfolglose Ausbildungsstellenbewerber in teilqualifizierende Bildungsgänge des Übergangssystems eingemündet. Diese Jugendlichen zählen zum Bilanzierungsstichtag zu den „versorgten Ausbildungsstellenbewerbern“, auch dann, wenn sie noch auf Ausbildungsplatzsuche sind. Da sie nicht zu den erfolglosen Ausbildungsplatznachfragern gerechnet werden, erschienen die Bilanzen selbst in den Jahren des größten Ausbildungsplatzmangels weitgehend ausgeglichen. Ein unmittelbarer Handlungsbedarf war dann nicht mehr erkennbar, und weitere Maßnahmen schienen auch nicht mehr zweckmäßig zu sein, da sich die Jugendlichen ja bereits in alternativen teilqualifizierenden Bildungsgängen befanden. Das Übergangssystem trug somit in den letzten Jahren nicht nur dazu bei, Jugendliche mit Reifedefiziten weiterzuqualifizieren, sondern hatte auch ganz wesentlich die Funktion, die Ausbildungsmarktbilanz rein rechnerisch zu stabilisieren. Die Möglichkeiten der Absolventen des Übergangssystems, anschließend in vollqualifizierende Berufsausbildung zu gelangen, waren allerdings aufgrund des chronischen Defizits an entsprechenden Plätzen beschränkt, und somit stieg die Zahl der Altbewerber kontinuierlich an. Die Probleme der vergangenen Jahre signalisieren Handlungsbedarf. Dabei sind zwei wichtige Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: die aktuelle Wirtschaftskrise und die demografische Entwicklung. Die Wirtschaftskrise wird 2009 aller Voraussicht nach zu einem stärkeren Einbruch des betrieblichen Ausbildungsplatzangebots führen, so dass kompensatorisch außerbetriebliche Ausbildungsplätze bereitgestellt werden müssen. Spätestens nach Überwindung der aktuellen Wirtschaftskrise wird aber die demografische Entwicklung zu einer Umkehrung der Marktverhältnisse führen. Denn so deutlich, wie die Zahl der Jugendlichen sinkt, wird die Zahl der in die Verrentung wechselnden Erwerbspersonen wachsen. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe wird deshalb steigen, und die Jugendlichen, die bislang ohne Berufsabschluss zu bleiben drohen, werden auch aus Sicht der Betriebe zunehmend zu einer unverzichtbaren Reserve werden, um den im Kern nicht mehr zu verhindernden Mangel an Nachwuchsfachkräften zumindest abzumildern. Deshalb werden der Druck, aber auch das Engagement der Wirtschaft, die Ausbildungsreife und den Zugang dieser Jugendlichen in Berufsausbildung sicherzustellen, wachsen. Damit eröffnen sich gute Voraussetzungen für eine signifikante Verringerung der Ausbildungslosenquote. Nach den bisherigen Erfahrungen muss hierfür aber eine kontinuierliche individuelle Begleitung der Jugendlichen aus den Haupt- und Förderschulen sichergestellt werden, die über episodische Beratung und punktuelle Kontaktaufnahme weit hinausgeht. Dies gilt insbesondere für sozial benachteiligte Jugendliche. Deshalb sollten in allen Kommunen Mentorensysteme in Kombination mit regionalem Übergangsmanagement etabliert werden. Nur auf diese Weise kann dafür Sorge getragen werden, dass die sozioökonomische Herkunft der Jugendlichen zumindest beim Übergang in die Berufsausbildung kein Hindernis mehr darstellt. … HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN Während mit einer kurzfristigen Verschlechterung der Übergangschancen in betriebliche Berufsausbildung gerechnet werden muss, von der insbesondere westdeutsche Jugendliche betroffen sein werden, werden sich mittel- und langfristig die Eintrittschancen in das duale System bundesweit deutlich verbessern. Daraus ergeben sich Überlegungen, aus einer Kurzfristperspektive sowie einer Mittel- und Langfristperspektive. … * Überlegungen aus der Mittel- und Langfristperspektive Spätestens nach dem Ende der Wirtschaftskrise werden die demografischen Entwicklungen die Ausbildungsmarktverhältnisse umkehren. Die Betriebe werden sich häufiger und rascher als in früheren Jahren bereit zeigen, auch leistungsschwächeren Schulabsolventen eine Ausbildungschance einzuräumen, sofern noch ausreichende Aussichten auf eine erfolgreiche Durchführung der Ausbildung gegeben sind. Diese Tendenzen ließen sich 2008 bereits in Ostdeutschland beobachten. Angesichts des drohenden Nachwuchsmangels an Fachkräften wird die Wirtschaft aber zugleich massiv den Druck erhöhen, über geeignete Programme möglichst früh alle Schulentlassenen zur Aufnahme einer Berufsausbildung zu befähigen und heranzuführen. Die demografischen Veränderungen und Umkehrung der Ausbildungsmarktverhältnisse werden auch die Rahmen- und Arbeitsbedingungen für die Bildungsgänge des Übergangssystems verändern. Es sollte deshalb nicht der Versuch unternommen werden, auf Basis der bisherigen Kritik am Übergangssystem über Reformen nachzudenken, ohne die künftigen Entwicklungen in die Überlegungen einzubeziehen. … Zahl und Anteil der Jugendlichen, die nach dem Verlassen der allgemeinbildenden Schule in das Übergangssystem einmünden, werden sinken. Zugleich ist damit zu rechnen, dass sich die Teilnehmerstruktur im Übergangssystem verändern wird und letztlich fast ausschließlich auf jene Jugendlichen konzentriert, welche nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule tatsächlich noch nicht die erforderliche Ausbildungsreife mitbringen und/oder aus eigenem Antrieb am Erwerb eines besseren schulischen Bildungsabschlusses interessiert sind. Da das Interesse der Wirtschaft in Folge des drohenden Nachwuchsmangels an den Absolventen des Übergangsystems wachsen wird, dürften sich auch die Bewerbungschancen derjenigen Absolventen des Übergangssystems verbessern, die erst durch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen die Eignung für eine bestimmte Berufsausbildung erwerben. Die zu erwartende Verbesserung der Ausbildungsmarktverhältnisse bedeutet jedoch nicht, dass kein Handlungsbedarf mehr besteht. Die Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie deuten gerade bei den benachteiligten Jugendlichen auf sensible Phasen und Ereignisse hin, in denen die Gefahr groß ist, dass hier die Weichen in eine dauerhafte Ausbildungslosigkeit gestellt werden. Es gibt Jugendliche, die bis zur Einmündung in eine Berufsausbildung der kontinuierlichen, systematischen Begleitung bedürfen, zumal die Eltern dies oft nicht in ausreichendem Maße zu leisten vermögen. Möchte man die Partizipation dieser Jugendlichen an Berufsausbildung sicherstellen, muss eine intensive und nachhaltige, bereits während der Schulzeit einsetzende individuelle Unterstützung erfolgen, die sich gegebenenfalls auch bis zum Abschluss der Berufsausbildung erstreckt. … * Instrumente zur effizienten Prävention von Ausbildungslosigkeit Etablierung eines Mentorensystems Das deutsche Ausbildungssystem mit seinem weitgehend marktgesteuerten Zugang unterhalb der akademischen Ebene bringt es mit sich, dass die weitaus höchsten Hürden ausgerechnet vor jenen Jugendlichen aufgebaut werden, die für deren Überwindung die ungünstigsten Voraussetzungen mitbringen. … Dass gerade sie an bestimmten Stellen zu scheitern und irgendwann zu resignieren drohen, vermag nicht zu verwundern. Sich bei sehr geringen Erfolgsaussichten lange Zeit auf einem schwierigen Ausbildungsmarkt zu bewegen, wäre selbst für leistungsstärkere Abiturienten eine große (und wohl oft auch zu hohe) Herausforderung, obwohl diese bei Schulende ja bereits das 19. oder 20. Lebensjahr erreicht haben. Es wäre deshalb naiv zu glauben, dass die Jugendlichen mit den ungünstigeren Voraussetzungen all diese Hürden weitgehend auf sich gestellt zu überwinden vermögen. Soll der Zugang dieser Jugendlichen in vollqualifizierende Berufsausbildung gesichert werden, sind eine kontinuierliche Beobachtung ihres individuellen Entwicklungsstands und eine aktive Begleitung ihres Werdegangs durch feste, also möglichst nicht wechselnde Bezugspersonen erforderlich. Aktive Begleitung bedeutet, dass über punktuelle und reaktive Informationsaustausche hinaus gegebenenfalls auch emotionale und motivationale Unterstützung zu leisten ist und Interventionen notfalls auch ohne Aufforderung des Jugendlichen erfolgen. In diesen Aufgaben spiegeln sich jene Arbeiten, die oft von Eltern geleistet, zu oft aber auch nicht geleistet werden. … Nach den Erfahrungen des Leiters des Ausbildungswesens eines großen deutschen Automobilkonzerns wird gerade „bei leistungsschwächeren Bewerbern (…) häufig zunächst ein sehr selbstbewusstes Auftreten beobachtet. Gleichzeitig ist jedoch eine relativ geringe Kenntnis über eigene Stärken und Schwächen festzustellen. (…) Zudem ist gerade bei Leistungsschwächeren eine große Sehnsucht nach Geborgenheit zu verzeichnen. Eine entsprechende Berücksichtigung bei der Betreuung beeinflusst den Lernerfolg deutlich positiv“. Mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wurde im neuen § 421s des Sozialgesetzbuchs III (SGB III) die Möglichkeit geschaffen, „Maßnahmen zur individuellen Begleitung und Unterstützung förderungsbedürftiger Jugendlicher durch Berufseinstiegsbegleiter“ zu finanzieren, „um die Eingliederung des Jugendlichen in eine berufliche Ausbildung zu erreichen (Berufseinstiegsbegleitung). … Das Programm beschränkt sich allerdings zunächst „zum Zweck der Erprobung“ auf 1.000 ausgewählte allgemeinbildende Schulen. Regionales Übergangsmanagement In § 421s SGB III wird auf zwei Steuerungsgrößen verwiesen, deren Existenz und Verschränkung für eine erfolgreiche Verbesserung des Übergangs in vollqualifizierende Berufsausbildung von großer Bedeutung sind: – auf der übergeordneten Ebene eine systematische Planung und Abstimmung der kommunalen Bildungsangebote in Form eines regionalen Übergangsmanagements, und – auf der Einzelfallebene eine bildungsbiografisch sinnvolle Ausrichtung und Umsetzung der Bildungsangebote im Zuge der persönlichen Begleitung des jeweiligen Jugendlichen. Ist zugleich ein der Nachfrage entsprechendes Angebot an vollqualifizierenden Berufsausbildungsplätzen vorhanden, dürfte die Effizienz eines solchen zweigleisigen Steuerungsmechanismus als sehr hoch eingeschätzt werden. Die Stadt Iserlohn hat eine kreative Umsetzung dieses kombinierten Ansatzes entwickelt. Dabei ist es sicherlich kein Zufall, dass sich ausgerechnet der Stadtkämmerer dafür stark machte, mit allen Hauptschülern der Stadt Verträge abzuschließen, die den Jugendlichen einerseits den Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildungsstelle, weiterführende Schule oder Arbeit rechtlich einklagbar garantiert, anderseits die Jugendlichen dafür aber auch verpflichtet, regelmäßig die Schule zu besuchen, keine Drogen zu nehmen, nicht gewalttätig zu werden und an Veranstaltungen zur Berufsorientierung teilzunehmen (Stadt Iserlohn, 2008). Damit wird den Jugendlichen zum einen verdeutlicht, dass sie „gebraucht“ werden, und zum anderen, dass sie durch eigene Anstrengung ihr berufliches Schicksal wesentlich mitbestimmen können. Rund 30 engagierte ältere Mentoren („Joblotsen“) helfen den Jugendlichen beim Übergang in die Berufsausbildung. Hier entsteht ein neues Modell der Intergenerationen-Kooperation, das die demografischen Veränderungen konstruktiv aufgreift … . Die aktive Unterstützung des Einstiegs von benachteiligten Jugendlichen in eine vollqualifizierende Berufsausbildung ist aus Sicht der Stadt Iserlohn preisgünstiger als die passive Hinnahme des Einstiegs der Jugendlichen in eine „Hartz IV-Karriere“. Bei einem dezentralen Steuerungsmodell des Übergangsgeschehens unter Mitwirkung der Kommunen dürfte sich zugleich auch manches Steuerungsproblem auf der übergeordneten Ebene entschärfen. … Die Etablierung eines regionalen Übergangsmonitorings setzt allerdings die Verfügbarkeit eines effizienten Informationssystems voraus, das zeitnah zu den jeweiligen Entscheidungszeitpunkten eine ausreichende statistische Transparenz über die Bildungsnachfrage und -ströme sicherstellt. Zudem gilt auch auf regionaler Ebene, dass es beim Zusammentreffen der verschiedenen Institutionen vor Ort „nicht nur um die Interessen und Bildungswünsche von jungen Menschen auf der Suche nach Ausbildung“ geht, „sondern auch um die Wahrung institutioneller Interessen und ordnungspolitischer Positionen sowie um die Verteilung von Ressourcen“. Dieser Aspekt darf beim Netzwerkaufbau nicht unberücksichtigt bleiben, denn eine effiziente Arbeit ist nur dann zu erwarten, wenn sich die Kooperationspartner ungeachtet ihrer divergierenden Interessen auf ein gemeinsames Ziel einigen können und die Nichterreichung dieses Ziels als ähnlich nachteilhaft empfinden. * Etapen bei der Prävention von Ausbildungslosigkeit Teilaufgaben und Etappen eines regionalen Übergangsmanagements in Kombination mit dem Aufbau eines Mentorensystems sind: – die Zahl der Jugendlichen, welche die allgemeinbildenden Schulen ohne Hauptschulabschluss verlassen, zu verringern, und einen ausreichenden Grad der Ausbildungsreife sicherzustellen, – den Berufsorientierungs- und Berufsfindungsprozess der Jugendlichen zu begleiten, – Hilfestellungen bei den Übergängen zwischen allgemeinbildender Schule, teilqualifizierenden beruflichen Bildungsgängen und vollqualifizierender Berufsausbildung zu leisten, – die Zahl der Ausbildungsabbrüche zu senken bzw. diese – sofern nicht vermeidbar – zu begleiten, – und für Jugendliche in besonderer Lebenssituation spezifische Unterstützungsangebote zu unterbreiten. SCHLUSSBETRACHTUNG Die Besonderheit des deutschen Berufsbildungssystems mit seinem weitgehend marktgesteuerten Zugang führt dazu, dass Selektionsmechanismen des Beschäftigungssystems und des Arbeitsmarktes bereits im Bildungssektor greifen. Dies bedeutet aber, dass in Deutschland nicht nur ein effizientes Berufsbildungssystem eine wesentliche Voraussetzung für ein aufnahmefähiges Beschäftigungssystem darstellt, sondern dass umgekehrt ein funktionierendes Beschäftigungssystem auch die Voraussetzung für ein aufnahmefähiges Berufsbildungssystem ist. Die chronische Beschäftigungskrise der vergangenen Jahre erzeugte deshalb einen großen Effizienzverlust für den beruflichen Bildungssektor. Die in Deutschland praktizierte Bilanzierung der Versorgung in der beruflichen Bildung scheint jedoch darauf ausgerichtet zu sein, an der weitgehenden Aufnahmefähigkeit des dualen Berufsbildungssystems grundsätzlich keine größeren Zweifel aufkommen zu lassen. … Interpretiert werden kann die Praxis der Ausbildungsmarktbilanzierung als Folge eines im Grundsatz nicht gelösten (Verteilungs-)Konflikts darüber, ob das betriebliche Ausbildungsplatzangebot für eine Versorgung der an betrieblicher Ausbildung interessierten Bewerber ausreichend zu sein hat und wer – sollte das Angebot nicht ausreichen – die Kosten zusätzlich einzurichtender Plätze übernimmt. Dieser Verteilungskonflikt spiegelte sich in einer unter den Akteuren chronisch strittigen und somit letztlich diffusen Interpretation der Ausbildungsmarktverhältnisse. Ein effizientes Handeln zur raschen Versorgung aller ausbildungsinteressierten Jugendlichen mit vollqualifizierender Ausbildung wurde dadurch allerdings verhindert. Die massiv steigenden Einmündungszahlen in das Übergangssystem ließen sich insofern rechtfertigen, als die Gründe weitgehend personalisiert wurden. … Darüber hinaus wurde eine Diskussion über die Effizienz des Übergangssystems angefacht, obwohl die Übergangsquoten aus teilqualifizierenden Bildungsgängen in vollqualifizierende Berufsausbildung angesichts des viel zu niedrigen Angebots kaum höher ausfallen konnten. Deshalb ist es nicht unbedingt zielführend und zum Teil eher eine Ablenkung von den eigentlichen Problemen, über Reformen des Übergangssystems zu reflektieren, so lange es nicht genügend vollqualifizierende Ausbildungsplätze gibt. Der (Verteilungs-)Konflikt wird sich zwar über das Jahr 2009 hinaus fortsetzen. Allerdings wird er sich durch die demografische Entwicklung und die zu erwartende Umkehrung der Ausbildungsmarktverhältnisse von einem Anbieter- zu einem Nachfragermarkt stark abkühlen und an Bedeutung verlieren. Eine solche Abkühlung ließ sich bereits in den beiden letzten Jahren im Zuge der Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt beobachten. Es ist kein Zufall, dass gerade in jüngerer Zeit Maßnahmen und Konzepte des Übergangsmanagements entwickelt werden, welche über Mentorenprogramme die Nähe zum Jugendlichen suchen. Begleitend wurden Initiativen und Programme in Gang gesetzt, um zu einer besseren und transparenteren Bildungsrechnung zu gelangen, unter anderem auch auf kommunaler Ebene. Zu nennen sind beispielsweise die Initiativen zum Aufbau eines bundesweiten Indikatorensystems für eine integrierte Ausbildungsberichterstattung, das aktuellere Daten zur Entwicklung der Bildungsbeteiligung des Übergangs- und Schulberufssystems ermöglichen soll sowie der Pilotversuch zur Etablierung eines kommunalen Bildungsmonitorings. Sollten sich im Zuge der Wirtschaftskrise die Ausbildungsmarktverhältnisse allerdings wieder deutlich verschlechtern, ist auch mit einem zwischenzeitlichen Rückfall in die alten Konflikt- und Deutungsrituale zu rechnen. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts aber sind die demografischen Effekte so stark, dass der Einfluss der Konjunktur auf die Höhe des Ausbildungsplatzangebots abnehmen wird und eine Umkehrung der Marktverhältnisse weitgehend sicher erscheint. … Die nun anstehenden demografischen Veränderungen im nächsten Jahrzehnt werden es mit sich bringen, dass auch in Deutschland aus dem ehemals frommen Wunsch bitterer Ernst wird. “

http://www.fes.de
http://www.bibb.de
http://www.bibb.de/de/51639.htm

Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung Bundesinstitut für Berufsbildung

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