KOMBILOHN – EINSTIEGSQUALIFIZIERUNG – VERTIEFTE BERUFSORIENTIERUNG
Obwohl die Politik für diese Leglislaturperiode das Ziel hatte, vorhandene arbeitsmarktpolitische Instrumente zu reduzieren und ihre Handhabung einfacher zu gestalten, sind neue Maßnahmen hinzu gekommen. Mit dem vierten Gesetz zur Änderung des Dritten Sozialgesetzbuches wurden 2007 für Jugendliche u.a. Kombilöhne ermöglicht, Veränderungen bei der Einstiegsqualifzierung vorgenommen und erweiterte Möglichkeiten zur Berufsorientierung geschaffen. Der Paritätische Gesamtverband hat diese Instrumente für den Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit untersuchen lassen. Wie die „neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumente für Jugendliche“ umgesetzt werden und welchen Nutzen sie für Benachteiligte entfalten untersuchte INBAS im Auftrag des Paritätischen. Die Ergebnisse liegen jetzt vor und wurden in einer Expertise veröffentlicht.
Auszüge aus den Ergebnissen der Expertise „Neue Arbeitsmarktpolitische Intrumente für Jugendlichen“: „Im Oktober 2007 führte der Gesetzgeber neue arbeitsmarktpolitische Instrumente insbesondere zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit ein. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit berichtete am 2.7.2007, dass unter 375.961 arbeitslosen jungen Menschen bereits 91.021 Langzeitarbeitslose waren.
Mit dem neuen Gesetz sollten die Qualifizierung und die Beschäftigungschancen insbesondere derjenigen jungen Menschen unter 25 Jahren nachhaltig erhöht werden, denen berufliche Qualifikationen fehlen, deren Eingliederung in Arbeitsmarkt und Gesellschaft durch Vermittlungshemmnisse wie gesundheitliche Einschränkungen, Schulden etc. erschwert ist. Von der Eingliederung in Betriebe versprach man sich den Abbau der Vermittlungshemmnisse und eine soziale Integration. Zu diesem Zweck führte der Gesetzgeber den Qualifizierungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer (§ 421o SGB III), den Eingliederungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer (§ 421p SGB III) sowie die sozialpädagogische Begleitung und organisatorische Unterstützung bei betrieblicher Berufsausbildung und Berufsausbildungsvorbereitung (§ 241a SGB III) ein. Die bislang als Sonderprogramm durchgeführte betriebliche Einstiegsqualifizierung Jugendlicher wurde in das SGB III übernommen (§ 235b SGB III). Zusätzlich erweiterte das Gesetz für die Gruppe der Schülerinnen und Schüler die Möglichkeiten der vertieften Berufsorientierung (§ 241q i. V. m. § 33 SGB III). Über das Gesetz hinaus wurde parallel ein Beschäftigungszuschuss (§ 16a SGB II) in Form eines Arbeitgeberzuschusses eingeführt.
Damit kamen zum bereits bestehenden arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium für unter 25-Jährige weitere Maßnahmen hinzu – obwohl bereits im Vorfeld von unterschiedlichen Seiten unisono Kritik an der Unüberschaubarkeit geübt worden war. … Das Institut der deutschen Wirtschaft sprach von einem aufgeblähten Instrumentenkasten, insbesondere mit gleich drei neuen Lohnsubventionen setze die Regierung erneut auf „Rezepte, die sich schon in der Vergangenheit vielfach als untauglich erwiesen haben“. Vertreterinnen und Vertreter der Jugendsozialarbeit hatten auf die Risiken hingewiesen, die aufgrund der Unübersichtlichkeit und der Aufsplitterung der Instrumente für die Jugendlichen selbst bestehen, und eine „koordinierte Gesamtstrategie“ gefordert, ein einheitliches Konzept, das kohärente Förderung, individuelle Betreuung und Transparenz ermöglicht und regional eingebunden ist. …
Anliegen der Expertise ist es v.a. zu überprüfen, welche ersten Erfahrungen bei der Umsetzung der neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumente für Jugendliche gemacht werden, was die Umsetzung hindert bzw. fördert. Welchen Nutzen entfalten die Instrumente für die Zielgruppe der benachteiligten Jugendlichen und welche Einschätzungen gibt es von Trägerseite? Ergänzen die neuen Instrumente bereits vorhandene Fördermaßnahmen sinnvoll oder behindern sich die Instrumente ggf. gegenseitig? …
BEWERTUNG UND EMPFEHLUNGEN
Der Erfolg eines Instrumentes bemisst sich zunächst an den festgelegten Zielen. Worauf zielt aber die Arbeitsmarktpolitik für unter 25-Jährige in Deutschland? Es bleibt offen, ob die Tendenzen der letzten Jahre, als „Massengeschäft“ möglichst viele junge Menschen zu vermitteln, dominierend bleibt (und in der Konsequenz weiterhin zur Selektion zwischen Kundengruppen und Rechtskreisen führt), oder ob mit Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik auch sozial- und berufsbildungspolitische sowie fachliche Ziele verfolgt werden.
Innerhalb der Instrumente führt das Bemühen, unterschiedliche Interessen zu bedienen – z. B. in der Einstiegsqualifizierung benachteiligte Gruppen zu fördern und gleichzeitig neue Ausbildungsbetriebe zu akquirieren – zu Zieldivergenzen. Nur einzelne Instrumente wenden sich aktuell an benachteiligte Zielgruppen, dies sind diejenigen, deren Förderzahl minimal bleiben: Beschäftigungszuschuss und Qualifizierungszuschuss, z. T. auch Hilfen nach § 241a SGB III. Sie sind zwar für diese Gruppen vorgesehen, die Förderbedingungen stimmen aber nicht mit den Anforderungen und Voraussetzungen der Zielgruppen bzw. der betrieblichen Realität überein. Erkenntnisse und Konzepte der Benachteiligtenförderung bzw. der Jugendsozialarbeit, die viele Jahre Zielgruppenerfahrung bündeln, werden nicht aufgegriffen. Die Instrumente mit nennenswerten Förderzahlen – Einstiegsqualifizierung und vertiefte Berufsorientierung – zielen zumindest überwiegend auf Jugendliche ohne besondere Vermittlungshemmnisse, zum Teil treffen sie eine „Positiv-Auswahl“. Ihre Konzepte legen Schwerpunkte darauf, junge Menschen an die Anforderungen der Wirtschaft heranzuführen.
In Hinblick auf die Integration benachteiligter Jugendlicher kann deshalb nicht von einer erfolgreichen Umsetzung der untersuchten Instrumente gesprochen werden. Dem postulierten Ziel, die Qualifizierung und Beschäftigungschancen von Personen mit Vermittlungshemmnissen zu erhöhen, entspricht die Umsetzung allenfalls bedingt. Konzepte werden in der Mehrzahl der Förderfälle) nicht an Benachteiligten orientiert, Erfolge nicht am Erreichen der Zielgruppe gemessen. Selbst bei vorhandenen deutlichen Schwerpunktverschiebungen in der Zielgruppe werden die postulierten Größenordnungen bei weitem nicht erreicht: die Instrumente Beschäftigungszuschuss und Qualifizierungszuschuss werden kaum umgesetzt, die Bestandszahlen in EQ ging nach der Integration in das SGB III erheblich zurück. Allein die vertiefte Berufsorientierung wird annähernd bundesweit in großem, aber nicht zu quantifizierenden Umfang aufgebaut – allerdings noch sehr bausteinhaft.
Ein Zusammenhang zwischen den Instrumenten, ein logischer Aufbau oder eine gegenseitige Ergänzung auch mit bereits vorhandenen Instrumenten ist nicht zu erkennen, eher ein loser Zusammenhang eines „Werkzeugkastens“. Als konzeptioneller roter Faden ist in der Arbeitsmarktpolitik für diese Altersgruppe allenfalls die Intention zu erkennen, dass junge Menschen sich „auf dem Arbeitsmarkt bewähren“. Die Vorstellung, dass das Problem allein durch den „Klebeeffekt“ zu lösen sei, erweist sich gerade für benachteiligte Gruppen als trügerisch, sie entspricht nicht dem komplexen Ursachengefüge der Jugendarbeitslosigkeit. Hier müsste die Problemsicht geändert werden, Arbeitsmarktpolitik muss neue Entwicklungen wie die Anforderungen eines globalen Arbeitsmarktes und veränderte Erwerbsbiografien ebenso wahrnehmen wie gesellschaftliche Hintergründe von Arbeitslosigkeit und ihre Folgen für das Individuum. Isolierte oder rein additive Instrumente zu Schulunterricht, Praktikum oder betrieblicher Beschäftigung erweisen sich als untauglich, wenn sie nicht zu den jeweils spezifischen Ausgangslagen passen, sich nicht in bestehende Konzepte einfügen oder aufgrund enger Förderrichtlinien an bürokratischen Hürden scheitern.
Die Unübersichtlichkeit und Aufsplitterung arbeitsmarktpolitischer Instrumente birgt insbesondere für die Jugendlichen Risiken, deren Schulkarriere bereits durch Misserfolge, Brüche und demotivierende Strukturen gekennzeichnet ist. Eine tatsächliche Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente erfordert ein neues arbeitsmarktpolitisches Gesamtkonzept, wie es seit Jahren von der Jugendsozialarbeit wie von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefordert wird. …
Ein solches konsolidiertes System der beruflichen Integrationsförderung sollte folgende Kennzeichen aufweisen:
##Ein Gesamtkonzept neuer Arbeitsmarktpolitik setzt früh, spätestens in der 7. Klasse der allgemeinbildenden Schule an und bietet ein abgestimmtes System umfangreicher und vielfältiger Module, die junge Menschen qualifizieren, sie zur Auseinandersetzung mit eigenen Kompetenzen wie mit den Anforderungen der Arbeitswelt anregen und Zugänge zu Ausbildung/Beschäftigung schaffen. Es endet erst bei dauerhafter Beschäftigung und sozialer Integration bzw. ist eingebunden in (regionale) Konzepte des lebenslangen Lernens.
##Alle Instrumente bauen gestuft aufeinander auf und sind als Teile von Förderketten kombinierbar. Das kohärente Fördersystem bietet kontinuierliche Beratungs- und Begleitstrukturen.
##Über die Trennung von Rechtskreisen und Zuständigkeiten hinweg werden in gemeinsamer Verantwortung von Bildungs- Arbeitsmarkt-, Jugend- und Sozialpolitik kohärente Systeme entwickelt und gefördert, die eine „Förderung aus einem Guss“ ermöglichen. Zugänge zu den Bausteinen erhalten alle Personen in gleicher Weise, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem Rechtskreis. …
##Alle Instrumente enthalten Qualifizierungselemente, die nach Möglichkeit modular zu einer Ausbildung führen. Das Konzept orientiert sich an der Prämisse: „Ausbildung für alle“ (an diesem Ziel sollte auch das SGB II ausgerichtet werden). Vermittlungshemmnisse werden als Herausforderungen verstanden, auf individuellen Wegen Zugänge zu qualifizierter Arbeit zu schaffen. Bei jungen Menschen, die zunächst in einem Beschäftigungsverhältnis gefördert werden, werden Qualifizierungsmöglichkeiten identifiziert und genutzt.
##Arbeitsmarktpolitische Instrumente sind in kooperative Konzepte der Schulen, der Betriebe, der Träger, des regionalen Übergangsmanagements oder weiterer Akteure des Sozialraums eingebunden, dabei wird die Qualität der Kooperation bestimmt durch Fachlichkeit, Verbindlichkeit und Kontinuität.
##Betriebe als zentrale Kooperationspartner werden durch arbeitsmarktpolitische Instrumente motiviert, sich in sozialpolitischer Verantwortung für Ausbildung und Beschäftigung Benachteiligter zu engagieren. Dieses Engagement muss zu ihren Bedarfen und Bedingungen passen, die wiederum von den Bedürfnissen der Jugendlichen und den komplexen – und manchmal unklaren – Erwartungen der Leistungserbringer abweichen können. Um Interessen der Betriebe und Qualifizierungs- und Integrationsbedürfnisse der Zielgruppen zu differenzieren, werden im Sinne der Jugendlichen verbindliche Regelungen über Rechte, Pflichten und Ergebnisse getroffen. (So könnte sich die EQ an den Regelungen in Österreich orientieren: Integration in die Ausbildung und damit ein klarer Status einschließlich Berufsschulpflicht sowie eine zusätzliche Betreuung.) Für eine Beteiligung der Arbeitgeber in Schulen sollten Arbeitgeberorganisationen ethische Standards festlegen, die eine Instrumentalisierung der Angebote verhindern.
##Kooperation mit Betrieben erfordert Vertrauen und Kontinuität. Einen Teil neuer Gesamtkonzepte bilden von daher triale Konzepte, die arbeitsmarktpolitische Angebote nicht additiv verstehen, sondern externe Kooperation und interne Mitgestaltung verbinden. Arbeitsmarktpolitik stellt Regelinstrumente für flexible und verlässliche Dienstleistungsangebote zur Verfügung.
##Um den Erfolg arbeitsmarktpolitischer Instrumente zu überprüfen, werden analog zur Klärung der Ziele Bewertungskriterien und Qualitätsstandards festgelegt, diese orientieren sich über quantitative Ergebnisse hinaus an individuellen Entwicklungs- und Bewältigungserfolgen. Ein solches Konzept hilft jungen Menschen, ihren Weg in den Beruf auch über Hürden hinweg zu finden. Diesen Weg eigenverantwortlich gehen zu können, erfordert Wahlmöglichkeiten und die selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit. „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“ (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 12 Abs. 1).
ZUSAMMENFASSUNG ZENTRALER ERGEBNISSE
Im Ergebnis dieser Expertise muss festgestellt werden, dass die „neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ nur bedingt dazu beitragen, die Zielgruppe der jüngeren Menschen, die tatsächlich durch besondere Vermittlungshemmnisse benachteiligt sind, zu qualifizieren und ihre Beschäftigungschancen zu verbessern. Zielwidersprüche zwischen dem Ziel hoher Vermittlungszahlen und einer angemessenen Förderung Benachteiligter führen dazu, dass die eigentliche Zielgruppe sowohl quantitativ als auch als konzeptionell in den Hintergrund gedrängt wird.
Von den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten sind der Beschäftigungszuschuss und der Qualifizierungszuschuss besonders auf die Zielgruppen der Jugendsozialarbeit zugeschnitten – mit beiden Instrumenten zusammen wurden im Oktober 2008 gerade 565 junge Arbeitslose (Planzahl: 28.550) gefördert. Beim Eingliederungszuschuss für jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Berufsausbildung lagen die Zahlen mit knapp 2.000 Förderfällen im August etwas höher (Planzahl: 19.000 Förderfälle). Auch sozialpädagogische Begleitungen und organisatorische Hilfen wurden in den ersten neun Monaten nach Einführung des Instruments faktisch kaum in Anspruch genommen, von den vorgesehen 20.000 Förderungen der sozialpädagogischen Betreuung sind im Oktober 2008 nur 235 Förderfälle realisiert worden, diese beziehen sich auf alle Module.
Höhere Förderzahlen weisen nur die vertiefte Berufsorientierung und die Einstiegsqualifizierung auf. Für die vertiefte Berufsorientierung darf aufgrund der Erhebungsschwierigkeiten an der Aussagekraft der vorhandenen Zahlen (15.778 Teilnehmende im Oktober 2008) gezweifelt werden. Das Instrument ist insofern erfolgreich, als in fast allen Bundesländern Landesprogramme zur Umsetzung der vertieften Berufsorientierung entstanden sind und umgesetzt werden. Nur ein Teil der Programme wendet sich allerdings gezielt an benachteiligte Gruppen,z.B. aus Haupt- und Förderschulen. Die Zahlen Jugendlicher in der Einstiegsqualifizierung sind nach der Aufnahme ins SGB III deutlich zurückgegangen, von den angestrebten 40.000 Plätzen pro Jahr wurde mit rund 10.000 Plätzen im Jahr 2008 nur rund ein Viertel besetzt. Unter den Geförderten ist die angestrebte Zielgruppe zumindest nicht die Regel, die Praktikantinnen und Praktikanten entsprechen von ihren Voraussetzungen her eher Auszubildenden als Teilnehmenden berufsvorbereitender Maßnahmen. Dem Rechtskreis SGB II gehörte weniger als ein Viertel der Geförderten an. …
Die neuen Eingliederungs- und Qualifizierungszuschüsse für junge Menschen konnten u.a. aufgrund von z. T. paradoxen Programmvorgaben nur schwer umgesetzt werden. So kamen aufgrund des Erfordernisses einer vorhergehenden – mindestens sechsmonatigen – Arbeitslosigkeit nur wenige Jugendliche für die Förderung in Betracht. Außerdem steht die o.g. genannte Fördervoraussetzung im Widerspruch zur Aktivierungspflicht gemäß SGB II. Erfahrungen zu verschiedenen Lohnkostenzuschüssen aus NRW zeigen, dass Instrumente wie Eingliederungs- und Qualifizierungszuschüsse wirksame Integrationshilfen sein können. Dazu müssen sie Qualitätsanforderungen erfüllen, die bei den Instrumenten nach § 421o und p derzeit nicht gegeben sind.
Von zentraler Bedeutung ist eine Begleitstruktur für den Arbeitgeber bzw. die Arbeitsnehmerin wie für die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer. Die Maßnahmen müssen auf die Lebensbedingungen von Jugendlichen mit besonderen Vermittlungshemmnissen abgestimmt werden, einen verbindlichen Qualifizierungsteil enthalten und in kontinuierliche Förderung eingebunden werden können, schließlich sollte der Verdienst die Existenz der geförderten Personen sichern.
In Qualifizierungszuschüssen werden in der Fachdebatte gute Möglichkeiten für einen Kompetenzerwerb am Arbeitsplatz und eine aufbauende Qualifizierung gesehen. Dies setzt aber eine Integrationsstrategie voraus, die über eine unmittelbare Arbeitsaufnahme hinausreicht, z.B. im Rahmen einer beruflichen Nachqualifizierung. Der neue Beschäftigungszuschuss bietet Chancen auf Teilhabe am Arbeitsleben auch für diejenigen langzeitarbeitslosen Menschen, die im derzeitigen Verteilungskampf am Arbeitsmarkt nur minimale Chancen haben. Der Beschäftigungszuschuss wird jedoch für die Zielgruppe jüngerer Langzeitarbeitsloser in der Praxis kaum genutzt, sondern eher ältere Arbeitslose werden gefördert. …
Zur Einstiegsqualifizierung erbrachte die Expertise – abweichend von den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung – verschiedene kritische Bewertungen. Zwar wird positiv bewertet, dass die Maßnahme Jugendliche „von der Straße holt“, dies unterstützt vor allem Altbewerberinnen und Altbewerber. In vielen Regionen werden Studien zufolge die eigentlichen Zielgruppen jedoch systematisch verfehlt, das Instrument bietet stattdessen den Betrieben die Möglichkeiten, junge Menschen mit Bewerberstatus einzustellen und eine Bestenauslese vorzunehmen. Die Umsetzung der Einstiegsqualifizierung legt die Verantwortung für die Qualität der Qualifizierung in die Hände der Betriebe – dies ist umso problematischer, als mit dem Instrument auch Betriebe ohne Ausbildungserfahrung akquiriert werden. Die Hälfte der Praktikantinnen und Praktikanten erhält weder ein Zeugnis noch ein Zertifikat, über die Umsetzung von Qualifizierungsbausteinen gibt es keine Erkenntnisse und die angestrebte individuelle Anrechnung auf Ausbildungszeiten scheitert vielfach am nicht geregelten Berufsschulbesuch.
Der Bundesrechnungshof fordert Erfolgskontrollen, um Missbrauch und Mitnahmeeffekten vorzubeugen. Zur Weiterentwicklung des Instruments müssten Qualitätsanforderungen gestellt, abgesichert und überprüft werden. Sie betreffen eine klare Definition der Zielgruppen und eine Anpassung der Konzepte, die Eignung der Betriebe, die Klärung der Tätigkeits- und Qualifizierungsinhalte, den regelmäßigen Besuch der Berufsschule, eine bedarfsorientierte sozialpädagogische Begleitung und eine Einbindung in ein regionales Übergangsmanagement. …
Zur sozialpädagogischen Begleitung und organisatorischen Unterstützung gibt es Kritik an der Ausgestaltung und an der Umsetzung des Instrumentes. Durch die Ausschreibungen blieben Chancen für Benachteiligte ungenutzt, so die Kritik v.a. seitens der Träger. Betriebe müssten für eine Einstellung Benachteiligter gewonnen und bei deren Qualifizierung unterstützt werden, hierzu seien kontinuierliche und verlässliche Kontakte erforderlich, Ausschreibungen zerstörten aber häufig gewachsene Kooperationsstrukturen und Vertrauensverhältnisse. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Instrumentes wird kritisch angemerkt, dass die doppelte Zielsetzung der Förderung – stärkerer Einbezug von benachteiligten Jugendlichen in die betriebliche Ausbildung und Akquise neuer Ausbildungsplätze – unrealistisch ist. Fachlich sinnvoll wäre überdies eine Verknüpfung von ausbildungsbegleitenden Hilfen mit diesem Instrument – diese ist in der Umsetzung von der Bundesagentur für Arbeit bislang aber nicht vorgesehen.
Sieht man sich das gesamte Spektrum der arbeitsmarktpolitischen Instrumente an, ist weder ein Zusammenhang der einzelnen Instrumente noch ein aufeinander aufbauendes Konzept zu erkennen. Als „roter Faden“, lässt sich allenfalls das Motto „Hauptsache Betrieb“ festmachen, junge Menschen sollen sich in Arbeit „bewähren“. Forschungsberichte, Stellungnahmen der Fachverbände wie auch Expertinnen und Experten kritisieren den Charakter des „Werkzeugkastens“ in der Arbeitsmarktpolitik, das Nebeneinander unverbundener Instrumente, die isoliert und kurzfristig geplant sind und additiv oder gar in Förderkonkurrenz zu anderen eingesetzt werden. Erschwerend kommen die Trennung von Zuständigkeiten, die Fragmentierung der Rechtskreise, geringe Handlungsspielräume sowie eine hohe Fluktuation der Akteure hinzu.
Für eine Weiterentwicklung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wird deshalb ein integriertes Gesamtkonzept in Kooperation der Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Sozial- und Jugendpolitik empfohlen, das regional in bestehende Strukturen eingepasst wird. Es soll sich an den Zielen der „Ausbildung für alle“ und der „gesellschaftlichen Teilhabe für alle“ orientieren, von den Lebenskontexten und Perspektiven der Betroffenen ausgehen und für den Einzelfall flexible und miteinander kombinierbare Werkzeuge zur Verfügung stellen, die im Rahmen einer kontinuierlichen, modular aufeinander aufbauenden Förderung genutzt werden können.“
Die Expertise in vollem Textumfang ist in gedruckter Fom beim Paritätischen Gesamtverband (jugendsozialarbeit@paritaet.org) erhältlich.
http://www.der-paritaetische.de/22/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=2677&cHash=e2c3383e3b
http://www.der-paritaetische.de/uploads/media/expertise_arbeitsmarktpolitik_web.pdf
Quelle: Der Paritätische Gesamtverband Koopertionsverbund Jugendsozialarbeit