Wie verändert sich berufliche Ausbildung angesichts des demographischen Wandels?

EINJÄHRIGE BASISQUALIFIKATION FÜR ALLE JUGENDLICHE VERBINDLICH? Im Auftrag des Bundesbildungsministeriums (BMBF) hat die Prognos AG Berlin eine Expertise erstellt und darin die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die berufliche Ausbildung untersucht. In der aktuellen Veröffentlichung des BMBF werden entsprechende Ergebnisse – Trends und Szenarien – von heute bis 2035 vorgestellt. Für die Studie wurden folgende Konstellationen am Ausbildungsmarkt zu Grunde gelegt: * Das Angebot an Ausbildungsplätzen übersteigt die Nachfrage. * Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen übersteigt das Angebot * Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen sind ausgewogen. Die Expertise zeigt mögliche alternative Entwicklungen sowie Handlungspositionen für Einrichtungen der beruflichen Bildung auf. Auszüge aus der Publiktaton „Auswirkungen von demographischen Entwicklungen auf die berufliche Ausbildung“: “ … ZENTRALE RAHMENBEDINGUNGEN Die Zukunft der beruflichen Bildung ist vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels zu sehen. Vier zentrale Entwicklungen prägen Deutschland in den nächsten Jahren: Der Strukturwandel wird eine starke strukturelle Verschiebung der Beschäftigung nach sich ziehen und die Beschäftigung in Dienstleistungsberufen stärken. Für die berufliche Bildung bedeutet dies, mit dynamischen Entwicklungen im Hinblick auf Kompetenz- und Tätigkeitsprofile umgehen zu müssen, die zugleich eine deutlich stärkere Leistungsdifferenzierung erfordern als bislang. Der demographische Wandel sorgt für eine schrumpfende Bevölkerung, die zugleich deutlich älter wird. Dadurch wird die Zahl der ausbildungsberechtigten Jugendlichen deutlich zurückgehen, und zwar um knapp 1,5 Millionen (20%) bis 2035. Diese Entwicklungen treten regional unterschiedlich und zeitlich versetzt auf. Neben Auswirkungen auf den Bedarf an Infrastruktur wird es zu einem Fachkräftemangel kommen, dessen Konsequenzen kontrovers diskutiert werden. Die Globalisierung führt zu steigenden Anforderungen an die Internationalisierung der Unternehmen und geht mit einer zunehmenden Bedeutung von Abstimmungsprozessen auf europäischer Ebene einher. Gleichzeitig wird die internationale Mobilität von Jugendlichen zunehmen, was sowohl die Auswanderung als auch die Einwanderung betrifft und damit neue Anforderungen an interkulturelle Kompetenzen sowie den Umgang mit Migranten stellt. Die technologische Entwicklung prägt einerseits die Branchen und Tätigkeitsfelder der Beschäftigten und wirkt andererseits unmittelbar auf die Ausgestaltung der Ausbildung selbst. Verbunden wird dies insbesondere mit steigenden Leistungsanforderungen. Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen wurden zukünftiger Entwicklungen in folgenden Bereichen der beruflichen Bildung analysiert: – Zahl der Ausbildungsanfänger und Veränderungen in ihrer Bildungsentscheidung Die Zahl der Jugendlichen, die dem Ausbildungsmarkt potenziell zur Verfügung stehen, wird demographisch bedingt zurückgehen. Bis 2030 schrumpft die Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 17 und 25 Jahren – diejenige Altersgruppe, die die Ausbildungsplatznachfrage im Wesentlichen bestimmt – um rund ein Fünftel. Gleichzeitig verändert sich die Bildungsentscheidung der Jugendlichen. Der Trend zu höheren Schulabschlüssen hält an, gleichzeitig erhöhen die Studiengangsreformen des Bologna-Prozesses die Attraktivität einer akademischen Ausbildung. Die Konkurrenz zwischen dualer Ausbildung und Hochschulausbildung um den Fachkräftenachwuchs nimmt vor diesem Hintergrund zu. – Anpassungs- und Modernisierungsbedarf für die Bildungsanbieter in den einzelnen Säulen des Systems beruflicher Bildung Veränderte sozioökonomische Rahmenbedingungen machen quantitative und qualitative Anpassungen innerhalb des Systems der beruflichen Bildung notwendig. Auf der quantitativen Seite wird der Rückbau von Infrastruktur notwendig werden. Auszubildende werden daher häufiger als bisher in bundes- oder landesweiten Fachklassen gebündelt werden. In qualitativer Hinsicht ergeben sich neue Herausforderungen für die Bildungsdienstleister insbesondere durch eine höhere Autonomie und Verantwortung der regionalen Akteure. Dezentrale Steuerungs- und Koordinierungsmechanismen gewinnen an Bedeutung. Bildungsdienstleister, die bisher bspw. im Rahmen der außerbetrieblichen Ausbildung innerhalb des Übergangssystems tätig waren, sind von dieser Entwicklung besonders betroffen. Sinkende Schülerzahlen werden zu einer Verkleinerung des Übergangssystems führen. Bildungsanbieter in diesem Bildungsbereich müssen vor diesem Hintergrund neue Märkte erschließen, wollen sie ihren Bestand zukünftig sichern. – Zahl und Art der angebotenen dualen Ausbildungsplätze sowie Formen der betrieblichen Zusammenarbeit in der dualen Ausbildung. Das unternehmerische Verhalten wird durch den erwartbaren Fachkräftemangel kaum beeinflusst. Die Ausbildungsbereitschaft bleibt im Wesentlichen stabil. Dies betrifft auch die qualifikatorischen Anforderungen an den Fachkräftenachwuchs. Sind Ausbildungsanfänger nicht ausreichend qualifiziert, werden sie auch trotz Fachkräftemangel nicht eingestellt. Eher bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. Deutlich verändern wird sich jedoch das Verhältnis ausbildender Unternehmen untereinander. Die Konkurrenz um geeignete Auszubildende macht eine Zusammenarbeit der Unternehmen in der Ausbildung bspw. im Rahmen von Verbundausbildungen oder in überbetrieblichen Bildungsstätten unwahrscheinlicher. – Zukünftige Verwertbarkeit beruflicher Ausbildung für die Unternehmen vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konkurrenz um Fachkräfte und gestiegener Flexibilitätsanforderungen Veränderte ökonomische Rahmenbedingungen können die Verwertbarkeit der beruflichen Ausbildung für die Unternehmen verringern: Berufliche Qualifikationen können schneller veralten, flexiblere Arbeitnehmer die Dynamik von Arbeitsplatz- und Berufswechsel erhöhen. Dennoch reduzieren sich die Einstellungs- und Übernahmechancen für Auszubildende dadurch nicht. Im Gegenteil werden sich Einstellungs- und Übernahmechancen für ausreichend qualifizierten Fachkräftenachwuchs sogar erhöhen. Diese Entwicklung ist jedoch an eine Voraussetzung gebunden: Die Dualität der beruflichen Ausbildung bleibt auch bei einer formalen Gleichstellung schulischer Ausbildungsformen eine wesentliche Voraussetzung für den Arbeitsmarkterfolg. – Organisation beruflicher Bildung in einem einheitlichen europäischen Bildungsraum Ein einheitlicher europäischer Bildungsraum wird mittelfristig für die berufliche Ausbildung erreicht werden: Die Vergleichbarkeit und Anerkennung beruflicher Qualifikationen wird sich deutlich erhöhen. EU-weite Vorgaben zu beruflichen Kompetenzen werden hierfür das zentrale Instrument darstellen. Durch die stärkere Kompetenzorientierung werden informelle Formen des Lernens nicht nur für die Gestaltung der lebenslangen Bildungsbiographie immer wichtiger, sondern gewinnen auch in der beruflichen Ausbildung an Bedeutung. SZENARIEN … Beispielhaft drei Szenarien für den Zeitraum von 2016 bis 2025: * Szenario – Trotz umfangreicher Reformen sinkende Ausbildungsbeteiligung von unternehmen (Angebot und nachfrage stehen in einem ausgewogenen Verhältnis) Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen entwickeln sich in einer wirtschaftlich wenig dynamischen Zeit parallel rückläufig. Der Rückgang der Schulabsolventen geht einher mit einer Rückbesinnung der Unternehmen auf die Weiterbildung vorhandener Fachkräfte und die vermehrte Einstellung von Hochschulabsolventen. Die Anforderungen an die duale Ausbildung sind deutlich gestiegen. Mit entsprechenden schulischen Reformen und erheblichen Investitionen in die berufliche Ausbildung ist es jedoch gelungen, diesen Anforderungen erfolgreich zu begegnen. Dennoch können nicht alle Jugendlichen in gleichem Maße vom ausgeglichenen Ausbildungsmarkt profitieren: Jugendliche mit Migrationshintergrund gehören auch mittelfristig zu den benachteiligten Gruppen am Ausbildungsmarkt. Ähnliches gilt für Frauen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. Trotz Förderung der für diese Berufe notwendigen Kompetenzen in der Vergangenheit, konnte in diesem Bereich keine Änderung des traditionellen geschlechtsspezifischen Berufswahlverhaltens erreicht werden. Empfehlung Sicherung von Qualität und Transparenz in der beruflichen Ausbildung, um Ausbildungsengagement und Ausbildungsbereitschaft zu erhalten Die Ausbildungslandschaft hat sich in Quantität und Qualität deutlich verändert. Durch die Modularisierung der Ausbildungsgänge ist die früher zwei- bis dreijährige Ausbildung heute ähnlich dem Kurssystem an den Hochschulen gestaltet und setzt sich aus unterschiedlichen Bestandteilen theoretischer und praktischer Lerneinheiten zusammen. In Ergänzung der rückläufigen öffentlichen und betrieblichen Bildungsangebote haben sich die Anbieterstrukturen auf dem Ausbildungsmarkt diversifiziert. Hoch qualifizierte Tätigkeiten und technologische Neuerungen stellen zudem immer mehr Anforderungen an die Ausbildungsinhalte. Die Beschreibung einheitlicher Kompetenzstandards für alle Ausbildungsgänge durch den Deutschen bzw. Europäischen Qualifikationsrahmen bildet eine Grundlage. Das Kreditpunktesystem für die berufliche Bildung (European Credit Transfer System in Vocational Education and Training, ECVET) ist ein Instrument zur Herstellung von Transparenz über erworbene Kompetenzen. Mögliche Instrumente zur Sicherung von Qualität und Transparenz sind: – Einführung eines individuellen „Ausbildungsbuches“, das Stand der Ausbildung und absolvierte Ausbildungskurse dokumentiert – Akkreditierung von Ausbildungsgängen und Anbietern – Regelmäßige Evaluationen zur Überprüfung von Ausbildungsanbietern und Ausbildungsangeboten * Szenario 2 – Vielfalt der Ausbildung als Strategie gegen den Fachkräftemangel (Angebot an Ausbildungsplätzen übersteigt die Nachfrage) Der Rückgang der Schülerzahlen führt zu einem erheblichen Nachwuchskräftemangel aufseiten der Unternehmen. Zahlreiche Ausbildungsplätze bleiben aufgrund fehlender geeigneter Bewerber unbesetzt. Vor diesem Hintergrund gewinnen betriebliche Maßnahmen zur besseren Integration älterer Arbeitnehmer und zur Förderung des lebenslangen Lernens einen deutlichen Bedeutungsaufschwung. Die Förderung betrieblicher Weiterbildung wird zur zentralen Strategie der Unternehmen zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses. Parallel zu dieser Entwicklung haben die Anforderungen der Unternehmen an die duale Ausbildung zugenommen. Durch umfangreiche Investitionen in die allgemeinbildende und berufliche Bildung konnte diesen neuen Anforderungen Rechnung getragen werden. Die hohen Investitionen haben sich ausgezahlt. Gleichzeitig wurden im Bereich der beruflichen Bildung umfangreiche Strukturreformen umgesetzt. Der Erwerb von Einstiegs- und Teilqualifikationen und von zusätzlichen Zertifikaten ist umfassend möglich, die Orientierung an beruflichen Kompetenzen in der beruflichen Ausbildung hat zugenommen. Die Durchlässigkeit zwischen einzelnen Berufsgruppen, zwischen dem Übergangssystem und der dualen Ausbildung sowie zwischen der dualen Ausbildung und der akademischen Bildung konnte dadurch umfassend erhöht werden. Die Vielfalt der Angebote beruflicher Bildung nimmt dadurch zu. Gleichzeitig reizt der Wettbewerb um die besten Köpfe auch private Bildungsanbieter an, sich stärker im Bereich der beruflichen Ausbildung zu engagieren. Diese Anbieter finden und gestalten damit einen neuen Markt: Vor dem Hintergrund der Wissensgesellschaft sind immer mehr Menschen bereit, auch privat in die berufliche Ausbildung zu investieren. Empfehlung: 1. Internationale Abschlüsse anerkennen, um den Markt potenziellen Nachwuchses zu vergrößern Der demographische Wandel hat zu einem deutlichen Rückgang der Ausbildungsbevölkerung geführt. Auf dem Ausbildungsmarkt besteht ein deutlicher Überhang des Ausbildungsangebotes, die Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihren Bedarf an Nachwuchskräften zu decken. Immer mehr Unternehmen verbreitern ihre Personalstrategie und werben neue Arbeitskräfte bspw. aus Hochschulen an bzw. verfolgen eine langfristige Personalentwicklung ihrer Mitarbeiter. Angesichts der weiter rückläufigen Bevölkerungszahlen und des hohen internationalen Wettbewerbs reichen diese Aktivitäten nicht aus. Es gilt, die europäische und internationale Zusammenarbeit in der beruflichen Ausbildung zu verstärken. Mit der Einführung des EQR, des DQR und des ECVET sind die Grundlagen für die Anerkennung internationaler Schul- und Ausbildungsabschlüsse und die Förderung von Mobilität innerhalb und zwischen den nationalen Bildungs- und Beschäftigungssystemen in Europa gegeben. Beispielhafte Aktivitäten sind: – Einrichten einer zentralen Stelle zur Prüfung und Bewertung internationaler Abschlüsse (vgl. Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz für Schulabschlüsse) – Beratungsstelle für Unternehmen zur Begleitung der internationalen Aktivitäten – Vermittlungsstelle für interessierte Jugendliche und Unternehmen („Ausbildungs-Börse“) 2. Internationale Auszubildende rekrutieren, um dem Mangel an Nachwuchskräften entgegenzuwirken Das deutsche Berufsbildungssystem ist international anerkannt und gilt insbesondere aufgrund der dualen Ausbildung als Erfolgsmodell. Über internationale Kooperationen kann der Bekanntheitsgrad und die Anziehungskraft des deutschen Ausbildungssystems besser vermarktet werden und so neue Ausbildungsbewerber gewonnen werden. Beispielhafte Aktivitäten sind: – Internationale Kooperationen für Berufsschulen nach dem Vorbild der „Schulpartnerschaften“ an den allgemeinbildenden Schulen initiieren. – Kampagne: „Deutschland das Land der Ausbildung“ 3. Förderung des „regaining“ von Nachwuchs- und Fachkräften, um die dauerhafte Abwanderung zu verhindern Der internationale Austausch zu Ausbildungszwecken wird intensiv betrieben. Von zentraler Bedeutung ist dabei, die dauerhafte Abwanderung von Fachkräften aus Deutschland zu verhindern bzw. ihr entgegenzuwirken. Das „Regaining“ von Arbeitskräften muss eine zentrale Aufgabe des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes sein. Denkbare „Regaining“-Instrumente: – Informationsbroschüre und aktives Marketing „Standort Deutschland“ – Angliederung der Marketingaufgaben an bestehende Strukturen bspw. der Außenhandelskammern oder der Goethe-Institute – „Tag der offenen Tür“ in Außenhandelskammern zur Informationen über den Arbeitsmarkt in Deutschland. * Szenario 3 – Duale Ausbildung verliert im Wettbewerb (Nachfrage nach Ausbildungsplätzen übersteigt das Angebot) Trotz zurückgehender Schülerzahlen bekommen nicht alle Ausbildungssuchenden einen Ausbildungsplatz im dualen System, sondern die Unternehmen ziehen sich mehr und mehr aus der beruflichen Ausbildung zurück. Ein deutlicher Ausbildungsplatzmangel ist das Resultat. Gründe für diesen Rückzug der Unternehmen aus der beruflichen Ausbildung sind dabei fehlende finanzielle Ressourcen aufgrund einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung sowie eine mangelnde Qualität der dualen Ausbildung sowie der allgemeinbildenden Schulen. Vor diesem Hintergrund nutzen die Unternehmen verstärkt andere Märkte zur Deckung ihres Fachkräftebedarfs. Ältere Arbeitnehmer werden kontinuierlich betrieblich qualifiziert und die Bemühungen, sie länger in den Unternehmen zu halten, ausgeweitet. Zusätzlich werden verstärkt Hochschulabsolventen eingestellt sowie internationale Arbeitskräfte angeworben. Die schlechte Qualität der beruflichen Ausbildung wird auch nicht durch private Bildungsangebote und Bildungsanbieter aufgefangen. Aufgrund der fehlenden Nachfrage vonseiten der Unternehmen investieren sie insbesondere in tertiäre Ausbildungsformen sowie die Weiterbildung. Empfehlung 1. Sicherung und Förderung der sozialen Verantwortung der Unternehmen für die Ausbildung, um Jugendliche zu integrieren Der größte Teil der Jugendlichen erwirbt mit dem Abschluss der Schule eine Hochschulzugangsberechtigung und entscheidet sich für eine Ausbildung an der Hochschule. Gleichzeitig hat der allgemeine Strukturwandel den Trend zur Höherqualifizierung immer weiter verschärft und führt zu einer hohen Nachfrage nach hoch qualifizierten Dienstleistungstätigkeiten. Vor allem für diejenigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die dem allgemeinen Trend an die Hochschulen nicht folgen können, stehen keine Ausbildungsangebote zur Verfügung. Um der verschärften Situation am Ausbildungsmarkt entgegenzutreten, müssen Unternehmen die – soziale – Verantwortung für die eigene Nachwuchssicherung, aber auch die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt annehmen. Eine möglichst große Zahl an Jugendlichen soll Perspektiven für den Einstieg in die berufliche Ausbildung und den Arbeitsmarkt erhalten. Beispielhafte Aktivitäten sind: – Aufrechterhalten der Ausbildungspaktes – Förderung der sozialen Verantwortung von Unternehmen zu Ausbildungszwecken durch steuerliche Vergünstigungen oder Prämienregelungen 2. Durch „Beratung und Matching“ ausbildungswillige Unternehmen und Jugendliche erfolgreich vermitteln und so die Ausbildungsquote erhöhen Die erfolgreiche Vermittlung von ausbildungswilligen Jugendlichen an ausbildende Unternehmen wird in einer immer bunteren Bildungslandschaft deutlich schwieriger. Sowohl aus Sicht des einzelnen Jugendlichen und seiner Eltern als auch aus Sicht des Unternehmens gewinnen Beratungs- und Vermittlungsangebote immer mehr an Bedeutung. Instrumente können sein: – Fortführung und Ausweitung von Programmen zur Förderung der passgenauen Vermittlung Auszubildender. Wichtige Elemente sind hierbei eine individuelle Unterstützung von Unternehmen und Auszubildenden durch den flächendeckenden Einsatz von: * „Ausbildungsmanagern“, welche den Bewerbungs- und Auswahlprozess im Rahmen der Ausbildung für beide Seiten unterstützen * „Ausbildungsberatern“, die gezielt als Mentoren für Auszubildende und Unternehmen eingesetzt werden – Flächendeckende Implementierung eines Netzwerks regionaler Bildungsberatungsbüros mit einem Beratungs- und Informationsangebot zu allen Stationen der Bildungsbiographie. … ÜBERGREIFENDE EMPFEHLUNGEN FÜR EINE ZUKUNFTSFÄHIGE BERUFLICHE AUSBILDUNG … * Integration in die berufliche Ausbildung durch Basisqualifikation und Durchlässigkeit verbessern Die Integration von gering qualifizierten Jugendlichen in die berufliche Ausbildung und den Arbeitsmarkt ist auch zukünftig ein zentrales Handlungsfeld. Steigende Leistungsanforderungen und die Einführung neuer Technologien verschlechtern nach Einschätzung der Experten die Zugangschancen für diese Gruppe. In den Szenarien wird deutlich, dass eine sinkende Ausbildungsbevölkerung die Integrationsproblematik nicht zwangsläufig entschärft. Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels bleiben adäquate Qualifikationen und Kompetenzen der Schulabsolventen das entscheidende Einstellungsmerkmal. In der Folge besteht für die Zukunftsfähigkeit des Systems der beruflichen Ausbildung eine doppelte Herausforderung. Auf der einen Seite sollen über eine Diversifizierung des Systems der beruflichen Ausbildung neue Einstiegs- und Integrationsmöglichkeiten für Jugendliche mit Startschwierigkeiten geschaffen werden. Auf der anderen Seite muss die Durchlässigkeit des Systems der dualen Ausbildung weiter erhöht werden, sodass Einstiegs- und Teilqualifikation nicht ohne Anschluss- und Weiterqualifizierungsmöglichkeiten verbleiben. Empfehlung Die unterschiedlichen bestehenden Angebote des Übergangssystems (BVJ, BGJ, EQJ etc.) werden durch die Einführung einer einheitlichen und arbeitsmarkrelevanten (anerkannten) beruflichen Basisqualifikation für einfache Tätigkeiten ersetzt. Gleichzeitigkeit wird die Durchlässigkeit der dualen Ausbildung weiter erhöht, die berufliche Basisqualifikation muss voll auf anschließende Weiterqualifikationen und Ausbildungsmodule angerechnet werden. … Denkbare Lösungsansätze – Einführung einer einjährigen beruflichen Basisqualifikation, die das erste Ausbildungsjahr der dualen Ausbildung vollständig ersetzt. Die klassische duale Ausbildung schließt sich (dann in verkürzter Form) erst an diese berufliche Basisqualifikation an. – Besteht kein Ausbildungsvertrag oder wird keine weiterführende Schule besucht, ist das Absolvieren der beruflichen Basisqualifikation für alle unter 18-Jährigen verpflichtend. – Die Aufteilung von schulischem und betrieblichem Lernort ist an der bestehenden Form der dualen Ausbildung orientiert: Der schulische Teil der Basisqualifikation findet dabei an den Berufsschulen statt, betriebspraktische Erfahrungen werden in einem Praktikumsbetrieb gesammelt. – Die berufliche Basisqualifikation wird branchenspezifisch angeboten. Beispielsweise sind die Bereiche Pflege, Technik, Bau, Verkauf etc. denkbar. … – Die berufliche Basisqualifikation ist zukünftig die anerkannte Zugangsvoraussetzung für sämtliche einfache Tätigkeiten in allen Branchen (Verkaufstätigkeiten im Einzelhandel, Hilfstätigkeiten am Bau und im Handwerk, einfache pflegerische Aufgaben etc.). … – Die Einstellungschancen nach dem Absolvieren der Basisqualifikation erhöhen sich für Jugendliche mit Startschwierigkeiten: Der Jugendliche verfügt bereits über eine Grundqualifikation für einfache Tätigkeiten, ggf. konnten Auszubildender und Unternehmen sich bereits im Rahmen des Praktikums kennenlernen. Darüber hinaus stellt das Unternehmen den Absolventen der Basisqualifikation über einen normalen Arbeitsvertrag an, das Unternehmen muss sich nicht mehr im Rahmen eines Ausbildungsvertrags langfristig binden. – Eine Stigmatisierung der Jugendlichen im Übergangssystem als „BVJ-ler“ etc. wird vermieden, indem jeder Auszubildende die Basisqualifikation absolviert und sich erst danach entscheidet, ob er eine vollständige duale Ausbildung absolviert. … Verantwortlichkeit Die Zuständigkeit für die Reform und Modernisierung der Ausbildungsordnungen liegt bei den Sozialpartnern sowie dem Bund und den Ländern, die in einem kooperativen Verfahren Inhalte und Verfahren festlegen. … * Förderung der Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund Internationale und nationale Leistungsvergleiche zeigen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht nur im Bildungswesen, sondern auch auf dem Ausbildungsmarkt bei gleichen Ausgangsbedingungen und ähnlichen Bewerbungsstrategien geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben. In der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen blieben im Jahr 2003 mehr als ein Drittel zugewanderter Jugendlicher ohne Berufsabschluss. Die Untersuchung liefert erste Hinweise auf eine Entspannung der Situation in der Zukunft: Bereits bis zum Jahr 2015 wird die Integration in den Ausbildungsmarkt weniger über die Herkunft der Jugendlichen als über den Schulabschluss determiniert. Bei steigenden formalen Qualifikationen von Schulabsolventen werden Zuwanderer im Vergleich zu Jugendlichen mit niedrigen oder keinen Bildungsabschlüssen am wenigsten benachteiligt. Die Szenarien weisen jedoch darauf hin, dass die Gewinnung und Sicherung der Potenziale der Jugendlichen mit Migrationshintergrund heute und zukünftig von hoher Bedeutung ist. Steigende Leistungsanforderungen, zunehmende Migrationsströme und sinkende Nachwuchszahlen führen in den Szenarien oftmals dazu, dass die Integrationseffektivität des Ausbildungssystems nicht ausreicht und neue Möglichkeiten für diese Zielgruppe eröffnet werden müssen. Empfehlung Das System der beruflichen Ausbildung muss so gestaltet sein, dass es den steigenden Ansprüchen einer globalisierten und technologisierten Arbeitswelt und Gesellschaft gerecht werden kann, ohne seine eigene Integrationsfähigkeit zu gefährden. Dabei geht es einmal darum, möglichst allen Jugendlichen den Weg in die Ausbildung zu eröffnen. Vor dem Hintergrund der sinkenden Zahl von Ausbildungsanfängern gewinnt jedoch ebenso die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus volks- und betriebswirtschaftlicher Sicht (Nachwuchskräftesicherung) immer mehr an Bedeutung. Der Nationale Integrationsplan bietet einen guten Rahmen, der durch gezielte Maßnahmen und Unterstützungsleistungen gefüllt werden muss. … Denkbare Lösungsansätze – Erweiterung des Erkenntnisstandes im Hinblick auf die berufliche Aus- und Weiterbildung von Migranten und Migrantinnen durch wissenschaftliche Studien und Forschung – Definition interkultureller Bildung als fester Bestandteil in der beruflichen Ausbildung bspw. durch die Aufnahme in die Ausbilder- Eignungsverordnung, Fortbildungen von Lehrkräften zur Wahrnehmung des Sprachbildungsauftrags, Steigerung der Sprachfähigkeit von Auszubildenden durch Fremdsprachenunterricht oder die Integration von Muttersprachenunterricht – Auflösen vorhandener Stereotype, bspw. die Verbesserung der Wahrnehmung von kultureller Heterogenität als betriebswirtschaftliches Potenzial – Begleitung des Übergangs der Jugendlichen von der Schule in die Ausbildung und während der Ausbildung bspw. durch Mentoring-Programme, berufsbegleitende Nachqualifizierungen etc. Verantwortlichkeit – Die Steigerung der Integrationseffektivität des Ausbildungssystems in Bezug auf Jugendliche mit Migrationshintergrund ist Bestandteil des staatlichen Bildungsauftrags. Entsprechend den Mischzuständigkeiten von Bund und Ländern sind beide Ebenen gefordert. Für das BMBF besteht die Möglichkeit, Fördermaßnahmen aufzusetzen. …“ Die Expertise in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

http://www.bmbf.de
http://www.bmbf.de/pub/auswirkungen_demografische_entwicklung_berufliche_ausbildung.pdf

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Dokumente: auswirkungen_demografische_entwicklung_berufliche_ausbildung.pdf

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