Einsparungen in der Arbeitsmarktpolitik zementieren Sockelarbeitslosigkeit

Am 23. November entscheidet der Bundestag über den Haushalt für 2011. Ein entsprechender Entwurf wurde bereits im September in erster Lesung im Bundestag beraten. Der Etat für die „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach SGB II“ wird um 1,3 Milliarden Euro gekürzt werden. Für 2013 ist eine weitere Reduzierung um 0,5 Milliarden Euro vorgesehen. Hilfeleistungen – auch öffentlich geförderte Beschäftigung -, die Menschen eine Perspektive bieten und für Integration in Arbeit sorgen, fallen damit weg. Ein Beitrag in der aktuellen Ausgabe der „neuen Caritas“ fast die Situation sowie längerfristige Auswirkungen zusammen.

Auszüge aus dem Artikel „Bundesregierung zementiert Sockelarbeitslosgkeit“ von Reiner Sans:
„Weiter kommt die aktuelle Vorgabe des Haushaltsausschusses des Bundestages und der Bundesagentur für Arbeit hinzu, die Eingliederungsquote (also die Integration in den ersten Arbeitsmarkt) um fünf Prozent zu steigern. Das heißt, die ohnehin schon stark reduzierten Eingliederungsmittel werden künftig verstärkt in Maßnahmen investiert, die direkt auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt abzielen. Dazu gehören insbesondere die „Förderung der beruflichen Weiterbildung“ (FbW) und die Maßnahmen nach § 46 SGB III, der „Eingliederungszuschuss“ (EGZ) sowie das „Einstiegsgeld“ (ESG). In der logischen Folge werden die Förderungen zur sozialen Integration wie zum Beispiel Arbeitsgelegenheiten (AGH) und die „Job-Perspektive“ an Bedeutung verlieren.

Gerechtfertigt werden diese Kürzungen, Umschichtungen und Vorgaben von Regierungspolitiker(inne)n: Aufgrund der Wirtschaftsentwicklung ginge man von einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit aus. … Natürlich hat der Bundesfinanzminister recht, wenn er sagt, dass wir unsere sozialen Sicherungssysteme so ausrichten müssten, dass sie zur Aufnahme regulärer Beschäftigung motivieren und nicht gegenteilige Anreize setzen. Doch die zentrale gesellschaftliche Frage muss sein, wie mit jenen Menschen umgegangen wird, die aus welchen Gründen auch immer, keine reguläre Beschäftigung finden. Diese Frage gilt es mit verantwortlichen Strategien zu beantworten. …

Die Folgen der Kürzungen für die Beschäftigungsträger sind verheerend. Dieser Sektor ist ohnehin wie kaum ein anderer sozialer Bereich gekennzeichnet durch permanente Veränderung der Eingliederungsinstrumente und der Förderpolitik. Dementsprechend hoch ist die Anpassungs- und Innovationsfähigkeit in den Beschäftigungsbetrieben. Aber was an Kürzungen in den nächsten drei Jahren geplant ist, trifft die Beschäftigungsbetriebe bis ins Mark. Das sind keine Kassandrarufe, sondern die derzeit erlebte bittere Realität an vielen Orten in Deutschland. Undenkbar, was passieren würde, wenn auch nur ein Bruchteil dieser prozentualen Kürzungen im Kranken- oder im Rentenrecht vorgenommen werden würde. Aber langzeitarbeitslose Menschen und die sich um sie sorgenden Beschäftigungsbetriebe haben in Deutschland derzeit offensichtlich keine Lobby.

Die öffentlich geförderte Beschäftigung wird behandelt wie ein lästiges Übel und allenfalls geduldet. Sie wird der Verschwendung von Steuergeldern bezichtigt. Damit werden einzugliedernde langzeitarbeitslose Menschen gleichermaßen diskreditiert wie die Beschäftigungsberiebe und ihre vielfach über die Maßen engagiert und kreativen Mitarbeiter(innen). …

Derzeit erfährt ein an sich gutes Eingliederungsinstrument, die Arbeitsgelegenheit (AGH) mit Mehraufwandsentschädigung – auch Ein-Euro-Job genannt – einen Niedergang. Sturmreif geschossen wurde es insbesondere durch die vielleicht formal korrekten, aber in der Gesamtschau unverantwortlichen Analysen des Bundesrechnungshofes, die die Haushaltspolitiker(innen) auf den Plan riefen, die ihrerseits das Bundesarbeitsministerium unter Druck setzen. Im Kern der Auseinandersetzung steht das Merkmal der „Zusätzlichkeit“. Bereits bei der Einführung des Ein-Euro-Jobs im Jahre 2005 war klar, dass hier eine Quadratur des Kreises versucht wird. Die Beschäftigungsfelder sollten nicht wettbewerbsverzerrend sein, gleichzeitig aber für den ersten Arbeitsmarkt qualifizieren. Hier wurde vom Gesetzgeber bewusst eine konfliktbeladene Schnittstelle geschaffen, die man nicht mit einer dem Bundesrechnungshof eigenen Herangehensweise lösen kann. Eine strenge Beachtung des Merkmals „Zusätzlichkeit“ führt nämlich dazu, dass weitgehend nur noch arbeitsmarktfernere Tätigkeiten verrichtet werden dürfen, die wiederum für eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt wenig förderlich sind.

Bei einer dringend erforderlichen Neuordnung nicht nur der Integrationsinstrumente, sondern der gesamten öffentlich geförderten Beschäftigung muss Abschied genommen werden von der Illusion, dass diese Jobs zusätzlich seien. Ebenso verabschieden sollte man sich von der Fiktion, dass diese Beschäftigung nicht mit dem ersten Arbeitsmarkt konkurriert. Im Bereich der Werkstätten für Behinderte und der Integrationsfirmen ist dies eine allseits anerkannte Selbstverständlichkeit. Die gesellschaftspolitischen Notwendigkeiten sind aber bei der Integration von langzeitarbeitslosen Menschen genauso gegeben. … Auch arbeitsmarktfernere Menschen haben ein Recht auf Teilhabe durch sinnvolle Beschäftigung. … „

Den vollständigen Artikel entnehmen Sei bitte der „neue caritas“ 20/2010 vom 15.11.2010.

Quelle: BAG IDA

Ähnliche Artikel

Skip to content