Entwicklungen auf dem Ausbildungsstellenmarkt

Auszüge aus der Studie „Besetzung von Ausbildungsstellen“ von Margit Ebbinghaus und Katarzyna Loter:
Besetzung von Ausbildungsstellen

Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt erscheint paradox: Auf der einen Seite mehren sich Meldungen und Berichte, dass Betriebe händeringend, aber erfolglos nach Auszubildenden suchen. Auf der anderen Seite bleiben ausbildungsinteressierte Jugendliche – teilweise mehrere Jahre in Folge – ohne eine betriebliche Lehrstelle. …
Die Daten der BA weisen (jeweils zum Stichtag 30.09) seit 2004 eine kontinuierliche, allerdings eher moderate Zunahme bei den unbesetzten Ausbildungsplätzen aus. Die in den Jahren 2007 und 2008 vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Rahmen des Ausbildungsmonitors durchgeführten Betriebsbefragungen zeigen mit jeweils knapp 15% konstante Anteile von Betrieben mit unbesetzten
Ausbildungsstellen. Hingegen indizieren die jährlich vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag durchgeführten Befragungen von IHK-Betrieben einen deutlichen Anstieg der von Lehrstellenvakanzen betroffenen Betriebe – von 15% im Jahr 2007 auf jeweils 21 % in den Jahren 2008 und 2009 (DIHK 2010).
Ungeachtet der Größenordnung lassen sich unbesetzte Ausbildungsstellen – wie Unausgeglichenheiten zwischen Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage insgesamt – grundsätzlich als Ausdruck eines Passungsproblems, eines sogenannten Mismatchs, verstehen: Ausbildungsplatzangebot und Ausbildungsplatznachfrage passen (�matchen‘) nicht zusammen. In der theoretischen Literatur werden in der Regel vier Formen des Mismatches unterschieden, die einzeln oder kombiniert auftreten und zu Lehrstellenvakanzen beitragen können. ## ein regionaler Mismatch
## ein beruflicher Mismatch
## ein Informationsmismatch
## ein qualifikatorischer Mismatch

Während bei den drei zuerst genannten Formen des Mismatchs versucht werden kann, die Passung von Angebot und Nachfrage etwa durch eine Verbesserung der Informationslage über Ausbildungsberufe, Ausbildungsbetriebe und -angebote, eine stärkere Vernetzung der Akteure oder eine finanzielle Unterstützung von Umzüglern und Pendlern zu erhöhen, stellt sich die Situation beim qualifikatorischen Mismatch anders dar. Er kann nur durch Kompromisse bei den geforderten Eingangsvoraussetzungen überwunden werden. Zu solchen Kompromissen scheinen Ausbildungsbetriebe allerdings nur bedingt bereit zu sein. …
Zugleich ist der qualifikatorische Mismatch der am häufigsten benannte Grund für vakante Ausbildungsplätze. Die Ursache des Matchingproblems wird dabei in erster Linie bei den Bewerbern gesehen. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die Ursachen des qualifikatorischen Mismatches auch bei den Betrieben liegen. …

Wie gehen Betriebe mit einem qualifikatorischen Mismatch um?
… Die drei Fallgruppen, die hier näher betrachtet werden sollen, sind unterschiedlich stark besetzt. Die große Mehrheit bilden Betriebe, denen es gelungen ist, für alle angebotenen Ausbildungsplätze Bewerber zu finden. Allerdings entsprachen die unter Vertrag genommenen Jugendlichen bei knapp der Hälfte dieser Betriebe nicht immer den Wunschvorstellungen. Es kann damit angenommen werden, dass diese Betriebe zu Kompromissen bei den Eingangsvoraussetzungen der Jugendlichen bereit waren. Es zeigt sich aber auch, dass es jedem siebten Betrieb aus Mangel an geeigneten Bewerbern nicht gelungen ist, alle angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen. …

Auf der Suche nach den Hintergründen der unterschiedlich erfolgreichen Besetzungsprozesse soll zunächst ein Blick auf den Einfluss struktureller Betriebsmerkmale geworfen werden. Hier zeigen sich bereits einige Auffälligkeiten. Dabei überraschen weniger die Unterschiede in Abhängigkeit der Betriebsgröße – … – und auch nicht die zwischen Betrieben aus West- und Ostdeutschland – … . Auffällig sind vielmehr die Verschiebungen, die sich bei einer Differenzierung nach Wirtschaftssektoren sowie nach Zuständigkeitsbereichen ergeben. Interessant sind diese Befunde vor allem deshalb, weil sich trotz hoher Korrelationen zwischen Wirtschaftssektor und Zuständigkeitsbereich je nach Differenzierung unterschiedliche Tendenzen zeigen. Das betrifft zunächst einmal die Betriebe des öffentlichen Sektors im Vergleich zu Betrieben, die der Zuständigkeit sonstiger Stellen unterliegen. Betriebe des öffentlichen Bereiches gehören überproportional häufig der Fallgruppe II an, also den Betrieben, die im Interesse der Lehrstellenbesetzung offenbar zu Abstrichen bei den geforderten Eingangsqualifikationen bereit sind. Entsprechend selten sind sie in der Fallgruppe III (Betriebe mit unbesetzten Ausbildungsstellen) vertreten. Zwar trifft Letzteres auch auf Betriebe im Zuständigkeitsbereich der sonstigen Kammern zu, sie sind aber nicht parallel dazu auch überproportional in der Fallgruppe II, sondern in der Fallgruppe I vertreten, also der Gruppe, die ihre Ausbildungsstellen in weitgehend idealer Weise besetzen konnte. In dieser wiederum sind interessanterweise Betriebe des öffentlichen Sektors unterrepräsentiert. Der zweite prägnante Befund betrifft Betriebe des sekundären Sektors im Verglich zu denen im Zuständigkeitsbereich der Handwerkskammern. Während Handwerksbetriebe auffallend selten in der anscheinend kompromissbereiten Fallgruppe II zu finden, stattdessen aber etwas überproportioniert unter den
Betrieben vertreten sind, die aufgrund qualifikatorischer Passungsprobleme Vakanzen zu beklagen haben (Fallgruppe III), zeigen sich bei den Betrieben des sekundären Sektors – bezogen auf die
Verteilung in der Gesamtstichprobe – keine auffälligen Abweichungen.

Sicherung des Fachkräftebedarfs
Wie wollen die Betriebe den erwarteten Fachkräftebedarf sichern? Auch hier zeigen sich keine allzu großen Differenzen zwischen den drei Fallgruppen. … Wenn es um die Sicherung des Fachkräftebedarfs geht, steht in allen drei Fallgruppen die eigene Ausbildung an erster Stelle. In Fallgruppe I (keine Besetzungsprobleme) teilt sich die
eigene Ausbildung allerdings den Spitzenplatz mit der Weiterqualifizierung von bereits im Betrieb beschäftigten Mitarbeitern, ein Weg, der bei den beiden anderen Fallgruppen an zweiter Stelle kommt. Auch die Rangfolge der zwei verbleibenden Besetzungsoptionen ist in allen drei Fallgruppen gleich: Die Rekrutierung von unerfahrenen Fachkräften rangiert hinter der von erfahrenen Fachkräften vom Arbeitsmarkt. …

Entgegen den Erwartungen haben Betriebe, die relativ kurzfristig mit der Suche nach Auszubildenden beginnen, auffallend selten, und Betriebe, die mit großem zeitlichen Vorlauf suchen, auffallend häufig Probleme damit, hinreichend geeignete Bewerber zu akquirieren, um alle Ausbildungsplätze besetzen zu können. Gut jedem fünften Betrieb gelingt es trotz einer Rekrutierungsdauer von sieben oder mehr Monaten nicht, so viele geeignete Bewerber zu finden, wie Ausbildungsstellen angeboten werden. Zugleich ist der Anteil dieser frühzeitig suchenden Betriebe, dem es gelingt, qualifikatorische Passungsprobleme zu vermeiden, unterproportional klein.
Von den Betrieben, die höchstens ein halbes Jahr vor Ausbildungsbeginn anfangen, sich nach geeigneten Kandidaten umzuschauen, ist gerade mal jeder zwanzigste von dem Problem betroffen, wegen eines Mismatchs zwischen betriebsseitig gewünschten und bewerberseitig mitgebrachten
Leistungsvoraussetzungen Vakanzen hinnehmen zu müssen. Ganz im Gegenteil gelingt ihnen der qualifikatorische Match sogar etwas häufiger als dem Durchschnitt. …

Diskussion
… Was das Auftreten von Passungsproblemen bei der Lehrstellenbesetzung betrifft, so indizieren die insbesondere hervorgetretenen Unterschiede zwischen Betrieben aus den neuen und den alten Ländern, dass die hier aus der Perspektive des qualifikatorischen Mismatchs betrachteten Schwierigkeiten bei der Gewinnung zukünftiger Auszubildender nicht allein auf eine mangelnde Passung der vom Betrieb erwarteten und der vom Bewerber mitgebrachten Qualifikationen zurückgeht. Stattdessen sprechen die Befunde dafür, dass hier auch Aspekte anderer MismatchFormen, vor allem des regionalen Mismatchs, zum Tragen kommen. … Darüber hinaus belegen die Befunde aber auch eindrücklich, dass Besetzungs- resp.
Passungsprobleme mit den Anforderungen der Betriebe an die Ausbildungsplatzbewerber im Zusammenhang stehen: Betriebe mit Besetzungsproblemen stellen im Leistungsbereich (Testergebnisse, Schulleistungen, Fremdsprachenkenntnisse) höhere Anforderungen als Betriebe ohne Besetzungsprobleme. Letztere legen vergleichsweise höheren Wert auf die soziale Kompetenz (Eindruck, Vereinsengagement). Wie mit qualifikatorisch bedingten Schwierigkeiten bei der Ausbildungsplatzbesetzung umgegangen wird, ob also die Anforderungen an die Bewerber abgesenkt werden oder die Lehrstelle unbesetzt bleibt, scheint aufgrund der vorliegenden Befunde in erster Linie vom Stellenwert abzuhängen, den die Ausbildung in der betrieblichen Personalpolitik hat. Aus dem Gesamtmodell geht deutlich hervor, dass sich die Chancen, Kompromisse in Bezug auf die Bewerberqualifikationen zu schließen, deutlich erhöhen, wenn in der eigenen Ausbildung ein wichtiges Instrument der Fachkräftesicherung gesehen wird. …

Zusammenfassend bieten die Befunde Einblicke in das komplexe Zusammenspiel verschiedener Faktoren für das Entstehen von (qualifikatorischen) Mismatches und den Umgang mit Matchingproblemen bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Dabei können Befunde aus anderen Studien, wonach Betriebe durch das von ihnen formulierte Anspruchsniveau zum Entstehen von Vakanzen resp. qualifikatorischen Mismatches mit beitragen bestätigt werden. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Differenzierung zwischen Ursache und Wirkung nicht einfach ist. Das legen in besonderem Maße die Befunde zum Einfluss des Rekrutierungsbeginns nahe, die auf komplexe Wechselbeziehungen zwischen Anforderungen, Suchdauer und Suchergebnis hindeuten. So spricht einiges für die Annahme, dass der frühzeitige Einstieg in die Rekrutierung zukünftiger Auszubildender eher durch das Interesse motiviert ist, unter vielen Bewerbungen die am geeignetsten erscheinenden Kandidaten auswählen zu können, als Ursache für den Ausgang des Besetzungsverfahrens zu sein. … „

Die Untersuchung in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link.

http://www.bibb.de/de/55671.htm

Quelle: BiBB

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