Wohin auf dem Arbeitsmarkt ohne Ausbildung?

Die Bertelsmann Stiftung legt eine Studie zur Entwicklung Ausbildungsloser vor: In Westdeutschland verfügen rund ein Fünftel aller jungen Erwachsenen nicht über eine Berufsausbildung. Selbst junge Menschen mit einem mittleren Schulabschluss haben es immer schwerer, eine Ausbildungsstelle zu finden. Ein Haupt- oder Realschulabschluss alleine reicht im Regelfall nicht aus, um Anschluss an den Arbeitsmarkt zu finden. Ohne anschließende Ausbildung sind diese jungen Menschen einem sehr hohen Risiko ausgesetzt, arbeitslos zu sein. Eine Teilnahme am Erwerbsleben wird ihnen häufig nur über gerinfügige Beschäftigungsverhältnisse ermöglicht.

Ausbildungslosigkeit betrifft in zunehmendem Maße Realschulabsolventen und Abiturienten

Die Untersuchung verdeutlicht die Wichtigkeit einer Berufsausbildung für die Teilnahme am Arbeitsmarkt: Zwar stellen nach wie vor junge Erwachsene ganz ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss den größten Anteil der 25- bis 34-Jährigen, die über keine Berufsausbildung verfügen. Seit Mitte der 1990er Jahre sind aber in zunehmendem Maße auch Realschulabsolventen und (Fach-)Abiturienten von Ausbildungslosigkeit beroffen. In Westdeutschland ist diese Gruppe inzwischen fast genauso groß wie die der junge Erwachsenen ohne Hauptschulabschluss (281.000 Personen). Ausbildungslosigkeit hat für die jungen Menschen fatale Folgen: Die Chance auf eine Voll- oder Teilzeiterwerbstätigkeit ist für Personen ohne beruflichen Abschluss seit 1996 deutlich gesunken, ihr Arbeitslosigkeitsrisiko hat merklich zugenommen.

Damit jeder Jugendliche eine berufliche Qualifikation erhalten kann, fordert Dr. Jörg Präger, für Bildung zuständiges Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, eine Auflösung des Maßnahmedschungels im Übergangssystem. Außerdem seien neben dem dualen Ausbildungssystem alternative Ausbildungsformen anzubieten.

Auszüge aus der Studie „Keine Perspektive ohne Ausbildung – eine Analyse junger Erwachsener ohne Berufsabschluss in Westdeutschland“:

„Ein Fünftel aller jungen Erwachsenen in Westdeutschland verfügte im Jahr 2007 nicht über einen Berufsabschluss. Diesen knapp 1,5 Millionen 25- bis 34-Jährigen fehlt damit eine entscheidende Voraussetzung, um selbstbestimmt und aktiv am Erwerbsleben und an der Gesellschaft teilzuhaben. Ein Haupt- oder Realschulabschluss allein reicht offensichtlich nicht aus, um Anschluss an den Arbeitsmarkt zu finden. (…)

Die vorliegende Studie zeigt, dass sich in Westdeutschland, trotz eines allgemeinen Anstiegs des Bildungsniveaus, am unteren Ende der Bildungsverteilung eine Gruppe von Personen verfestigt, die über keinen beruflichen Abschluss verfügt. Besonders betroffen sind davon junge Menschen, die über keinen Schulabschluss oder lediglich einen Hauptschulabschluss verfügen. In zunehmendem Maße bleiben aber auch Realschulabsolventen und sogar (Fach-) Abiturienten ausbildungslos. Die Gruppe der Realschulabsolventen ohne Ausbildungsabschluss ist mit 257.000 Personen annähernd so groß wie die der jungen Erwachsenen, die weder einen schulischen Abschluss noch eine berufliche Qualifikation vorweisen können (281.000 Personen).“

Keine Teilhabe am Arbeitsmarkt ohne abgeschlossene Ausbildung oder Abitur

„Für die betroffenen jungen Menschen hat das Fehlen einer beruflichen Qualifikation in der Regel gravierende Folgen. Während (Fach-) Abiturienten ohne Ausbildungsabschluss oftmals noch eine Integration in den Arbeitsmarkt gelingt, sind 25- bis 34-Jährige, die höchstens einen Realschulabschluss vorweisen können, seit Mitte der 1990er Jahre zunehmend vom Erwerbsleben ausgeschlossen. Ihre Chance auf eine Voll- oder Teilzeiterwerbstätigkeit ist gesunken. 2007 waren in Westdeutschland 22,5 Prozent der jungen Männer mit Realschulabschluss und ohne Berufsausbildung erwerbslos, bei den Hauptschulabsolventen ohne abgeschlossene Ausbildung waren 24 Prozent von Arbeitslosigkeit betroffen. Diese Erkenntnisse belegen, dass Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsmarkt heute eine abgeschlossene Ausbildung oder ein Abitur ist.

Junge Erwachsene, die diese Voraussetzungen nicht vorweisen können, sind mit Blick auf den Arbeitsmarkt als unzureichend gebildet oder bildungsarm anzusehen. Sie selbst sind von der Teilhabe an Arbeitsmarkt und Gesellschaft ausgeschlossen. Für die Gesellschaft ist das mit Folgekosten in Form von Transferzahlungen, entgangenen Steuereinnahmen, höheren Gesundheitsausgaben oder geringerem Wirtschaftswachstum verbunden. (…) Für die Gesellschaft hat diese Entwicklung immense Folgen. Der gesellschaftliche Zusammenhalt
schwindet – sozialer Sprengstoff und Segregationstendenzen nehmen zu.

Junge Erwachsene ohne Ausbildungsabschluss sind seit Mitte der 90er Jahre in zunehmendem Maße von Arbeitslosigkeit bedroht. Allerdings zeigen die vorgelegten empirischen Analysen auch, dass diese Entwicklung nicht alle Personen ohne Berufsausbildung gleichermaßen
trifft, sondern in besonderem Maße junge Erwachsene, die einen Schulabschluss unterhalb der (Fach-) Hochschulreife besitzen. Die 257.000 Realschulabsolventen im Alter von 25 bis 34 Jahren, denen es nicht gelungen ist, eine berufliche Qualifikation zu erlangen, sind immer mehr von Exklusionsrisiken betroffen. Ihre Probleme bei der Integration in den Arbeitsmarkt sind mit denen von Hauptschulabsolventen ohne Ausbildungsabschluss vergleichbar. Ein höherwertiger Abschluss wie der Realschulabschluss schützt dementsprechend offenbar nicht vor einem Ausschluss vom Arbeitsmarkt, wenn er nicht mit einer erfolgreich abgeschlossenen beruflichen Ausbildung kombiniert wird. Diese Ergebnisse legen nahe, dass das Fehlen eines Ausbildungsabschlusses ein entscheidendes Signal ist, an dem sich mangelnde Teilhabechancen festmachen lassen. (…)“

Es geht auch um die Zukunftsfähigkeit der gesamten Gesellschaft

„Die Zahl der jungen Erwachsenen ohne Ausbildungsabschluss deutlich zu reduzieren, ist allein schon aufgrund des Schicksals der einzelnen betroffenen Menschen dringend geboten. Aber auch für die Zukunftsfähigkeit der gesamten Gesellschaft ist dieser Schritt von erheblicher Bedeutung. Auch wenn der demografische Wandel zu einer Verringerung der Ausbildungslosigkeit einiger Jugendlicher beitragen dürfte, wird der Bevölkerungsrückgang das Problem der Ausbildungslosigkeit niedrig qualifizierter Personen nicht beseitigen. Vielmehr ist es notwendig, an den Ursachen von Ausbildungslosigkeit anzusetzen und das gesamte Bildungssystem in den Blick zu nehmen. (…)

Als erster zentraler Ansatzpunkt zur Vermeidung von Ausbildungslosigkeit darf kein Jugendlicher mehr die Schule ohne ein Mindestmaß an Kompetenzen verlassen – egal welchen Abschluss er oder sie gemacht hat. Entscheidend ist es dabei, dass die Jugendlichen die Fähigkeiten entwickeln können, die in einer modernen Wissensgesellschaft benötigt werden. Dabei geht es nicht nur um kognitive Kompetenzen, gefragt sind insbesondere auch sozio-emotionale Kompetenzen und Problemlösungsfähigkeiten. Ein Überdenken der schulischen Curricula erscheint vor diesem Hintergrund notwendig. Darüber hinaus ist es eine der entscheidenden bildungspolitischen Herausforderungen, die enge Verknüpfung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland zu durchbrechen. Diese setzt sich vom allgemein bildenden Schulsystem bis ins berufsbildende System fort, so dass insbesondere junge Erwachsene aus sozial benachteiligten Verhältnissen und/oder mit Migrationshintergrund von Ausbildungslosigkeit betroffen sind. Um Ausbildungslosigkeit vorzubeugen und damit Jugendliche sich beim Übergang in eine Ausbildung gar nicht erst mit der Überprüfung ihrer „Ausbildungsreife“ konfrontiert sehen, sollte jedes Kind unabhängig von seiner ethnischen und sozialen Herkunft bestmöglich unterstützt und gefördert werden. Diese Zielsetzung erfordert einen echten Prozess des Umdenkens in unserem Schulsystem – weg von einer Einteilung der Schülerinnen und Schüler in möglichst homogene Lerngruppen hin zu wertschätzender,
individueller Förderung in gemischten Lerngruppen.

Junge Erwachsene ohne Berufsabschluss – empirische Befunde

(…) Grundsätzlich zeigt die Verteilung der Bildungsabschlüsse über den Zeitverlauf, dass das Niveau der schulischen Abschlüsse seit Mitte der 90er Jahre sowohl für Männer als auch für Frauen gestiegen ist. Der Anstieg ist vor allem auf eine Zunahme von Personen mit (Fach-) Hochschulreife zurückzuführen. Aber auch der Realschulabschluss hat gegenüber dem Hauptschulabschluss an Bedeutung gewonnen. Deutliche Gewinner dieser Entwicklung sind die Frauen. Ihr relativer Anteil an den höheren Schulabschlüssen hat zugenommen – gleichzeitig ist ihr Anteil bei den Personen mit einem Hauptschulabschluss zurückgegangen.

Berücksichtigt man darüber hinaus die Entwicklung der Ausbildungsabschlüsse, so können bei den jungen Erwachsenen mit Ausbildungsabschluss folgende Entwicklungstendenzen beobachtet werden:

  • Die Kombination aus einem Hauptschulabschluss und einer beruflichen Ausbildung hat deutlich abgenommen. 1996 lag der Anteil der Männer mit dieser Kombination noch bei 32,8 Prozent, im Jahr 2007 lediglich bei 23,2 Prozent. Bei Frauen, deren Anteil in dieser Gruppe insgesamt deutlich niedriger ist, waren 1996 21,8 Prozent dieser Bildungsgruppe zuzurechnen. Ihr Anteil ist im Jahr 2007 auf 14,2 Prozent zurückgegangen.
  • Die Kombination aus einem Realschulabschluss mit einem Ausbildungsabschluss ist bei den Männern von 1996 bis 2007 gestiegen und lag 2007 bei 22,7 Prozent. Bei den Frauen ist über den betrachteten Zeitraum kaum eine Veränderung zu beobachten. Ihr Anteil an dieser Bildungsgruppe betrug 2007 28,7 Prozent.
  • Die Kombination aus (Fach-) Hochschulreife und beruflicher Ausbildung hat über die betrachtete Zeit an Bedeutung gewonnen. Bei den Männern lag der Anteil an dieser Gruppe 2007 bei 9,7 Prozent, bei den Frauen bei 12,7 Prozent. Für die Gruppe der 25- bis 34-Jährigen ohne Ausbildungsabschluss zeigen sich differenziert nach Schulabschlüssen folgende Entwicklungstendenzen:
  • Der Anteil der jungen Erwachsenen ohne Schulabschluss und ohne Ausbildungsabschluss ist seit 1996 leicht gestiegen – sowohl bei Männern als auch bei Frauen – und lag 2007 bei rund 4 Prozent.
  • Hauptschulabsolventen ohne Ausbildungsabschluss bilden seit jeher die größte Gruppe unter den jungen Erwachsenen ohne beruflichen Abschluss. Ihr Anteil ist leicht gesunken, liegt aber insgesamt bei fast 10 Prozent.
  • Der Anteil der ausbildungslosen jungen Erwachsenen mit einem Realschulabschluss ist im betrachteten Zeitraum bei den Männern von 2,0 Prozent auf 3,2 Prozent gestiegen. Der Anteil der Frauen in dieser Bildungsgruppe lag bereits 1996 bei 3,7 Prozent und ist leicht um einen halben Prozentpunkt gestiegen.
  • Die Gruppe der 25- bis 34-Jährigen mit (Fach-) Hochschulreife ohne Ausbildungsabschluss zeigt eine ähnliche Entwicklung wie die der Realschulabsolventen ohne Ausbildungsabschluss. Ihr Anteil liegt insgesamt bei 3,1 Prozent.

(…) Insgesamt stellt eine abgeschlossene Ausbildung eine entscheidende Voraussetzung für die Integration in den Arbeitsmarkt dar. (…)

Allerdings lassen sich klare geschlechtsspezifische Muster im Erwerbsstatus ausmachen. Frauen in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen gehörten 2007 deutlich häufiger (18 Prozent) zu den Nichterwerbspersonen als Männer (2,4 Prozent) – ihr Anteil ist zwar rückläufig, bleibt aber auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Dementsprechend war der Anteil der voll- oder teilzeitbeschäftigten Frauen mit 65 Prozent niedriger als der entsprechende Anteil der Männer mit 86 Prozent. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit einer Voll- oder Teilzeiterwerbstätigkeit von 1996 bis 2007 bei Männern (um rund 4 Prozentpunkte) gesunken, bei Frauen ist sie hingegen um rund 1,5 Prozentpunkte gestiegen. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse haben für Frauen seit 1996 deutlich an Bedeutung gewonnen – ihr Anteil hat sich fast verdoppelt und lag 2007 bei 9,3 Prozent. Bei den Männern waren im gleichen Zeitraum ebenfalls Zuwächse zu verzeichnen. Ihr Anteil liegt aber nach wie vor auf einem sehr niedrigen Niveau von 2,5 Prozent. Betrachtet man schließlich die Unterschiede in der Erwerbslosigkeit, waren im Jahr 2007 9,3 Prozent der Männer erwerbssuchend, bei den Frauen waren es 7,8 Prozent. Dabei ist der Anteil der erwerbslosen Männer seit 2004 leicht zurückgegangen, während er bei den Frauen leicht angestiegen ist.

Nimmt man nun die Gruppe der jungen Erwachsenen ohne Ausbildungsabschluss in den Blick, die hier im Zentrum des Interesses steht, können folgende Ergebnisse festgehalten werden:

  • Die Chance einer Voll- oder Teilzeiterwerbstätigkeit ist für alle Personen – Männer wie Frauen – ohne Berufsabschluss zwischen 1996 und 2007 deutlich gesunken. (…)
  • Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse haben bei den 25- bis 34-Jährigen ohne Ausbildungsabschluss an Bedeutung gewonnen. Bei den Männern ist hier besonders bei der Gruppe der (Fach-)Abiturienten ohne Berufsabschluss ein deutlicher Anstieg von 3,3 Prozent 1996 auf 8,5 Prozent 2007 zu erkennen. (…)
  • Der Anteil der erwerbslosen Personen ohne Ausbildungsabschluss ist seit 1996 deutlich angestiegen. Dabei konzentriert sich die Zunahme vor allem auf 25- bis 34-Jährige, die höchstens einen Haupt- oder Realschulabschluss besitzen. 22,5 Prozent der jungen Männer mit Realschulabschluss aber ohne berufliche Qualifikation waren im Jahr 2007 erwerbslos und 12,2 Prozent der jungen Frauen. Anders gestaltet sich die Situation für junge Erwachsene, die ein (Fach-) Abitur vorweisen können, aber keinen Ausbildungsabschluss haben. Der Anteil der erwerbslosen Personen ist bei den Männern nach einem Anstieg in 2004 bis 2007 leicht unter das Niveau von 1996 zurückgegangen und lag bei 10 Prozent. Bei den Frauen ist im Vergleich zu den niedrigeren Schulabschlüssen nur ein sehr moderater Anstieg zu verzeichnen (…).
  • Betrachtet man schließlich die Anteile der Nichterwerbspersonen, so zeigt sich bei den Frauen ein klares Bild: Frauen ohne beruflichen Abschluss ziehen sich zu einem deutlich höheren Anteil vom Arbeitsmarkt zurück als Frauen mit einer beruflichen Qualifikation. Von den Frauen ohne Schul- und Ausbildungsabschluss gehörten 2007 über die Hälfte (52,9 Prozent) zur Gruppe der Nichterwerbspersonen. Bei den Männern bleiben offensichtlich vor allem (Fach-) Abiturienten oder junge Männer ohne Schulabschluss dem Arbeitsmarkt fern, wenn sie keine berufliche Ausbildung abgeschlossen haben. (…)

Die Zahl der jungen Erwachsenen ohne Ausbildungsabschluss reduzieren – Reformoptionen

(…) Um die Zahl der jungen Erwachsenen ohne Ausbildungsabschluss wirksam und nachhaltig verringern zu können und damit auch dem anstehenden Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken, wären gleichzeitig verschiedene bildungspolitische Aufgaben zu bewältigen. Aus einer bildungsbiographischen Perspektive sollte dabei an den Stationen Frühe Hilfen, Kita & Schule, Übergangs- und Berufsbildungssystem, Weiterbildung angesetzt werden. (…)

Die Zahl der Jugendlichen ohne beruflichen Abschluss kann auf Dauer nur reduziert werden, wenn

  • die Zahl der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss sowie
  • der Risikoschüler und -schülerinnen drastisch reduziert wird und
  • alle Kinder und Jugendliche – unabhängig von ihrem familiären Hintergrund – ihre eigenen Potenziale bestmöglich entfalten können und jeder die Schule mit den Basiskompetenzen verlässt, die sie oder er für seinen weiteren Lebensweg benötigt.“

Individuelle Förderung ohne defizitorientierten Blick auf die Ausbildungsreife

„Um Jugendlichen an der Schwelle zum Übergangs- bzw. Berufsbildungssystem sowie jungen Erwachsenen, die momentan Maßnahmen des Übergangssystems besuchen, die Einmündung in eine qualifizierte Berufsausbildung zu ermöglichen, bedarf es auch an dieser Stelle akuter Veränderungen. Die bisher unübersichtliche Vielfalt an Projekten und Maßnahmen im Übergangssystem, die nicht immer zum gewünschten Ziel der Ausbildungsintegration führen, muss überdacht werden. Tragen sie aufgrund der fehlenden Zielgerichtetheit doch häufig zur Demotivation und Perspektivlosigkeit von Jugendlichen bei. Von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit von Maßnahmen im Übergang von der Schule in eine Ausbildung ist es, dass den Jugendlichen eine klare Perspektive eröffnet und ihnen wertschätzend begegnet wird – unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft. Der bisher übliche, sehr defizitorientierte Blick auf die „Ausbildungsreife“ des Einzelnen erscheint vor diesem Hintergrund wenig hilfreich. Ziel sollte es vielmehr sein, dass Jugendliche trotz unter Umständen schulischer Misserfolgserfahrungen in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt werden, Motivation entwickeln und Selbstlernkompetenzen aufbauen. Voraussetzung dafür ist, dass Jugendliche individuell gefördert sowie kontinuierlich und unterstützend bis zur beruflichen Integration begleitet werden und dass es klare Verantwortlichkeiten für die Betreuung und Begleitung der Jugendlichen gibt.“

Maßnahmendschungel lichten – subsidiäre Ausbildungsangebote schaffen

„Der momentane „Maßnahmendschungel“, der nicht zu einer stetigen, aufeinander aufbauenden und zielgerichteten Qualifikation der Jugendlichen führt, sollte abgebaut werden. Sinnvoll wäre eine Abstimmung der vielfältigen Förderangebote auf Bundes- und Länderebene und eine klare inhaltlich-curriculare Profilierung der Förderangebote. Neben dem vorrangigen System der dualen Ausbildung und den etablierten vollzeitschulischen Ausbildungsgängen sollten subsidiäre Formen der außerbetrieblichen Ausbildung (bei außerbetrieblichen Trägern oder in beruflichen Schulen) angeboten werden. Diese Angebote sollten sich an den Curricula von anerkannten Berufsausbildungen orientieren, so dass die Förderangebote die Möglichkeit der Zulassung zur Abschlussprüfung bei den zuständigen Stellen bieten und somit den Erwerb eines anerkannten Abschlusses ermöglichen. Dabei ist eine Integration betrieblicher Praxisphasen in die Ausbildung unerlässlich, so dass die geförderte Ausbildung den Gegebenheiten einer betrieblichen Ausbildung möglichst nahe kommt. Vorrangiges Ziel der subsidiären Ausbildungsangebote muss der Übergang in eine ungeförderte Ausbildung in Unternehmen sein. Bereits absolvierte Ausbildungsbausteine sollten zertifiziert und im dualen System anerkannt und angerechnet werden.“

Nachqualifizierungsangebote müssen individuell passen

„1,43 Millionen 25- bis 34-Jährige ohne Ausbildungsabschluss allein in Westdeutschland dürfen auf keinen Fall dauerhaft ausbildungslos bleiben – weder im Hinblick auf die individuellen Teilhabechancen dieser jungen Erwachsenen noch den Fachkräftemangel sowie die Folgekosten einer mangelnden Arbeitsmarktintegration für die Gesellschaft. Notwendig sind speziell auf diesen sehr heterogenen Personenkreis zugeschnittene Weiterbildungsangebote und Nachqualifizierungsprogramme, durch die ein Ausbildungsabschluss erreicht werden kann. Bisher stagnierte die Weiterbildungsbeteiligung gerade von ungelernten und geringqualifizierten 25- bis 34-Jährigen seit 1996 auf einem sehr niedrigen Niveau. Damit Nachqualifizierungsangebote erfolgreich sind, sollten sie auf das individuelle Lebensumfeld und den familiären Hintergrund (z.B. alleinerziehende Mütter) zugeschnitten sein. Auf bisher erworbene Arbeitserfahrungen sowie Lernvoraussetzungen der Einzelnen kann aufgebaut werden. Daher bietet sich in diesem Bereich ein modularer Aufbau der Angebote an, damit unterschiedliche Vorkenntnisse und informell erworbene Kompetenzen flexibel eingebunden werden können. Zudem sollten Angebote auch berufsbegleitend in Anspruch genommen werden können. Im Ergebnis müssten die Module dann auf die Externenprüfung vorbereiten. Wenn es gelänge jungen Erwachsenen ohne Ausbildungsabschluss auf diesem Wege doch noch eine dauerhafte und stabile Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, könnte diesen Menschen eine echte Perspektive für ihr weiteres Leben eröffnet werden.“

Die Studie wurde erstellt von Antje Funcke, Dirk Oberschachtsiek und Johannes Giesecke. Es handelt sich um eine Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Quelle: Bertelsmann Stiftung

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