Teilhabe benachteiligter junger Menschen an Bildungs- und Ausbildungssystem sichern

Allem voran hält der DCV eine abgestimmt Förderstrategie für notwendig. Gefordert wird eine Zusammenführung aller Förderprogramme zu einem Gesamtkonzept. Bei dieser Bündelung der Angebote der beruflichen Integrationförderung soll der Jugendhilfe eine eindeutige Koordinierungsfunktion obliegen. Zudem sind grundlegende Veränderungen im Schulssystem erforderlich. Junge Menschen in schwierigen Lebenslagen sollen durch eine kontinuierliche Begleitperson individuelle Förderung erhalten und Unterstützung in der Schule.

Auszüge aus dem Positionspapier des DCV Teilhabe benachteiligter junger Menschen am Bildungs- und Ausbildungssystem sichern-Armut und soziale Ausgrenzung verhindern:
„… Ein inklusives Schulsystem in allen Bundesländern schaffen
Ungünstige sozial-familiäre Einbindung, prägende Einschnitte im Lebensweg (…) und ein fehlender Schulabschluss sind wesentliche Hemmnisse für die erfolgreiche Integration in Ausbildung. Jugendliche aus wirtschaftlich schwachen und sozial benachteiligten Familien haben das Problem einer doppelten Ausgrenzung: Zum einen können die Eltern ihren Kindern häufig nur wenig Unterstützung für die Bewältigung ihrer alterstypischen Entwicklungsaufgaben geben. Zum anderen führt die Konzentration von Jugendlichen aus der schulischen Bildung fern stehenden Familien vor allem in Hauptschulen dazu, dass auch hier ein ungünstiges Lernumfeld und Leistungsentwicklungsmilieu vorhanden ist. …

Der DCV setzt sich für ein Schulsystem ein, in dem Kinder und Jugendliche individuell gefördert werden, ihnen eine ganzheitliche Bildung vermittelt und eine frühe Selektion verhindert wird. Alle Übergänge müssen begleitet werden, bis jedes Kind/jeder Jugendliche den richtigen Platz im jeweiligen Schulsystem hat. Qualifizierte Ganztagsschulkonzepte und Schulsozialarbeit sind – … – flächendeckend einzuführen. …

Die vielfältigen Programme der Berufsorientierung an Schulen können ihre Wirkung kaum entfalten, da sie zu wenig gesteuert und aufeinander abgestimmt sind. Es ist dringend notwendig, dass eine Institution die Steuerungskompetenz hat. Diese Funktion sollte der Jugendhilfe
übertragen werden.

Schüler/-innen, die Gefahr laufen, in der Schule zu scheitern, brauchen eine frühe Förderung in Zusammenarbeit von Schule, Elternhaus und Kinder-, Familien- und Jugendhilfe. Um eine kohärente Förderstrategie sicher zu stellen, muss eine geregelte und systematische Zusammenarbeit der beiden Systeme Schule und Jugendhilfe auf allen Ebenen sicher gestellt werden. Dazu muss die Zusammenarbeit, die für die Jugendhilfe im § 13 SGB VIII geregelt ist, auch in den
Schulgesetzen der Länder verbindlich geregelt werden.

Alle Kinder und Jugendlichen müssen unabhängig von der Finanzkraft ihrer Eltern Zugang zu Bildungs-, Freizeit- und Unterstützungsangeboten erhalten. Hierfür müssen Kinder und Jugendliche
im Transferbezug an Schulausflügen teilnehmen können und einen Zugang zu Nachhilfeunterricht haben. … Lernmittel (…) müssen bei einer bedarfsgerechten Ermittlung des Kinderregelsatzes angemessen berücksichtigt werden.

Den nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen ermöglichen
Die herausragende Bedeutung des Schulabschlusses für den Start in das Berufsleben ist vielfach belegt. Jugendliche ohne Schulabschluss haben in der Praxis kaum eine Chance auf einen Ausbildungsplatz
und einen späteren Berufsabschluss. Um doch noch einen Schulabschluss zu erreichen, brauchen sie eine zweite und dritte Chance sowie eine individuell ausgerichtete Förderung. Derzeit besteht für Jugendliche ein Rechtsanspruch zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses
lediglich im Rahmen berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen nach § 61 a
SGB III. Dieses Instrument ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht geeignet, um Jugendliche mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen an den Hauptschulabschluss heranzuführen, da die Anforderungen sehr hoch sind und der Förderzeitraum zu kurz ist.

Jugendliche mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen benötigen eine niedrigschwellige Förderung. Angebote zur Förderung von Lern- und Leistungskompetenzen sowie der Persönlichkeitsstärkung müssen mit Maßnahmen, die der Überwindung persönlicher und sozialer Problemlagen dienen, kombiniert werden. Das Recht zur Nachholung eines Schulabschlusses darf nicht auf berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen allein beschränkt sein, sondern muss auch auf anderen Wegen umgesetzt werden können. Der DCV schlägt vor, § 61 a SGB III wie folgt zu ändern:
„61 a Anspruch auf Vorbereitung auf einen Hauptschulabschluss
Ein Jugendlicher ohne Schulabschluss hat einen Anspruch, auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses vorbereitet zu werden. Dies kann im Rahmen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme oder im Rahmen eines vergleichbaren Instruments erfolgen…“

Dem Fachkräftemangel entgegen wirken und Ausbildung fördern
Im Januar 2010 lag die Zahl der unversorgten Bewerber/-innen um einen Ausbildungsplatz bei 8.000 Jugendlichen. … Auf der anderen Seite führt der demografische Wandel in vielen Branchen jetzt schon dazu,
dass der Fachkräftenachwuchs fehlt. Unternehmen beklagen gleichzeitig die fehlende Ausbildungsreife der Schulabgänger/-innen. … Das Nebeneinander zahlreicher Programme in den Schulen muss dringend überwunden werden zugunsten eines kohärenten Konzeptes zur Berufsorientierung und zur Begleitung des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt.

Unternehmen nutzen gerne ein Praktikum, um die Eignung von Jugendlichen für eine Ausbildung in ihrem Betrieb zu testen. Die „Brücke Praktikum“ wird jedoch erst dann tragfähig, wenn dieses in
eine angemessene Vorbereitung sowie anschließend in eine unterstützende Begleitung des Ausbildungsverlaufs eingebunden ist. Wichtig ist hier vor allem eine personelle Kontinuität in der Begleitung, damit sowohl der ausbildende Betrieb als auch der Auszubildende ein verlässliches Unterstützungssystem mit einem festen Ansprechpartner haben. …

Im § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist eine rechtliche Klarstellung notwendig, welche die vorrangige Vermittlung von Jugendlichen in Ausbildung oder eine ausbildungsfördernde Maßnahme festschreibt. Die mit dem Jugendlichen vereinbarten Maßnahmen sind in der Eingliederungsvereinbarung zu dokumentieren.

Um der wachsenden Zahl der Altbewerber/-innen entgegen zu wirken, empfiehlt der DCV die bundesweite Förderung trialer Ausbildungskonzepte in Kooperation von Betrieben, Berufsschulen
und Jugendberufshilfe. Der Betrieb übernimmt hier die fachliche Qualifizierung, die Berufsschule den Lernteil und die Jugendberufshilfe das Ausbildungsmanagement sowie die kontinuierliche
Begleitung der Jugendlichen. Mit diesem Konzept wären zwei Probleme zugleich gelöst: das der fehlenden Ausbildungsplätze und das der fehlenden Begleitung der Jugendlichen.

Ein kohärentes Fördersystem aufbauen und die Jugendhilfe stärken
Die Vielzahl der Einzelprogramme spiegeln die Bemühungen der Politik, benachteiligte junge Menschen zu fördern. Sie müssen aber zu einer Gesamtstrategie zusammen geführt werden, damit sie ihre Wirkung entfalten können. … Zum Aufbau eines kohärenten Fördersystems ist
deshalb die regionale Zusammenführung aller Akteure, Konzepte und Projekte unabdingbar. …

Angesichts der komplexen Problemlagen von benachteiligten Jugendlichen sind alle Förderinstrumente individuell auf den zu fördernden Jugendlichen abzustimmen und nicht, wie aktuell häufig praktiziert, die Jugendlichen für die Instrumente kompatibel zu machen. Dabei muss es Ziel sein, den Jugendlichen eine eigenständige Lebensgestaltung zu ermöglichen und ihre Rechte auf Teilhabe zu stärken. Die Zielsetzung darf nicht auf die Herstellung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
verkürzt werden. …

Der DCV begrüßt grundsätzlich die aktuelle Initiative der Bundesregierung zur Einrichtung von Koordinierungsstellen, … . Diese sollten gesetzlich verankert werden. Zentrale Aufgaben wären vor allem die Herstellung von Transparenz über Förderansätze und Förderstrategien
vor Ort sowie die Vernetzung von Beratungs-, Vermittlungs- und Betreuungsleistungen nach dem SGB II, III und VIII. Die Koordinierungsstellen sind mit entsprechenden Finanzmitteln
und der notwendigen Handlungsmacht auszustatten. Aus fachlichen Gründen sollte die Jugendhilfe im Zusammenspiel der Sozialgesetzbücher II, III und VIII eine eindeutige Koordinierungsfunktion erhalten. Dies bedeutet, die bestehenden Gesetze dahingehend zu entwickeln und zu profilieren, dass ihre Leistungen kombinierbar werden und so die jungen Menschen in ihren spezifischen Lebens- und Problemlagen bei ihrer persönlichen, schulischen und beruflichen Entwicklung unterstützen. …

Alle Förderangebote aus dem SGB II und III, die sich an benachteiligte junge Menschen richten, müssen im Sinne einer jugendhilfeorientierten Ausrichtung mit sozialpädagogischer Begleitung kombinierbar sein. …

Wunsch- und Wahlrecht verwirklichen
Die jahrelangen Erfahrungen aus der Praxis der Jugendsozialarbeit zeigen, dass gerade zur Förderung benachteiligter junger Menschen individuell zugeschnittene Maßnahmen anstelle von ausgeschriebenen
Standardpaketen benötigt werden. Nach Rechtsauffassung des DCV ist die Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit bei den Arbeitsmarktinstrumenten für junge Menschen weder notwendig noch sinnvoll. …

Notwendig ist eine stärker subjektbezogene Ausgestaltung der Arbeitsmarktinstrumente, die alle geeigneten Maßnahmeträger zur Leistungserbringung zulässt. Die jungen Menschen sollten in die Planung und Gestaltung des Hilfeangebotes einbezogen werden. In Abstimmung mit dem Fallmanagement und Arbeitsvermittler/-innen sollten sie Leistungserbringer ihres Vertrauens wählen können, so dass für die jungen Menschen ein wirkliches Wunsch- und Wahlrecht besteht.

Die derzeitige Ausschreibungspraxis verhindert auch die Verstetigung und Kontinuität der Angebotsstruktur. Dies zeigt sich am Beispiel der sozialpädagogischen Begleitung und organisatorischen Unterstützung bei betrieblicher Berufsausbildung und Berufsausbildungsvorbereitung gemäß
§ 243 SGB III. Obwohl das Instrument sinnvoll ist, führen die bürokratischen Hürden dazu, dass es kaum zur Anwendung kommt. Der DCV fordert, dass dieses Instrument durch Betriebe bei einem geeigneten Träger ihrer Wahl eingekauft werden kann, so dass diese kontinuierlich
von der Berufsvorbereitung bis zur Ausbildung mit demselben Träger zusammen arbeiten können. „

Das Positionspapier des DCV in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem aufgeführten Link oder dem Anhang.

http://www.caritas.de/2340.asp?detail=true&id=1254

Quelle: DCV

Dokumente: 100507_Position_DCV_Teilhabe_junger_Menschen.pdf

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