Kooperation JMD und JBH: ‚Die Entwicklung klarer Profile spielt im Umgang mit jungen Migrant/innen und Kooperationspartnern eine wesentliche Rolle‘

Auszüge aus einem Beitrag von Beatrix Herrlich, Dimitra Atiselli und José Torrejón, Mitarbeiter/innen der Landesstelle Jugendsozialarbeit Niedersachsen, zum Thema ‚Welches ‚Management‘ für welchen ‚Fall‘? Neue Ansätze und Programme zur beruflichen Integration junger MigrantInnen in Niedersachsen‘: “ … Die Struktur der niedersächsischen Ansätze der Jugendberufshilfe befindet sich ebenso wie die der bisherigen Jugendgemeinschaftswerke seit mehreren Monaten im Umbruch. Neue Rahmenbedingungen gibt es nicht nur durch die Änderungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, auch die strukturellen, inhaltlichen und finanziellen Merkmale beider durch Land und Bund finanzierten Programme wurden modifiziert und in ihrer Ausrichtung angenähert. Die bisherigen Landesprogramme RAN (…), RABaZ (…) und Jugendbüros (…) werden zu sogenannten Pro-Aktiv-Centren (PACE) in kommunaler Trägerschaft zusammengefasst und sollen in allen niedersächsischen kreisfreien Städten und Landkreisen eingerichtet werden. … Die Pro-Aktiv-Centren … haben die Aufgabe, eine dauerhafte Eingliederung von benachteiligten Jugendlichen in den ersten Ausbildungs- und Arbeitsmarkt durch individuelle und passgenaue Unterstützung zu ermöglichen. Dabei wird im Rahmen von PACE die soziale und berufliche Integration jugendlicher MigrantInnen in die Arbeitswelt weiterhin gefördert werden. Im Pro-Aktiv-Center erhalten Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung ‚aus einer Hand‘ mit Hilfe von Clearing, Fallmanagement, Profiling, Assessment und Coaching. … In den vergangenen fünf Jahren waren ein Viertel bis ein Drittel der Zielgruppe der  RAN- und RABaZ-Stellen junge MigrantInnen. … Die ehemaligen Jugendgemeinschaftswerke für junge AussiedlerInnen werden zu Jugendmigrationsdiensten mit den Arbeitsschwerpunkten sprachliche, soziale und  berufliche Integration. Sie richten sich an junge MigrantInnen insgesamt. … Am 1. März 2004 fiel der bundesweite Startschuss für die 385 Jugendmigrationsdienste (JMD), davon befinden sich 35 JMD´s in Niedersachsen. … Im Jahr 2002 wurden in den Einrichtungen insgesamt 100.000 Jugendliche während ihres Integrationsprozesses begleitet. Seit Anfang 2004 werden die Jugendgemeinschaftswerke in sogenannte Jugendmigrationsdienste umgestaltet. Schwerpunkte der Umstrukturierung sind: vorrangig gezielte und bedarfsgerechte individuelle Begleitung von nicht mehr schulpflichtigen jungen Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderern, hierbei insbesondere sozialpädagogische Begleitung der Jugendlichen vor, während und nach dem Deutschkurs als ergänzende und flankierende Maßnahme, Beratungsangebote für junge Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits in Deutschland leben, aber einer unterstützenden Förderung bedürfen, offene Gruppenarbeit unter Einbeziehung einheimischer Jugendlicher, Mitarbeit bei der Entwicklung kommunaler Netzwerke, Initiierung und Begleitung der interkulturellen Öffnung von sozialen Diensten und Einrichtungen. … Somit kommt es zu Überschneidungen bei der Zielgruppe und in der Zielausrichtung. Der pädagogische Ansatz des Fallmanagements sowie die Anforderung, federführend in und mit Netzwerken zur Integration zu arbeiten, ist für beide Programmansätze grundlegendes Wesensmerkmal. In Bezug auf die Integration junger MigrantInnen in Niedersachsen ergeben sich offene Fragen gerade im Hinblick darauf, wie künftig Kooperationen und Synergien gestaltet und Parallelstrukturen vermieden werden können. Es wird darauf ankommen, ob in Zeiten knapper werdender finanzieller Mittel die bei unterschiedlichen Programmgebern und Trägern angesiedelten Beratungs- und Begleitungsangebote für junge Menschen ausländischer Herkunft sinnvoll miteinander verknüpft werden können. … Gemeinsamkeiten und Unterschiede Hinsichtlich der Frage der Schnittstellen ist es zunächst wichtig zu analysieren, wo nutzbare Schnittstellen sind und wo es lohnenswert ist, in Kooperationen einzusteigen. Letztendlich ist es erklärtes Ziel, Synergieeffekte zu erzielen, um Ressourcen gezielt bündeln und einsetzen zu können. An ausgewählten Bereichen soll im Folgenden verdeutlicht werden, wo die vom Bund (JMD) und die vom Land Niedersachsen (PACE) finanzierten Programme Übereinstimmungen und Verschiedenheiten aufweisen. Zielgruppe/n Die Pro-Aktiv-Centren (PACE) richten sich an junge Menschen unter 27 Jahren, die „individuell beeinträchtigt und sozial benachteiligt sind und Hilfe bei der beruflichen Eingliederung benötigen“ (§ 13 SGB VIII und §§ 18 – 20 BSHG). Die Förderung der beruflichen Integration junger MigrantInnen erhält dabei einen besonderen Stellenwert, der sich sowohl in der Richtlinie („Junge MigrantInnen sind mit ihrem spezifischen Förderbedarf besonders zu berücksichtigen.“) als auch bei den geforderten Zielindikatoren der abzuschließenden Zielvereinbarungen niederschlägt. PACE haben die Aufgabe, zur beruflichen Integration dienliche Netzwerke zu bilden und zu steuern. Die Zielgruppe der Jugendmigrationsdienste sind junge Neuzugewanderte und junge Menschen mit Migrationshintergrund zwischen 12 und 27 Jahren. Neben der Aufgabe, allgemein Integrationshemmnisse abzubauen, geht es um die berufliche Integration. Zur Umsetzung dieser Ausrichtung sind daher MitarbeiterInnen, Institutionen und ehrenamtliche Initiativen in den sozialen Netzwerken/Gemeinwesen die für MigrantInnen relevant sind (…), einzubinden. Grundlage der Arbeit sowohl der Pro-Aktiv-Centren als auch der Jugendmigrationsdienste sind die konkreten Lebensbedingungen von MigrantInnen unter Berücksichtigung sozialer, kultureller, sprachlicher, politischer und religiöser Aspekte. JMD’s richten ihr Angebot unabhängig vom Aufenthaltsstatus an alle zugewanderten Jugendlichen PACE können den Jugendlichen ein Angebot unterbreiten, die (Aussicht auf) eine Arbeitserlaubnis haben. Die generell eher prekäre Lage von MigrantInnen in Bezug auf Bildungsrückstände, der stärkeren Betroffenheit von Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut, mangelnde Wohnverhältnisse, die Lebenssituation mit außergewöhnlichen (auch psychischen) Belastungen im Laufe des Aufenthalts sind gleichermaßen Voraussetzungen der Arbeit beider Programme. Dementsprechend hoch ist der Anteil der zugewanderten Jugendlichen, die die Beratungsstellen in den letzten Jahren aufgesucht haben. Die vorrangige Zielsetzung der Pro-Aktiv-Centren ist die berufliche und soziale Integration von benachteiligten Jugendlichen die der Jugendmigrationsdienste die Verbesserung der Integrationschancen junger MigrantInnen. Bei der Ausrichtung beider Programme sind die Ziele, Ansätze und der Vernetzungsaspekt besonders hervorzuheben: Ziele Jugendmigrationsdienste: Verbesserung der Integrationschancen (sprachliche, schulische, berufliche und soziale Integration), Förderung von Chancengleichheit, Förderung der Partizipation junger MigrantInnen in allen Bereichen des sozialen, kulturellen und politischen Lebens, die Vermittlung in Angebote für zugewanderte junge Menschen im örtlichen Netzwerk. Pro-Aktiv-Centren: individuell beeinträchtigte und sozial benachteiligte junge Menschen dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt eingliedern und die notwendigen Hilfen für die Integration in Schule, Ausbildung und Beruf geben, Vermeidung von Sozialhilfebezug, Qualifizierung, Aktivierung, Stabilisierung und Förderung der persönlichen und beruflichen Kompetenzen, Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Bedarfe, besondere Berücksichtigung junger MigrantInnen mit ihrem spezifischen Förderbedarf. Ansätze Jugendmigrationsdienste: individuelle Begleitung der nicht mehr schulpflichtigen jungen Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer im Wege des Case Managements, Beratungsangebote für junge Menschen mit Migrationshintergrund, die wegen integrationsbedingter Probleme oder Krisensituationen der besonderen Förderung bedürfen, Gruppenangebote für junge Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer sowie für junge Menschen mit Migrationshintergrund, die Initiierung und das Management von anderweitig geförderten Integrationsangeboten für junge Menschen mit Migrationshintergrund, die Initiierung und Begleitung der interkulturellen Öffnung von Diensten und Einrichtungen in öffentlicher und freier Trägerschaft sowie der Netzwerkpartner. Pro-Aktiv-Centren Umsetzung über individuelles Fallmanagement, Fallkonferenzen, Profiling, Assessment und Coaching, Fortbildung, erreichen durch gesteuerten und freien Zugang sowie aufsuchende Arbeit, Vermittlung und Akquise von Qualifizierung, Ausbildung und Beschäftigung, präventiver und nachbegleitender Ansatz. Netzwerke Jugendmigrationsdienste: Netzwerk- und Sozialraumarbeit Mitarbeit bei der Weiterentwicklung von Netzwerken Pro-Aktiv-Centren: Bildung und Federführung eines Netzwerkes, enge Kooperation mit den Agenturen für Arbeit, Kooperation mit allgemein- und berufsbildenden Schulen, Angebot präventiver Hilfen beim Übergang von der Schule in den Beruf, Kooperation mit sozialen Diensten und anderen freien Trägern. Fazit Wie oben gezeigt existieren breite Schnittmengen zwischen den Programmen. Die Zielsetzung wie die Umsetzung der Integrationsarbeit mit jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist von den konzeptionellen Ansätzen ähnlich ausgerichtet. Die Spezifizierung der Pro-Aktiv-Centren auf die berufliche Integration und die breiter auf die gesamtgesellschaftliche Integration angelegten Jugendmigrationsdienste sprechen dafür, die Angebote eng aufeinander zu beziehen. Um eine an den Bedarfen der jungen MigrantInnen und den Rahmenbedingungen ausgerichtete effiziente Arbeit leisten zu können, muss daher eine enge Abstimmung, aber auch Abgrenzung erfolgen. Die Entwicklung klarer Profile ist nicht nur für das Binnenverhältnis zwischen Pro-Aktiv-Centren und Jugendmigrationsdiensten entscheidend, auch im Umgang mit Jugendlichen und Kooperationspartnern spielen sie eine wesentliche Rolle. Im Hinblick auf die kommenden Job Center wird es darauf ankommen, deutlich zu machen, wie und wo die Kompetenzen liegen, wie Schnittstellen definiert und mit ihnen umgegangen wird. Insbesondere in den folgenden Feldern sehen wir Bedarf: Das sowohl in den Jugendmigrationsdiensten als auch in den Jochcentren zentrale Konzept des Casemanagements erfordert klare Abstimmungen über Zuständigkeiten und Fall-Federführung. Dabei sollte entscheidend sein, welches Begleitangebot zu welchem Zeitpunkt den jungen Menschen am effizientesten fördern kann und an welchen Stellen Unterstützung durch das jeweils andere Angebot benötigt wird und gegebenenfalls eine Fallübergabe stattfinden sollte. Die Aufgabe der Bildung und Nutzung von Netzwerken für die Integrationsarbeit mit jungen Menschen erfordert eine enge Abstimmung. Der Aufbau von Kooperationsbeziehungen mit allen relevanten AkteurInnen und eine enge Verzahnung vor Ort soll die vorhandenen Ressourcen effizient und zielgenau einsetzbar werden lassen. Für die Integration und Qualifizierung der begleiteten jungen Menschen werden größtenteils die gleichen Partner benötigt. Die Fortbildung für die Fachkräfte vor Ort sollte aufeinander bezogen geschehen. Die fachlichen Anforderungen an die MitarbeiterInnen, die Rahmenbedingungen und Zusammenarbeit in den Regionen und der notwendige Erfahrungsaustausch fordern u.E. eine Kooperation heraus (Themenbereiche könnten z.B. sein: Casemanagement, interkulturelle Kompetenz, Netzwerkbildung…). Kommt es in diesen Feldern nicht zu Übereinkünften, wird es zu Doppelbetreuungen, Konkurrenzen und Irritationen bei den Jugendlichen und den Fachkräften führen. … Die Phase der Umgestaltung und Erneuerung der beiden Programme birgt Chancen und Risiken. … Das Ziel des Gelingens der sozialen und beruflichen Integration macht eine funktionierende Zusammenarbeit, den Informationstransfer und einen gemeinsamen Handlungsrahmen notwendig. Dann kann daraus für alle Beteiligten ein Mehrwert entstehen. … “

http://www.bagjaw.de
,
http://www.nord.jugendsozialarbeit.de

Quelle: Beatrix Herrlich/ Dimitra Atiselli/José Torrejón: ‚Welches „Management“ für welchen „Fall“? Neue Ansätze und Programme zur beruflichen Integration junger MigrantInnen in Niedersachsen‘, in ‚Migration und Integration‘, Jugend Beruf Gesellschaft, Heft 3/200

Ähnliche Artikel

Digitale Teilhabe und Regulierung von KI

Die digitale Transformation hat durch generative KI einen enormen Schub erfahren. Während die Jugendarbeit noch für die digitale Teilhabe aller jungen Menschen streitet, entstehen enorme

Skip to content