Neue Arbeitshilfe von IN VIA: ‚Eine interkulturelle Öffnung der Jugendsozialarbeit nach innen und nach außen ist notwendig‘

IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit Deutscher Verband e.V. hat eine Arbeitshilfe zum Erwerb interkultureller Kompetenz veröffentlicht. Die Arbeitshilfe dokumentiert das gleichnamige Projekt ‚Erwerb von interkultureller Kompetenz als Beitrag zur Vorbeugung gegen Rassismus und Gewalt“, welches 2001 mit dem Anliegen gestartet wurde, das Rahmenkonzept „Leitlinien und Ziele interkultureller Sozialarbeit für IN VIA“ umzusetzen und weiter zu entwickeln. Zusätzlich werden Interessierten Fachartikel und Arbeitshilfen sowie Literaturhinweise zur Verfügung gestellt. Beteiligte Träger waren: IN VIA Katholische Mädchenarbeit Hamburg e.V. mit dem Tanzprojekt Come&dance (Reflektion der kulturellen Bedeutung und des kulturellen Hintergrundes der Bewegungsstile, Laufzeit Jan. 2002-November 2002) Sozialdienst Katholischer Frauen e.V. Bocholt mit dem sexualpädagogischen Projekt hautnah interkulturell (Entwicklung und Erprobung eines sexualpädagogischen Konzepts, das der kulturellen Vielfalt und den Differenzen der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Schulklassen gerecht wird, Laufzeit Oktober 2001-Dezember 2002) IN VIA Katholische Mädchenarbeit Landesverband Bayern e.V. Diözese Eichstätt mit dem Projekt Interkultureller Mädchentreff (Aufbau eines multikulturellen Mädchentreffs in der Stadt Eichstätt, Laufzeit Oktober 2001-November 2002) IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit Diözese Rottenburg Stuttgart e.V. mit dem Projekt Bessere Wahrnehmung meiner Nachbarin (Förderung des Kennenlernes junger Frauen im Wohnheim und Abbau von Vorurteilen, Laufzeit November 2001-Dezember 2002) “ … Ziel des Projektes laut Projektantrag war, für eine breitenwirksame Arbeit Methoden zum Erwerb einer alltagsorientierten interkulturellen Kompetenz zu entwickeln. Unter interkultureller Kompetenz wurde in diesem Kontext die Fähigkeit verstanden, andere Denk-, Lebens- und Verhaltensweisen wahrnehmen und sich auf faire Weise mit ihnen auseinandersetzen zu können. Diese Kompetenz stellt eine Grundlage dar für ein Zusammenleben ohne Gewalt und Rassismus. … Als Ergebnis kann man vorwegnehmen, dass sich interkulturelles Lernen prozesshaft gestaltet und Konzepte nicht direkt übertragbar sind. Die Herangehensweise und Lernschritte werden sich jedoch in anderen Projekten ähnlich vollziehen, deshalb wurde sowohl der Gesamtprozess als auch die Projektverläufe vor Ort dokumentiert. Die vorliegende Dokumentation soll andere ermutigen, selbst ähnliche Prozesse zu initiieren und Anregung und Hilfe zur Gestaltung sein. … Ausgangslage: Interkulturelle Kompetenz ist erlernbar … Fortbildungen zur interkulturellen Arbeit und zur Arbeit mit Migrant/-innen wurden für Mitarbeiter/-innen in den sozialen Berufen seit dem Beginn, also seit den 60er Jahren, in vielfältiger Weise angeboten. Schwerpunkt der Kompetenzerweiterung war hierbei die Vermittlung von Wissen über die unterschiedliche Herkunft, die Tradition, Religion, Familienstruktur der Migrant/-innen etc.. Man ging somit davon aus, dass die Schwierigkeiten der zugewanderten Familien im Wesentlichen auf ein Defizit an Wissen über die Migrant/-innen und ihre Alltagsbräuche sowie auf Sprachdefizite zurückzuführen seien. Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine eher kognitive, an Wissensvermittlung orientierte Kompetenzerweiterung die Arbeit mit Migrant/-innen nur teilweise verändern kann, denn die eigene Fremdheit bleibt. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren durch die Migration aus osteuropäischen Ländern (Spätaussiedler/-innen) und aus anderen Kontinenten (Flüchtlinge) die ethnische und kulturelle Vielfalt der Migrant/-innen zugenommen hat. Die Aneignung von Informationen – wie oben beschrieben – wird dadurch zu einem quantitativen Problem für Mitarbeiter/-innen in der sozialen Arbeit, die mit Migrant/-innen zu tun haben. Eine wesentliche Veränderung ist deshalb auch die notwendige und eingeforderte „interkulturelle Öffnung“ von sozialen Regeldiensten. Zweifelsohne sind diese Zielvorgaben und Strukturveränderungen für eine Neuorientierung in der Sozialarbeit notwendig. Die multikulturelle Gesellschaft, die ein moderner Normalzustand ist, braucht eine bestimmte politische Zielvorgabe, wenn Interkulturalität im Alltag in einer positiven Weise erfahren werden soll. Die Ermöglichung, Verarbeitung und Unterstützung solcher Erfahrungen ist eine zentrale Aufgabe einer Sozialpädagogik, die sich als interkulturelle versteht. Interkulturelle Sozialpädagogik wäre demnach eine gezielte Organisation gemeinsamen Lehrens, Lernens, Spielens und Arbeitens unter dem doppelten Gesichtspunkt: Gleichberechtigung und Anerkennung von Differenz. … … Die Kompetenzerweiterung ist in viele bedeutsame und kontinuierliche Entwicklungs-prozesse der beruflichen Weiterbildung eingebettet, von denen die Einführung und zunehmende Vermittlung von Schlüsselqualifikationen eine der wichtigsten ist. Es wird sehr viel über diese so genannten Schlüsselqualifikationen diskutiert. Eine davon ist die „interkulturelle Kompetenz“ … Der Erwerb dieser Kompetenz kann nur in einem langfristigen, offenen und reflektierten Lernprozess erworben werden. Es geht hier um den Erwerb einer interkulturellen Grundhaltung … „Interkulturelle Kompetenz“ kann somit als eine Fähigkeit verstanden werden, die erlernt und durch praktische Erfahrungen vertieft und weiterentwickelt werden kann. Es geht darum, sich des eigenen kulturellen Werte- und Wahrnehmungssystems bewusst zu sein sowie Vorurteile kritisch zu reflektieren. Dies beinhaltet darüber hinaus den Versuch, die Wahrnehmung des eigenen Verhaltens durch den oder die Kommunikationspartner/-in zu reflektieren. Des Weiteren geht es darum, sich kulturelles Wissen anzueignen sowie interkulturell angemessene Interventionen zu erlernen. „Interkulturelle Kompetenz“ durchdringt alle professionellen Handlungskompetenzen. Entscheidend ist eine reflektierte Grundhaltung und eine interkulturelle Sichtweise. Hier setzte das Projekt „Erwerb von interkultureller Kompetenz als Beitrag zur Vorbeugung gegen Rassismus und Gewalt“ an. Die Teilnehmerinnen wurden durch zwei Projektleiterinnen während der Projektlaufzeit prozesshaft begleitet. Durch theoretisches Grundwissen zu dem Thema „Erwerb von interkultureller Kompetenz“, spielerischen Übungen, experimentelle Durchführungsphasen und durch einen fachlichen Austausch im Rahmen der Arbeitstreffen sollten die Teilnehmerinnen lernen, ihre individuelle und professionelle interkulturelle Kompetenz zu erkennen und zu reflektieren. Des weiteren sollten sie lernen, Angebote zu entwickeln, um längerfristig eine interkulturelle Sozialpädagogik für die Jugendlichen zu sichern. Die interkulturelle Ausrichtung der Angebote sollte in die einrichtungsübergreifende Konzeption einfließen. Über die praxisorientierte Begleitung der Projekte sollten den Teilnehmerinnen gleichzeitig Grundlagen in der Planung, Durchführung und Auswertung von Projekten vermittelt werden… Projektorganisation … Mit dem Projekt wurden für eine breitenwirksame Arbeit Methoden zum Erwerb einer alltagsorientierten interkulturellen Kompetenz entwickelt. Dabei sollten andere Denk- und Verhaltensweisen erkannt und anerkannt sowie gelernt werden, Auseinandersetzungen fair auszutragen. Diese Fähigkeiten bilden die Grundlage für ein gewalt- und rassismusfreies Zusammenleben. Die Gesamtkoordination des Projekts lag bei der Zentrale von IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit – Deutscher Verband. Das Projekt wurde von Geldern aus der „Glücks Spirale“ finanziert. Schwerpunkt war der Bereich der Jugendsozialarbeit. Ziel war, für die Arbeit mit Jugendlichen in den verschiedenen Handlungsfeldern praxisnahe Arbeitsweisen zu entwickeln und zu erproben. Gleichzeitig sollten sich die Projektteilnehmer/-innen auch als Multiplikator/-innen verstehen und hierzu auch ausgebildet werden. … Das Projekt startete mit vier Projektideen im Rahmen der Jugend-, vor allem der Mädchensozialarbeit. Die Arbeit der Projekte wurde in den Kalenderjahren 2001 bis 2003 durch ein dreitägiges Einführungsseminar und weitere fünf gemeinsame Arbeitstreffen in Zusammenarbeit mit der Leitung der Projektkoordination und durch die Einrichtungsträger begleitet. Die Leitung der Projektkoordination und die Projektbegleitung trafen sich während der Projektlaufzeit in regelmäßigen Abständen, um Projektverlauf und die Projektinhalte kontinuierlich zu reflektieren und um eventuell notwendige neue Zielvereinbarungen abzustimmen. … “ Aus den ‚Empfehlungen und Perspektiven für die Praxis von Seiten der Projektbegleitung‘ (Kapitel VIII): “ … In der Alltagspraxis müssen mehr interkulturell ausgerichtete Aktivitäten bzw. Angebote geschaffen und vor allem von allen Mitarbeiter/-innen mitgetragen werden. Die interkulturelle Kompetenz der Jugendlichen und die gezielten Aktivitäten sollten sich ergänzen und in ein gemeinsames Konzept münden. Der Erwerb von interkultureller Kompetenz kann sich nur im Rahmen eines umfassend reflektierten, bewussten und fortlaufenden Prozesses von Wissensaneignung und Persönlichkeitsentwicklung realisieren. Beide Kompetenzbereiche gehören zu einem Anforderungsprofil für eine erfolgreiche interkulturelle Sozialarbeit und müssen gleichermaßen in der Fortbildung berücksichtigt werden. Eine interkulturelle Öffnung der Jugendsozialarbeit nach innen und nach außen ist notwendig. Dies bedeutet für die Praxis, dass sich das Gesamtteam ihrer interkulturellen Kompetenz bewusst ist, und sich dies in der Konzeption und in den Leitlinien widerspiegelt. Darüber hinaus stellt die Einrichtung ihre interkulturelle Öffnung offensiv nach außen dar. Interkulturelle Öffnung ist nicht zuletzt eine Konsequenz aus der jeweiligen interkulturellen Kompetenz aller am Projekt Beteiligten. Interkulturelle Kompetenz ist die Voraussetzung für eine gelungene interkulturelle Öffnung der Einrichtung. Interkulturell kompetente Mitarbeiter/-innen allein können jedoch die institutionelle Öffnung nicht ersetzen. Um der geforderten interkulturellen Öffnung der Einrichtung gerecht zu werden, sollten die zuständigen Stellen und Verbände für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen auf der politischen Ebene gemeinsam eintreten. Der interkulturelle Kompetenzerwerb von sozialpädagogischen Fachkräften in der Jugendsozialarbeit bezüglich des Umgangs mit der Vielfalt von Kulturen, Sprachen und Religionen müsste mehr als bisher Bestandteil von Ausbildung sein. Sinnvoll ist sicherlich auch die Praxisberatung eines Teams oder auch mehrerer Einrichtungen zu Fragen der interkulturellen Öffnung, evtl. auch um gemeinsam ein passendes Fortbildungsangebot zu entwickeln. … … Den Mitarbeiter/-innen sollten regelmäßig Vorlagen, Materialien und Informationen zum Thema interkulturelles Arbeiten zur Verfügung gestellt werden. Die Projekte zeigten viele Parallelen unter einander auf. Daher ergibt sich eine hohe Bedeutung für den Austausch, der Vernetzung und Übertragbarkeit auf andere Institutionen. In der Ausbildung sowie berufbegeleitend in Fort- und Weiterbildungen sollte verstärkt auf die Zielüberprüfung der sozialpädagogischen Arbeit Wert gelegt werden. Dazu sind Schulungen im Rahmen von Projektarbeit zu Planung, Leitung, Evaluation und Dokumentationsarbeit notwendig. … “ Aus dem ‚Schlusswort‘ (Kapitel IX): “ … Die Durchführung des Projektes zeigte deutlich, dass es für eine interkulturell ausgerichtete Arbeit keine Rezepte gibt. Ideen und Anregungen können zwar aufgegriffen, aber nicht direkt übertragen werden. Die Situation vor Ort muss in jedem neu beginnenden Projekt analysiert und die Konzeptentwicklung entsprechend der Bedingungen vor Ort ausgerichtet werden. Interkulturelle Arbeit lebt von den Mitarbeiterinnen und den Prozessen, die sie initiieren. Ihre Sensibilität für Situationen, ihre Wahrnehmung und ihre Fähigkeit, Prozesse zu gestalten und zu reflektieren, sind Basis für eine interkulturell ausgerichtete Arbeitsweise. Die dazu notwendige Kompetenz entwickeln sie nicht in einer Schulungseinheit, sondern in einem stetigen Prozess, während dem Neues hinzugelernt und ausprobiert wird und die gemachten Erfahrungen anschließend reflektiert werden. Generell ist eine reflektierende Arbeitsweise ein wesentlicher Bestandteil der interkulturellen Arbeit: das Sich-Bewusstmachen der eigenen kulturellen Prägungen und Verhaltensmuster sowie das Einnehmen von anderen Perspektiven und die entsprechende Neuausrichtung von Handlungsansätzen. Auf der Ebene der Mitarbeiterinnen erfordert eine interkulturell ausgerichtete Arbeitsweise interkulturelle Kompetenz. Auf der Ebene der Organisation bzw. der Träger spiegelt sie sich in der interkulturellen Öffnung wider. In wie weit ein Dienst oder eine Einrichtung interkulturell geöffnet ist, zeigt sich in der Öffnung für alle Zielgruppen und einer entsprechenden Angebotspalette, in der Ausgestaltung der Einrichtung und in der Personalzusammensetzung sowie in der Konzeption und Außendarstellung der Institution. Interkulturell ausgerichtete Arbeit kann nicht alleine von den Mitarbeiter/-innen verwirklicht werden, sondern die institutionellen Rahmenbedingungen müssen entsprechend gestaltet sein. Die Einrichtung oder der Träger muss eine klare Entscheidung treffen für die Initiierung eines interkulturellen Öffnungsprozesses. Die Einführung einer interkulturellen Arbeitsweise setzt den politischen Willen zur Veränderung voraus. Hierbei sind eine die multikulturellen Gegebenheiten reflektierende Arbeitsweise sowie die Vernetzung und Kooperation mit anderen Institutionen und Organisationen Elemente einer interkulturellen Öffnung der Einrichtung. Das Ziel ist, Synergien zu nutzen und zu verstärken und die interkulturelle Öffnung aller beteiligter Institutionen zu fördern. … “ Inhalte der Arbeitshilfe u. a.: Ausgangslage: Interkulturelle Kompetenz ist erlernbar Projektorganisation Teilnehmende Einrichtungen Inhalte und Arbeitsweise der Arbeitstreffen Zwischenauswertung der Projektarbeit Projektergebnisse Empfehlungen und Perspektiven für die Praxis von Seiten der Projektbegleitung Arbeitshilfen und Arbeitsmaterialien – “Projekte erfolgreich führen”, – “Interkulturelle Kompetenz in der sozialen Arbeit mit jungen Migrantinnen“ –  „Identitätsentwicklung und Identitätskonflikte von Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft“ –  „Die Bedeutung der vernetzten Zusammenarbeit in der Projektplanung“ –  „Interkulturelle Öffnung der Regelversorgung“, – Leitfaden „Bildung von Indikatoren zur Zielüberprüfung“ – Leitfaden „Interkulturelle Missverständnisse“ – Literaturhinweise Quelle: IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit Deutscher Verband e.V.: ‚Projekt zum Erwerb von interkultureller Kompetenz als Beitrag zur Vorbeugung gegen Rassismus und Gewalt. Dokumentation und Arbeitshilfe‘. Verantwortlich: Lucia Curcio, Regine Rosner. Unter Mitwirkung von: Silke Freese, Anke Papenkort, Susanne Göttlich, Magdalena Dubbel. Bezug: IN VIA Kath. Mädchensozialarbeit, Freiburg, Tel. 0761/200-234, invia@caritas.de

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