OLG Düsseldorf: Bekanntgabe des fachlichen Teils des Wertungsleitfadens

OLG Düsseldorf: Bekanntgabe des fachlichen Teils des Wertungsleitfadens Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Beschluss vom 23.03.2005 wiederum die Ausschreibungspraxis der BA im Jahre 2004 kritisiert. Im vorliegenden Fall geht es um die ausgeschriebene Mehrleistung von 20%, das nach Berufsfeldern nicht zu unterscheidende Pauschalangebot sowie die Bekanntmachung des Teils ‚fachlicher Wertungsleitfaden‘ …“ Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in den Vergabeverfahren ‚Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen BvB neu und BvB neu 2‘ durch die Antragstellerin in Rechten verletzt worden ist, weil  a) der Auftragnehmer gemäß § 4 Abs. 2 des in die Verdingungsunterlagen aufgenommenen Dienstleistungsvertrages bei unveränderten preislichen Konditionen zu einer Mehrleistung von bis zu 20 % des ausgeschriebenen Auftragsvolumens verpflichtet sein sollte  b) das vorgesehene und nach Berufsfeldern nicht unterscheidende Pauschal-angebot einer Vergütung nach Teilnehmer und Monat dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis aufbürdete  c) der Inhalt des ‚Wertungsleitfadens BvB neu‘ hinsichtlich des Teils ‚fachlicher Wertungsleitfaden‘ in der Vergabebekanntmachung oder in den Ver-dingungsunterlagen nicht bekannt gemacht worden ist..“   ..“Daraus folgt, dass auch in Vergabeverfahren, für die – wie im vorliegenden Fall (vgl. § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A und Anhang I B) – die Basisparagraphen der Verdingungsordnung gelten, der Auftraggeber spätestens mit der Übersendung oder Bekanntgabe der Verdingungsunterlagen den Bietern alle Zuschlagskriterien mitzuteilen hat, deren Verwendung er vorsieht, sofern er diese im Voraus festgelegt hat. Zu den bekannt zu gebenden Kriterien zählen ebenso die im Voraus aufgestellten Unter- (oder Hilfs-) Kriterien, Gewichtungskriterien und eine Bewertungsmatrix, die der Auftraggeber bei der Angebotswertung verwenden will (vgl. auch den Beschluss des Senats vom 16.2.2005, VII-Verg 74/04, Beschlussabdruck S. 20, 21)…“   ..“In seinem fachlichen Teil kam dem Wertungsleitfaden der Sache nach die Funktion zu, die Haupt-Zuschlagskriterien auszufüllen, sie zu konkretisieren und Merkmale für die Bewertung der Angebotsinhalte (sog. Untergewichtungen) festzulegen. Allein diese Funktion gebot eine vorherige Bekanntmachung des Wertungsleitfadens, da das Vergabeverfahren nur so für die Bieter transparent gestaltet werden konnte. Dies wird um so mehr bei einer Betrachtung der im Leitfaden aufgestellten fachlichen Wertungsmaßgaben deutlich. Die zur Vergabe von Wertungspunkten erteilten Vorgaben waren nicht durchweg ergebnisoffen formuliert, sondern stellten zum Teil Anforderungen, die in den bekannt gegebenen Verdingungsunterlagen nicht aufgeführt waren und von deren Relevanz für das Angebot und die Wertung die Bieter – ohne davon durch eine Mitteilung der Inhalte des Wertungsleitfadens unterrichtet worden zu sein – nicht wissen konnten. Beispielhaft seien insoweit namentlich die Anforderungen erwähnt, durch die Bieter eine überdurchschnittliche Bewertung (drei Wertungspunkte) erzielen konnten und deren Erfüllung nach allgemeinen Bewertungsgrundsätzen genauso dazu führen konnte, dass ein Angebot zwei Wertungspunkte (statt nur einen Punkt) erreichte…“   An den genannten Beispielen zeigt sich, dass sich Bietern nur durch Bekanntgabe des fachlichen Teils des Wertungsleitfadens die Bedeutung bestimmter darin festgelegter Angebotsinhalte und -merkmale für die Angebotswertung erschließen konnte. Das Unterlassen einer Mitteilung durch die Vergabestelle, die spätestens mit der Bekanntgabe der Verdingungsunterlagen erfolgen musste, verstieß gegen die vergaberechtlichen Gebote der Gleichbehandlung und der Transparenz (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB). Denn infolgedessen blieb es dem Zufall überlassen, ob die eingehenden Angebote auf die festgelegten Bedingungen überhaupt eingingen und diese erfüllten. Ohnedies war bei Vorenthaltung des fachlichen Wertungsleitfadens nicht zu erreichen, dass die eingehenden Angebote miteinander vergleichbar waren. Im Ansatz bemängelt die Antragstellerin zutreffend, dass durch den der Angebotswertung zugrunde gelegten ‚Wertungsleitfaden‘ der Vergabestelle eine unvollständige Eignungsprüfung vorgegeben worden ist. Die Eignungsprüfung hat sich gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A darauf zu erstrecken, ob die Bieter die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Hieran gemessen hat die Antragsgegnerin zwar die Fachkunde und Zuverlässigkeit der Bieter einer Prüfung unterzogen. Jedoch ist das Eignungsmerkmal der Leistungsfähigkeit in der zweiten Wertungsphase nur unter dem Aspekt des personellen Leistungsvermögens (der Personalausstattung und Qualifikation) überprüft worden. Die sachliche Leistungsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt, ob – gemessen an der Zahl der Teilnehmer und an den Berufsfeldern, auf denen die Bildungsmaßnahmen stattfinden sollten – den Bietern nach Art und Größe hinreichend geeignete Räumlichkeiten für die Schulung zur Verfügung standen, ist bei der Eignungsprüfung nicht nur faktisch, sondern aufgrund einer ausdrücklichen, an die Angebotsprüfer gerichteten und zumindest missverständlichen Anweisung unberücksichtigt geblieben (‚Räumlichkeiten … haben nichts mit Eignung zu tun.‘). Darin liegt ein Mangel der die Eignung der Bieter betreffenden Wertung, ungeachtet dessen, dass die Frage, ob die Bieter mit den erforderlichen Räumlichkeiten ausgestattet waren, Gegenstand einer Prüfung in der vierten Wertungsstufe war (vgl. § 25 Nr. 3 VOL/A). § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A weist den Auftraggeber an, nur Angebote solcher Bieter in die engere Wahl gelangen zu lassen also in jene vierte Wertungsstufe, die – ohne jeden Abstrich – die auf einer vorgelagerten Wertungsstufe vorzunehmende Eignungsprüfung bestanden haben. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A hat insoweit eine bieterschützende Funktion. ..“Der Senat legt diesen Teil des Feststellungsantrags deshalb dahin aus, dass mit ihm – mittelbar – nicht eine bestimmte Ausgestaltung der Verdingungsunterlagen (nämlich im Sinn einer Garantie der Teilnehmerzahlen in bestimmten Berufsfeldern durch die Vergabestelle) gefordert, sondern nur eine Rechtsverletzung durch die im vorliegenden Fall tatsächlich gewählte undifferenzierte Vorgabe eines Angebotspreises je Teilnehmer und Monat festgestellt werden soll (wobei die Festlegung bestimmter Teilnehmerzahlen für einzelne Berufsfelder lediglich eine denkbare Möglichkeit ist, das behauptete unzumutbare Wagnis zu beseitigen..“ ..“Allerdings kann allein aus einer bloßen Häufigkeit gleichgerichteter individueller Fragen im Allgemeinen noch keine Aufklärungsverpflichtung des öffentlichen Auftraggebers entstehen. Das ist nach dem Wortlaut von § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A nur der Fall, wenn die Aufklärung die geforderte Leistung oder die Grundlagen der Preisermittlung berührt. Dann aber hat der Auftraggeber die einem Bieter gewährte Aufklärung allen Bietern zur Verfügung zu stellen, ohne unter ihnen nach eigenem Ermessen solche auswählen zu dürfen, denen die Aufklärung zuteil werden soll. Im Streitfall geht es der Antragstellerin ausschließlich um die Feststellung einer Rechtsverletzung nach § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A, die darin liegen soll, dass die Vergabestelle die von einem anderen Bieter unter dem 13. und 26.4.2004 gestellten Fragen zwar diesem Bieter gegenüber beantwortet, die dadurch erteilten Aufklärungen aber nicht allen Bietern, insbesondere nicht ihr, der Antragstellerin, zugänglich gemacht habe..“ Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss, Aktenzeichen: VII-Verg 77/04, 23.03.2005.

http://http://www.justiz.nrw.de/ses/nrwesearch.php#

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