Teilhabe junger Menschen mit Behinderungen in Berufsbildungswerken – Aktuelle Situation und Perspektiven Auszüge einer Mitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke (www.bagbbw.de). Vorbemerkungen “ Die BAG BBW anerkennt die gleich bleibend hohen Mittelaufwendungen der BA zur beruflichen Ersteingliederung. Allerdings ist kritisch anzumerken, dass das Mengen-Ausgabevolumen-Problem dieses Reha-Träger nur allzu leicht übersehen wird. Einerseits verfügen sie über immer geringere Mittel, andererseits nimmt der Personenkreis der Anspruchsberechtigten – und hier insbesondere der Jugendlichen – ausbildungsmarktbedingt erheblich zu. Die demografische Entwicklung signalisiert zwar insgesamt einen Rückgang der Absolventen der allgemeinbildenden Schulen, gleichzeitig nimmt aber der Anteil der behinderten Jugendlichen in den nächsten Jahren noch deutlich zu und überkompensiert damit den Entlastungseffekt. Da nach zuverlässigen Berechnungen die Zahl behinderter Absolventen der Sekundarstufen I noch bis mindestens 2008 zunimmt und sich erst bis 2011 wieder auf dem heutigen Niveau eingependelt haben dürfte, steht zudem ein „Bugwelleneffekt“ bevor, bei dem ein zunehmender Teil behinderter Jugendlicher „in Warteschleifen geparkt“ und daher der Kreis der Ausbildungsstellenbewerber auf mittlere Sicht in die Höhe getrieben wird. Für die geschäftspolitischen Reaktionen der BA kann man angesichts knapper Haushaltsmittel Verständnis aufbringen, akzeptieren kann man die damit verbundene Verengung der Lebensperspektive im Interesse der Betroffenen allerdings nicht. Besonders problematisch schlägt so der Paradigmenwechsel der Bundesagentur für Arbeit zu Buche: Sie setzt derzeit auf rasche Vermittlung, weniger auf nachhaltige Eingliederung. Hatte sie doch über Jahrzehnte hinweg unter Hinzuziehung einschlägiger Arbeitsmarktstatistiken eine qualitativ hochwertige Ausbildung auf Facharbeiterniveau als vorrangiges Ziel auch für behinderte Menschen postuliert, so huldigt sie derzeit nach einer Kehrtwendung um 180 Grad der Auffassung, für einfache Berufstätigkeiten reiche auch eine einfache Anlernung, sprich: Teilqualifizierung aus. Damit wird der gesetzliche Anspruch der Leistungsberechtigten auf eine gesicherte Teilhabe am Arbeitsleben ausgehöhlt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollen nur noch für ausgewählte, erfolgreich eingliederbare behinderte Menschen bewilligt werden, obwohl das Grundgesetz in Artikel 3 eine derartige Benachteiligung ausdrücklich verbietet. Wer stärker behindert oder besonders belastet ist, würde damit endgültig ausgegrenzt. Das Sozialstaatsprinzip würde damit massiv verletzt. … Auswirkungen der Mittelbewirtschaftung der BA auf die Anmeldungen in den Berufsbildungswerken Anhand einiger Beispiele sollen die Auswirkungen der Mittelbewirtschaftung von Pflichtleistungen in der Beruflichen Rehabilitation verdeutlicht werden. Nach unserer Ansicht ist – sofern ein Rechtsanspruch auf eine Pflichtleistung vorliegt – dieser auch zu erfüllen. Dies sehen auch die Vorsitzenden einiger RD so – sind aber an die Budgetierung gebunden. Zahlreiche Agenturen für Arbeit sind durch Mittelvorbindungen nicht in der Lage Rechtsansprüche zu erfüllen und lassen Anmeldungen „auf Halde liegen“ oder versuchen durch „Sparmaßnahmen“ vorgegebene Budgets einzuhalten. Die Mittelausstattung der Agenturen widerspricht dem Bedarf. Entgegen Behauptungen aus den RD und der Zentrale der BA, wonach fast unverändert Mittel zur Verfügung stehen und somit eine bedarfsgerechte Versorgung möglich ist, belegt der Bericht des BMWA im Ausschuss des Bundestages für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung gegenteiliges. Demnach übersteigt die Mittelzuweisung nur minimal die Vorbindungen – auch hier gilt, dass wir mündlich zahlreiche ähnliche Meldungen aus ganz Deutschland erhalten. Folgen: Aus zahlreichen Regionen in Deutschland wird seit Mitte Februar 2005 von einem de facto Anmeldestopp berichtet. Die RD Sachsen hat für Reha-Maßnahmen eine sofortige Ausgabensperre verhängt. Im Moment wird in den zur RD S. gehörenden AA Kassensturz gemacht, um einen Überblick über die Mittelsituation zu bekommen. Hintergrund für die Maßnahme sollen die hohen Verpflichtungsermächtigungen aus dem Jahr 2004 sein. Man räumt ein, dass eine Budgetierung bei Pflichtansprüchen an sich nicht zulässig sei. Die Finanzsituation lasse aber keine andere Entscheidung zu. Ersteingliederungsmaßnahmen für Jugendliche nach SGB IX hätten bei der Bewirtschaftung der ggfs. nach dem Kassensturz noch gefundenen Mittel absolute Priorität für den Rest des Jahres. Vermehrt erreichen uns Informationen aus Arbeitsagenturen, dass aufgrund eines internen Schreiben in den Agenturen ab dem 15.3.2005 keine Anmeldungen und Bewilligungen erfolgen dürfen. Die Berater sitzen weisungsgebunden auf den Anträgen auf Reha. Zudem sind Anmeldungen in den letzten Wochen mit dem Vermerk erfolgt, „sofern die Mittel zur Verfügung stehen“. Gesamtbetrachtung – Trend 2004 zu 2005: Es zeigt sich, dass, obwohl im Bundesschnitt die Buchungen/Anmeldungen in den BBWs im Februar 2005 noch auf dem Vorjahreswert lagen, bundesweit zwischenzeitlich eine massive Buchungszurückhaltung durch die Agenturen für Arbeit auszumachen ist. Der aktuell festzustellende Buchungsrückgang liegt (im bundesweiten Saldo) bei etwa 20 Prozent und fällt regional sehr unterschiedlich aus. Umsetzung der Hartz IV Gesetze – Zuständigkeit für die berufliche Rehabilitation Nach wie vor legt § 6 SGB IX den Kreis der Träger von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben fest. Dort ist weder von Optionskommunen noch Arbeitsgemeinschaften die Rede. Demnach müsste die Bundesagentur für Arbeit weiterhin Rehabilitationsträger sein, und zwar auch dort, wo Arbeitslosengeld II von Optionskommunen und Arbeitsgemeinschaften bewilligt und bezahlt wird. Nach unserer Auffassung ist, mit Schreiben von Bundesminister Wolfgang Clement, das am 18.04.2005 an die Regierungen aller Bundesländer verteilt wurde, eine eindeutige Klärung der Rechtslage und der Zuständigkeit für die berufliche Reha Jugendlicher erfolgt. Unter der Überschrift „Berufliche Rehabilitation“ stellt das BMWA klar: „In der Frage des Umfangs von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen nach § 16 Abs. 1 SGB II stimme ich mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden überein, dass Teilhabeleistungen zur Berufsvorbereitung und Berufsausbildung nach § 100 Nr. 5 SGB III durch die Bundesagentur für Arbeit für alle erwerbsfähigen behinderten Hilfebedürftigen im Sinne des SGB II aus Beitragsmitteln zu erbringen sind. In der Folge schließt dies auch die Zuständigkeit der Bundesagentur für die Leistungen der Berufsvorbereitung und Berufsausbildung in rehaspezifischen Einrichtungen und Maßnahmen (§ 102 SGB III) ein. Im Interesse der betroffenen behinderten Menschen wurde dieses Ergebnis bereits am 2. März 2005 in einer Besprechung auf Arbeitsebene mit den Ländern abgestimmt und damit einem Anliegen der Länder Rechnung getragen.“ Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass bei Leistungen anderer Träger (Optionskommunen oder ARGE) die Bundesagentur für Arbeit nicht (mehr) leisten darf. Eine ganzheitliche Förderung behinderter Menschen ist damit nicht mehr gewährleistet. Die Datenweitergabe funktioniert ebenso wenig wie die Bewilligungsgrundlage einheitlich und transparent für die Betroffenen ist. Es gibt ganz offensichtlich ein erhebliches Schnittstellenproblem. Hinzu kommt, dass bei Optionskommunen und Arbeitsgemeinschaften noch keine funktionsfähigen Reha-Teams bestehen. Arbeitsgemeinschaften sind Leistungs- aber nicht Reha-Träger. Bei der Erstausbildung sind die Arbeitsgemeinschaften ohnehin nicht Leistungsträger. Der Gesetzgeber hat hier nur einen Rahmen geschaffen, der von den einzelnen Arbeitsgemeinschaften ausgefüllt werden muss – und nach unseren Beobachtungen bislang eher schlecht als recht ausgefüllt wird. Mit anderen Worten: Bei gutem Willen und entsprechender Sachkompetenz funktioniert die Abstimmung, sonst nicht.“
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Quelle: Information der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke