Anforderungen und Erwartungen an Zusatzjobs der Freien Wohlfahrtspflege Auszüge aus dem Statement von Reiner Sans, Stabsstelle Recht beim DCV, „Anforderungen und Erwartungen an Zusatzjobs der Freien Wohlfahrtspflege“, das er am 7.9.05 auf der Tagung ‚Aufbruch am Arbeitsmarkt durch Hartz IV? – Gemeinwohlarbeit als Teil einer neuen Arbeitsmarktpolitik in Berlin eingebracht hat. Veranstalter waren das BMWA, der Deutsche Verein und berlinpolis. “ 1. Ziele der Arbeitsgelegenheiten Die Integration von erwerbsfähigen Hilfeempfängern in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist – oder muss ich besser sagen „war“? – das vorrangige Ziel der Arbeitsgelegenheiten bei den Wohlfahrtsverbänden. Ein zweites Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit aufrecht zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Daneben gewinnt ein weiteres Ziel an Bedeutung: Die soziale Integration durch Arbeit zu fördern, Arbeitsgelegenheiten mit diesen Zielen dienen nicht nur dem Gelderwerb und damit auch der Verhinderung von Armut, sondern auch der Teilhabe und der Integration in die Gesellschaft und der Wahrung der Menschenwürde. Für unter 25-jährige hat die schulische und berufliche Ausbildung Vorrang. 2. Kriterien für die Wohlfahrtsverbände, wenn Sie sich an der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten beteiligen Die Tätigkeiten müssen zusätzlich sein. Es dürfen keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden und keine Konkurrenz zur privaten Wirtschaft entstehen. Es ist darauf zu achten, dass bisher ehrenamtlich erbrachte Arbeiten nicht einfach in auf 1-€-Jobs übertragen werden. Die Teilnehmer an Programmen müssen sich frei entscheiden dürfen, ob sie bei einer sozialen Einrichtung mitarbeiten. Die Tätigkeit muss einen Anteil Qualifizierung enthalten Die individuelle Anleitung, Begleitung und Unterstützung der öffentlichen Beschäftigung muss durch den Beschäftigungträger oder durch einen Dienst gesichert sein. Die ausgeübten Tätigkeiten sollten so nah wie möglich an normalen Beschäftigungsverhältnissen sein, also zum Erhalt oder Erwerb von Qualifikationen führen, die im regulären Arbeitsmarkt gebraucht werden. 3. Rahmenbedingungen und Kooperation vor Ort Eine zielgruppenspezifische Maßnahmeplanung vor Ort ist notwendig zwischen der Arbeitsgemeinschaft und der Freien Wohlfahrtspflege und sonstigen Trägern: Dabei geht es neben der öffentlichen Beschäftigung auch um die ergänzenden Leistungen, die zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit notwendig sind, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung, Suchtberatung, Betreuung minderjähriger Kinder oder häusliche Pflege von Angehörigen. Auch diesbezüglich sind Leistungsinhalte, Qualitätsstandards, Finanzierungsgrundsätze und Organisationsabläufe in Leistungsvereinbarungen so konkret zu beschreiben, dass die Zusammenarbeit vor Ort zielstrebig und transparent gestaltet werden kann. Dem Beschäftigungsträger sind die Kosten für Anleitung, Begleitung, Unterstützung und ggf. ergänzende Qualifizierung nach vorheriger Vereinbarung (ggf. auch pauschal) in bedarfs- und leistungsgerechter Höhe zu erstatten. Zugrunde gelegt werden muss ein der Maßnahme angemessener Personalschlüssel und die Mantel- und Regiekosten. Das wirtschaftliche Risiko muss trotz der individuellen Bewilligung (Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II) für den Beschäftigungsträger kalkulierbar sein (z.B. durch Rahmenvereinbarungen, Kontingente usw.). Dem Beschäftigungsträger müssen die wesentlichen Inhalte und Ziele der Eingliederungsvereinbarung bekannt sein. Die Freie Wohlfahrtspflege muss vor Ort auf Augenhöhe eingebunden sein in die Integrationsüberlegungen der Arbeitsgemeinschaft bzw. der Kommune. Dies geschieht sinnvoller Weise in einem Beirat. 4. Bisherige Erfahrungen In den Einrichtungen der Caritas wurden seit 1.Januar 2005 bis Juni 2005 17.350 Zusatzjobs geschaffen. Davon wurden 12.486 besetzt. Nichtbesetzungsquote von 30%. … 5. Bewertung der Zusatzjobs Das Instrument der Zusatzjobs war innerhalb der freien Wohlfahrtspflege bei seiner Einführung nicht unumstritten. Die Hauptargumente waren: Es fehlen derzeit viele Arbeitsplätze auf dem regulären Arbeitsmarkt. Durch Zusatzjobs dürfen nicht weitere reguläre Arbeitsplätze vernichtet werden. Deshalb haben die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege von Anfang an größte Priorität auf die strenge Handhabung des Merkmals der Zusätzlichkeit gelegt. Was erleben wir in der Praxis? Das vorrangige Ziel der Integration in den regulären Arbeitsmarkt wird nur relativ selten erreicht. Begrenztes Eingliederungsbudget der ARGEN vor Ort, dementsprechend zu niedrige Maßnahmepauschalen gerade um arbeitsmarktferne Personen an Arbeit heranzuführen, im Verbund mit dem Interesse der finanziell klammen sozialen Einrichtungen an möglichst fitten Zusatzjobbern führen im Ergebnis für jene Menschen mit multiplen Vermitt-lungshemmnissen zu schlechteren Chancen auf einen Zusatzjob im Vergleich zu Menschen mit gut verwertbaren Arbeitsleistungen. Gleichzeitig steigt die Gefahr der Verdrängung regulärer Beschäftigung durch Zusatzjobber proportional zu der Einsatzfähigkeit der Menschen im Zusatzjob. Wenn das erste Ziel der Integration in den regulären Arbeitsmarkt nicht erreicht werden kann, dann bleiben nur noch die beiden anderen Ziele Ein zweites Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit aufrecht zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Daneben gewinnt ein weiteres Ziel an Bedeutung: Die soziale Integration durch Arbeit zu fördern. Diese beiden Ziele rechtfertigen aber nicht die Beschäftigung von langzeitarbeitslosen Menschen in Zusatzjobs, denen im wesentlichen nichts anderes fehlt als ein Arbeitsplatz. Für diese Menschen bedarf es anderer Instrumente um Anschluss auf dem regulären Arbeitsmarkt zu halten wie z.B. Aktivierende Sozialhilfe und/oder spürbare Absenkung der Lohnnebenkosten im Niedriglohnbereich. Es ist ja nicht so, dass es in Deutschland an Arbeit fehlt, es fehlt an bezahlbaren Arbeitsplätzen und hier spielt das AlG II als quasi gesetzlicher Mindestlohn und die hohen Lohnnebenkosten eine große Rolle. Deshalb neigen wir zunehmend der Position zu, das Instrument der Zusatzjobs vorrangig für Menschen mit geringer Qualifikation und/oder multiplen Vermittlungshindernissen zu beschränken. Für diese Menschen ist eine öffentlich geförderte Beschäftigung notwendig.“
Quelle: Statement von Reiner Sans, Stabsstelle Recht beim DCV