Never change a winning team – die Arbeit geht weiter Tagungsbericht von Anna Warnking, Referentin im Netzwerk der BAG KJS, Diözesan- Caritasverband Trier zur Veranstaltung ‚Jugendsozialarbeit im Wandel – Never change a winning team‘ am 14.9.2005 Nicht alle Ergebnisse der Trägerbefragung des Forschungsprojektes ‚Jugendsozialarbeit im Wandel‘ und die kritische Begutachtung der von Lutz Wende und Gerhard Christe formulierten Arbeitshypothesen lassen sich mit Erfahrungen aus der Welt des Fußballs erklären – auch wenn die Referentinnen und Referenten des Tages diese Steilvorlage der Forscher in ihren Einleitungs- oder Abschlussätzen dankbar aufnahmen. Was bleibt als Eindruck von der personell und auch inhaltlich dicht besetzten Fachveranstaltung in der Frankfurter Fachhochschule übrig ? Mit Prof. Dr. Lutz Finkeldey vollzieht sich eine Erdung des Themas, weg von der Maßnahmevielfalt der Praxis hin zur Orientierung auf die Funktion von Sozialpolitik als gesellschaftliches Korrektiv. Ein Blick auf veränderte Sozialisationsbedingungen der ‚Jugend heute‘ zeigt, dass formales Wissen – also Schule – nur noch 30 % zur Fundierung in der Gesellschaft ausmacht. Die Erfahrung, dass sich Erwerbsarbeit im Verlauf eines Lebens ändert, macht diese Erwerbsarbeit beliebiger und nicht mehr lebensbestimmend. Wichtiger – und dies vor allem in benachteiligten Lebenssituationen – ist der Aufbau von Bewältigungskompetenzen. Mit Blick nach Österreich, wo Jugendliche durch eine breitere Vorstellung von Arbeitsmarktfähigkeit im Übergang von Schule in den Beruf begleitet werden, warnt Prof. Finkeldey vor der Entwicklung in Deutschland, Beschäftigungsfähigkeit von Jugendlichen immer enger nur noch ökonomisch auszurichten. Aus seinem Blickwinkel stehen am Ende für das Arbeitsfeld Jugendberufshilfe zwei Konsequenzen. a) Den Jugendlichen müssen Fremdheiten zugemutet und durch Entwicklung von Bewältigungsstrategien – innerhalb und auch außerhalb von Erwerbsarbeit – gesellschaftliche Perspektiven für ihr zukünftiges Leben vermittelt werden. b) Die gute Arbeit in den Jugendberufshilfeprojekten kann nur fruchten, wenn der sozialpolitische Rahmen stimmt – und der stimmt z.Zt. nicht, deshalb fordert Prof. Finkeldey mehr politische Arbeit von den Trägern. Wird Jugendhilfe zum Appendix von Hartz IV ? Was darf Hilfe kosten ? Prof. Schruth, allen Aktiven in der Jugendberufshilfe bekannt durch sein Gutachten bezüglich des Verhältnisses von Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII und Leistungen und Angebote nach dem SGB II und SGB III, überdachte den Stellenwert der Jugendsozialarbeit im Zuge des Paradigmenwechsel der Hartz-Gesetzgebung. Seine Grundaussage lautet: SGB II und SGB VIII verhalten sich wie Feuer und Wasser zueinander: Eigenverantwortung als Voraussetzung, quantitativer Hilfebegriff verbunden mit Sanktionen stehen einem qualitativen Hilfebegriff ohne Sanktionen zur Erreichung einer Eigenverantwortung als Ziel gegenüber. Was bleibt aus diesen rechtlichen Blickwinkel an Handlungsaufforderungen für die Zukunft ? Er fordert neu einzurichtende ‚Vereinbarungsgespräche‘ unter Beteiligung aller Akteure, um vor Ort ‚win-win-Situationen‘ auszuhandeln. Um diese Vereinbarungsgespräche auch mit Erfolg führen zu können, sieht er allerdings auf allen politischen Ebenen Handlungsnotwendigkeiten: I) landespolitische Aktivitäten, um Handreichungen zur Umsetzung von Vereinbarungsgespräche zu formulieren II) ausreichendes Angebot von Beratungsstellen zu etablieren, um Bedarfe zu beschreiben III) über den § 13 KJHG hinaus eine bundespolitische Regelung zur Installierung einer nationalen Bundeskonferenz – quasi ein ‚Hartz V Sozial‘ Einen Ausflug in die Berufspädagogik nahm die Diskussion mit Prof. Dr. Ruth Enggruber. Sie verortet die Jugendberufshilfe in die Funktion als sozialer Dienstleister zwischen Schule und Betriebe. Entsprechend ihres Arbeitsauftrages durch der von Christe und Wende vorgegebenen Ausgangsthese der Veränderungen in der Sozial- und Berufspädagogik, schlägt sie das Kapitel der Diskussion um ‚Qualifizierung und berufliche Handlungskompetenzen‘ auf. Ausgehend von Europa und der Diskussion um einheitliche europäische Qualifizierungsrahmen stellt sie eine enorme Erosion des Berufsprinzips fest. Im Gegensatz zur PISA-Studie liegt Deutschland jedoch im OECD Vergleich der Absolventen einer Berufsausbildung mit 60 % weit über den Durchschnitt von 44 % . Damit hält sie als ordnungspolitische Anmerkung für Deutschland für die nahe Zukunft zunächst am Berufsprinzip fest. Beruf ist identitätsbildend – aber in der heutigen Zeit gibt es keinen Automatismus mehr zwischen Beruf und Integration in Arbeit. Maßgeblicher wird die Vorhaltung von Arbeitsplätzen durch bildungsökonomische Entwicklungen beeinflusst. Hier streiten ‚Arbeitskraftbedarfsansätze‘ mit ‚Humankapitaltheorien‘. Mit Verweis auf die aktuelle Veröffentlichung von Böhnisch/Schroer stellt Frau Enggruber fest, dass in jüngster Zeit Humankapitaltheorien Niederschlag in der Berufspädagogik gefunden haben. Verbunden damit öffnet sich der Blick auf ‚Selbstorgansiationsfähigkeit‘ und ‚weitere Kompetenzen zur Vorbereitung auf Erwerbstätigkeit‘. Ergänzt mit sozialpädagogischen Aspekten sieht sie die Berufspädagogik vor der Neudefinition von Kompetenzentwicklung. Diese kann nicht allein mit beruflichem Wissen bewertet werden, sondern muss berufliche Handlungskompetenz an Fragen der Lebensbewältigung messen. (Damit müsste eigentlich die Praxis der Jugendberufshilfe zukünftig stärker in das Forschungsfeld der Berufspädagogik rücken. Anmerk. der Verfasserin) Frau Sieglinde Bohrke-Petrovic von der Bundesagentur für Arbeit macht deutlich, dass für die Beratung für U 25Jährige z.Zt. kein offizielles Handlungsprogramm vorhanden ist. Nur für die Steuerung des Vermittlungsgeschäftes wird das Agenturpersonal mit einem für Erwachsene ausgerichtetem Handlungsprogramm geschult. Entsprechende Folien werden von Frau Bohrke-Petrovic erläutert. Trotz dieser anders gelagerten Thematik ihres Referates wird sie als Vertreterin der Bundesagentur in der Diskussion auf die kritischen Punkte des wettbewerbsorientierten Ausschreibungsverfahren hinterfragt. Ergiebiger (und vorurteilsfreier vom Publikum ) werden die kurzen Ausführungen von Prof. Dr. Claus Reis zu den Stichwörtern ‚Profiling‘ und ‚Assessment‘ und den Überlegungen zu einem zentralen Prozessschritt des Fallmanagements aufgenommen. Angetrieben von der Frage nach einem professionellen Fallmanagement schlägt er für die Handlungsebene den Ablauf eines ‚verständigungsorientierten Assesments‘ vor. Vereinigt in diesem Modell sind Elemente eines subjektiven Profilings mit statistischen Erfahrungswerten, die allerdings erst durch ein Gespräch der Betroffenen im Rahmen des Fallmanagements zu einer gemeinsamen Entscheidung über die Einleitung geeigneter Aktivitäten führen soll. Die Verständigung unterscheidet das Modell von dem z.Zt. eingesetzten Risikoprofiling, welches auf der Basis von Wahrscheinlichkeitsmodellen agiert sowie auch dem Eignungsprofiling, welches Übersetzungsleistungen notwendig macht. Als Zuhörerin holt mich zum Abschluss der Tagung mit dem verständigungsorientierten Assessment der Berufsalltag in der Jugendberufshilfe wieder ein. Durch die Tagung entstandene Fragen seien mir deshalb an dieser Stelle erlaubt: Was passiert bei einer am Arbeitsmarkt orientierten mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern abgestimmten Förderplanung anderes als Schritt für Schritt ein verständigungsorientiertes Assessment ? Könnten Forschung und Wissenschaft es schaffen, dieses vorhandene Wissen zu beschreiben, sodass von der Praxis gelernt wird und nicht immer neue Begrifflichkeiten in die Praxis eingeführt werden müssen ? Gibt es ein besseres d.h. professionelleres Fallmanagement als das bereits vorhandene Instrumentarium in erfolgreichen Jugendberufshilfemaßnahmen ? Warum überträgt man dann nicht direkt das Fallmanagement im Kontext des SGB II an erfahrene Träger der Jugendberufshilfe ? Vielleicht bringt der Blick von Paul Fülbier auf das neue ‚Deutsche Forum Jugendsozialarbeit‘ die Möglichkeit, diese Fachfragen gemeinsam zu diskutieren. Die Fachtagung bot hierzu bereits einen anregenden Einstieg. Eine Dokumentation der Tagung ist angekündigt. Das längerfristige Forschungsvorhaben sowie die Ergebnisse der ersten Trägerbefragung werden im nächsten Heft ‚Jugend -Beruf – Gesellschaft‘ der BAG Jugendsozialarbeit eingehender diskutiert. – Christe_Wende_Ergebnisse_Folien zum Vortrag_Frankfurt_Sept 2005.pdf
Siehe
dazu
auch
JUGENDSOZIALARBEIT
NEWS
203
vom
5.9.2005
Quelle: Anna Warnking, Trier, 21.September 2005
Dokumente: Christe_Wende_Ergebnisse_Folien_zum_Vortrag_Frankfurt_Sept_2005.pdf