Forderungen der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Bayern und des Bayerischen Jugendrings zur Verbesserung der Situation von minderjährigen Flüchtlingen in Bayern

FORDERUNGEN DER LANDESARBETISGEMEINSCHAFT JUGENDSOZIALARBEIT BAYERN UND DES BAYERISCHEN JUGENDRINGS ZUR VERBESSERUNG DER SITUATION VON MINDERJÄHRIGEN FLÜCHTLINGEN IN BAYERN Ausgehend von einem Posistionspapier der BAG Jugendsozialarbeit vom September 2005 stellt die bayerische Jugendsozialarbeit jetzt Forderungen an die Politik die Situation minderjähriger Flüchtlinge nachhaltig zu verbessern. Der Bayerische Jugendring und die LAG Jugendsozialarbeit Bayern plädieren für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in staatliches Recht. Ein eindeutiger Appell an die politisch Verantwortlichen. Auszüge aus den Forderungen: “ * Erfüllung internationaler Abkommen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention Bei der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention wurden von der Bundesregierung verschiedene Vorbehalte benannt. Der ausländerrechtliche Vorbehalt führt in der Praxis zu massiven Einschränkungen des Schutzgedankens der Konvention für Flüchtlingskinder und -jugendliche. … Die in der Bundesrepublik Deutschland und im Freistaat Bayern bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis minderjähriger Flüchtlinge sind unzureichend. … Konkrete Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in staatliches Recht bedeutet: … * Asylunabhängiges Aufenthaltsrecht Der rechtliche Rahmen zur Erteilung eines gesicherten Aufenthaltes muss durch den Freistaat Bayern erweitert werden. Dies bedeutet: – Unbegleitete Minderjährige sollen nach zwei Jahren tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis … erhalten. – Für unbegleitete Minderjährige müssen die geltenden Möglichkeiten zur Erteilung eines Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen verstärkt genutzt werden. – Die unbefriedigende Situation durch Erteilung von Kettenduldungen soll durch einen festen Aufenthaltsstatus verbessert werden. – … das ernsthafte Bemühen um soziale Integration honoriert werden und der Fokus nicht nur auf der wirtschaftlichen Integration liegen. – Bei Familien soll der Sozialhilfebezug keinen Hinderungsgrund darstellen, Wohnung zu nehmen oder eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. … * Schutz von Ehe und Familie Flüchtlingsfamilien mit Kindern, die unterschiedlichen Wohnorten zugewiesen wurden, muss ein Zusammenleben an einem Ort ermöglicht werden. … Die Vereinbarkeit einer Rückführung junger Flüchtlinge mit dem Kindeswohl wird selten geprüft. Oft kommt eine Rückführung in das Heimatland der Eltern für junge Flüchtlinge einer erzwungenen Ausreise in ein für sie fremdes Land gleich, mit dessen Sprache und Kultur sie nicht vertraut sind. … Das Recht des Kindes auf mütterliche und väterliche Sorge, das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern und die Verhältnismäßigkeit der Mittel müssen bei der Durchführung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in jedem Einzelfall Beachtung finden. … * Verbot der Abschiebehaft Minderjährige dürfen weder in Abschiebehaft noch in Haftanstalten mit erwachsenen Straffälligen gebracht werden. Abschiebehaft ist menschenunwürdig und entspricht nicht dem Kindeswohl. Jugendgerechte, haftvermeidende Einrichtungen der Jugendhilfe stellen hier die geeignete Unterbringungsart dar. * Legalisierung junger Flüchtlinge ohne Aufenthaltsrecht Für in Bayern lebende minderjährige Flüchtlinge ohne Aufenthaltsrecht müssen Wege zur Legalisierung geschaffen werden. Die Grundstandards der UN-Kinderrechtskonvention sollten auch für diese Minderjährigen zur Anwendung kommen. Weder in Schule noch in der Gesundheitsversorgung von minderjährigen Flüchtlingen ohne Aufenthaltsrecht dürfen diese grundlegenden Standards massiv eingeschränkt werden. Deshalb darf es hier keine Meldepflicht geben. * Härtefallkommission Die im Zuwanderungsgesetz vorgesehene Härtefallkommission ist aus fachlicher Sicht notwendig, da aus humanitärem Blickwinkel viele Fälle strittig sind. … muss diese … unter Beteiligung der Kirchen und Verbände konzipiert und eingeführt werden … * Jugendhilfe und Unterbringung Gleichbehandlung von Flüchtlingskindern mit deutschen Kindern Das SGB VIII muss auf alle jungen Flüchtlinge Anwendung finden. Dem Schutzgedanken des SGB VIII ist dabei Vorrang vor den ausländerrechtlichen Regelungen einzuräumen. Hierzu sind entsprechende Anweisungen durch die oberste Landesjugendbehörde und das bayerische Landesjugendamt erforderlich. Dies bedeutet auch, dass „Leistungen zur Hilfe zur Erziehung außerhalb der eigenen Familie“ kein Ausweisungstatbestand sein dürfen. Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII 16-Jahres-Grenze Zur Durchführung eines fachlich fundierten Clearingverfahrens müssen alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Sinne von § 42 SGB VIII in Obhut genommen werden. … Das Recht junger Flüchtlinge, auf der Grundlage des SGB VIII ambulante und stationäre Formen der Erziehungshilfen in Anspruch zu nehmen, muss in die Praxis umgesetzt werden. * Unterbringung Für die Unterbringung von Minderjährigen in Gemeinschaftsunterkünften müssen Mindeststandards gelten, welche die Intimsphäre, die Gesundheit und das Wohl der Kinder und Jugendlichen schützen und die von der Heimaufsicht der Jugendämter überwacht werden. Gemeinschaftsunterkünfte sollen familiengerecht ausgerichtet, sozialräumlich angebunden und sozialpädagogisch begleitet sein. … Im Falle einer notwendigen Verlegung von Minderjährigen sollen deren Bedürfnisse und Interessen besondere Berücksichtigung finden, besonderes Augenmerk soll auf den Schulbesuch und die Einbindung in soziale Gruppen gelegt werden. * Schul-, Ausbildungs- und Arbeitssituation Schulpflicht für alle Flüchtlingskinder Jedes Kind hat ein in Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention garantiertes Recht auf Bildung. Dieses Recht muss Vorrang vor ausländerrechtlichen Regelungen haben, deshalb müssen auch Kinder ohne Aufenthaltsrecht die Möglichkeit haben, eine Schule zu besuchen. Schulen müssen den besonderen Bedürfnissen von jungen Flüchtlingen gerecht werden. Dies soll zum Beispiel vermehrt durch die Einrichtung von Übergangs- oder Förderklassen und durch Alphabetisierungskurse geschehen. … Flüchtlingskinder sollten eine tatsächliche Schulpflicht von zehn Jahren haben. Es soll nicht von einem fiktiven Schulbesuch im Heimatland ausgegangen werden und der Stichtag für aus dem Ausland zugezogene Schulpflichtige nach Art. 36 Abs. 3 BayEUG keine Anwendung finden. Auch über 16-Jährige, die in ihrem Herkunftsland keine Schule besucht haben, müssen Zugang zum Bildungssystem bekommen. … Die staatlichen Schulämter sind bei all dem in der Pflicht, dies anzuregen und umzusetzen, der Freistaat hat die Finanzierung sicherzustellen. Zugang zu beruflicher Erstausbildung und Qualifizierung Berufliche Qualifizierung ist für alle jungen Menschen der Schlüssel für eine eigenständige Entwicklung und ein unabhängige wirtschaftliche Grundlage. Dies gilt unabhängig davon, ob sie dauerhaft in Bayern bleiben oder später in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Deshalb muss der Zugang von jungen Flüchtlingen zum dualen Ausbildungssystem ebenso offen stehen wie zu Ausbildungsplätzen nach dem SGB III. Zudem müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit sie an Angeboten der Jugendberufshilfe (z. B. arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit, berufsvorbereitende Maßnahmen oder ausbildungsbegleitende Hilfen) teilnehmen können, um anschließend erfolgreich eine berufliche Ausbildungen zu absolvieren. … Eine fehlende Arbeitserlaubnis ist ein Hinderungsgrund, um eine Ausbildung zu beginnen. … So ist den Kindern spätestens nach zweijährigem Aufenthalt ein gleichrangiger Arbeitsmarktzugang zu gewähren. Es zeigt sich auch, dass selbst bei einer restriktiven Auslegung des Zugangs zum Arbeitsmarkt die Abschiebequote nicht höher wird … * Freizeitmaßnahmen Um eine soziale Integration junger Flüchtlinge zu unterstützen, bedarf es einer großzügigen Handhabung der Residenzpflicht … Ein Problem stellen auch die dazu nötigen Fahrkarten dar. Hierfür sollten Mittel im Rahmen der Sozialhilfe bereitgestellt werden. * Gesetzliche Vertretung Mindeststandards zur Altersfestlegung in Zweifelsfällen Alle unbegleiteten Minderjährigen unter 18 Jahren müssen Zugang zu einem qualifizierten Clearingverfahren erhalten. Sollten … Zweifel an den Altersangaben eines Jugendlichen auftreten … darf das Alter nicht durch Inaugenscheinnahme im Schnellverfahren verändert werden. Stattdessen muss das Jugendamt … ein Altersfestsetzungsverfahren beim zuständigen Vormundschafts- bzw. Familiengericht einleiten. … Dies bedeutet, dass Minderjährigen in Zweifelsfällen der größtmögliche Schutz gewährt werden muss. … die Jugendlichen … selbst müssen mit Hilfe einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers am Verfahren beteiligt werden. … “

Quelle: LAG Katholische Jugendsozialarbeit Bayern

Dokumente: Forderungen_BjR_und_LAG_jSA_zur_Verbesserung_der_Situation_von_minderjaehrigen_Fluechtlingen_in_Bayern.pdf

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