Stellungnahme zum 12. Kinder- und Jugendbericht des BDKJ Bundesvorstandes

STELLUNGNAHME ZUM 12. KINDER- UND JUGENDBERICHT DER BDKJ BUNDESVORSTANDES Auszüge aus der Stellungnahme: “ 0. Grundeinschätzung Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) begrüßt den 12. Kinder- und Jugendbericht zu dem Thema „Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule“ ausdrücklich. Der 12. Kinder- und Jugendbericht entwickelt eine institutionsübergreifene Perspektive, indem er die Bildungsprozesse bzw. die Bildungsbiographie der jungen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Er entfaltet dies auf der Grundlage vorhandener Fachdiskurse, verfügbarer Daten und der aktuellen Kenntnisse der kindlichen Entwicklungspsychologie. Die besondere Leistung des Berichtes liegt vor allem in der Herleitung der Forderungen aus den Beschreibungen der Bildungsorte und Lebenswelten aus der Sicht der Kinder- und Jugendlichen und der Bildungsprozesse, die sich am Lebenslauf orientieren. Einige Details schätzt der BDKJ zwar unterschiedlich ein (s. einzelne Kapitel), beurteilt den Bericht jedoch als sehr hilfreich, die gesellschaftlich und politisch notwendige umfassende Bildungsdiskussion anzuregen. 1. Bildungsbegriff Der BDKJ unterstützt im 12. Kinder- und Jugendbericht ausdrücklich, dass ein erweiterter Bildungsbegriff – der die Persönlichkeitsbildung einschließt – und damit der Lebenslauf und die Bildungsbiographie der Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt gestellt wird. Somit kann die bildungspolitische Debatte weg von einer Konzentration auf das Bildungssystem und hin zu einer Betrachtung der Bildungsprozesse im Lebenslauf und der Bildungsorte und Lebenswelten aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen gewendet werden. … Bildung, als ein offener und unabschließbarer Prozess, der nicht nur im Horizont von bildungsrelevanten Institutionen, sondern auch im Horizont der alltäglichen Lebensführung zu sehen ist, führt logischerweise in die Darstellung der Bedeutsamkeit vielfältiger Bildungsorte und Lernwelten. Die durch den Bericht ausführlich hervorgehobenen verschiedenen formalen und non-formalen Bildungsorte und Lernwelten, an denen formelle und informelle Bildungsprozesse stattfinden, werden in ihrer Signifikanz für die Bildung von Kindern und Jugendlichen verdeutlicht. Der Bericht verweist ausdrücklich auf die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Der BDKJ plädiert schon lange für eine gesellschaftliche Diskussion und politisches Handeln auf der Grundlage des von der Berichtskommission entfalteten Bildungsbegriffs. … 2. Forschung Das Fehlen von Datenmaterial wird vom 12. Kinder- und Jugendbericht immer wieder aufgeführt, da die Datenlage über die Kinder- und Jugendarbeit, aber auch über die Bildung in Deutschland, katastrophal ist. Ohne eine schnellstmögliche Schließung dieser Lücken erscheint eine Diskussion über die Neuorientierung des Bildungssystems sehr zweifelhaft. Der BDKJ fordert eine verlässliche Datenlage über die Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit. Eine zukunftsfähige Bildungspolitik muss die Bildungsleistungen der Kinder- und Jugendarbeit zur Kenntnis nehmen und diese in ihrer grundlegenden Verfasstheit berücksichtigen. 3. Rahmenbedingungen des Aufwachsens In ihrem Bericht beschreibt die Berichtskommission zutreffend die Situation und Veränderungen familiärer Lebenswelten. Neben der zentralen Bedeutung der Familie als primäre Lebenswelt von Kindern ist der Wandel der Familienstrukturen – als Folge eines veränderten gesellschaftlichen Umfelds – bedeutsam für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Bildet zwar die klassische „Zwei-Eltern-Familie“ nach wie vor eindeutig die Mehrheit der Familientypen, so steigen jedoch parallel der Zunahme alternativer Familientypen auch die hieraus resultierenden Besonderheiten. … Der Auffassung der Berichtskommission, dass die derzeitigen finanziellen Leistungen der Gesellschaft für die Familien nicht dazu führen, dass Eltern ihre wichtige Funktion für das Kind in zufrieden stellendem Maße wahrnehmen können, stimmt der BDKJ zu. Allerdings greifen die Lösungen des Elterngeldes und der Betreuungsangebote zu kurz, denn sie spiegeln lediglich den derzeitigen aktuell politischen Diskussionsstand wieder, berücksichtigen aber keine komplexe Ursachenforschung. Der BDKJ bedauert in diesem Zusammenhang, dass die Kommission der Frage nach möglichen grundsätzlichen Veränderungen, wie z.B. durch die Einführung eines garantierten, soziokulturellen Grundeinkommens, wie es der BDKJ in seinem Beschluss „Solidarität-Chance für die Zukunft“ fordert, nicht nachgegangen ist. Die letzte PISA-Studie beschreibt deutlich, dass Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien die großen Verlierer des deutschen Bildungssystems sind. In keinem anderen, an der Studie teilnehmenden Land, sind die Nachteile für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund so groß wie in Deutschland. Die Berichtskommission zeigt zu Recht die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien auf und weist zugleich auf den erhöhten Förderungsbedarf von bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen aus diesen Familien hin. … Der 12. Kinder- und Jugendbericht weist zutreffend darauf hin, dass die Möglichkeiten zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe sowie für Aneignungs- und Lernprozesse nach sozialer und ethnischer Herkunft sowie nach Geschlecht und Religion differieren und tragfähige Lösungen einer differenzierten Betrachtung bedürfen. … 5. Bildungsprozesse im Schulalter … Der BDKJ teilt die Einschätzung, dass neben der schulischen Bildung auch den Orten der außerschulischen Bildung und anderen Lernwelten, ein viel größerer Stellenwert in der bildungspolitischen Diskussion eingeräumt werden muss. … 6. Projekt Ganztagsschule Der 12. Kinder- und Jugendbericht beschreibt in diesem Kapitel ausdrücklich die Reformnotwendigkeiten des deutschen Schulsystems, allerdings nur unter der Perspektive des Ausbaus von Ganztagsschulen. Das bedauert der BDKJ, da die Defizite des deutschen Schulsystems, wie z. B. die Selektion der Schüler/innen nach sozialer Schicht, auf komplexe Ursachen zurückzuführen sind. Eine zeitliche Ausweitung der Schule alleine kann das nicht lösen, sondern nur qualitative Veränderungen. Bei der Darstellung des bisherigen Verlaufes des „Projektes Ganztagsschule“ wird im Bericht deutlich, dass die hohen bildungspolitischen Ziele und Erwartungen, die mit dem Ausbau verbunden sind, im Programm des Bundes letztendlich unbestimmt bleiben. Ebenso zeigt die Tatsache, dass besonders die Gymnasien stärker als andere Schulformen auf Ganztagsschulbetrieb umstellen, in Anbetracht des Chancengleichheitsanspruchs, Fehler in der Umsetzung. Darüber hinaus ist eine fachliche Diskussion, von der realistischen Annahme ausgehend, dass es weiterhin Halbtagsschulen geben wird, dringend geboten, wie diese im bestehenden Rahmen besser Bildungsprozesse fördern können. Der Bericht skizziert bestimmte Stellschrauben für eine Reform: Da Schule es nur bedingt schafft, auf gesellschaftliche Teilhabefähigkeit sowie auf selbstständige und selbstreflexive Lebensführung vorzubereiten ist sie auf die Kooperation mit anderen Bildungsträgern angewiesen. – Dankenswerter Weise stellt der Bericht schon bestehende Vernetzungen dar, die aber noch ausgebaut, qualifiziert und in verbindliche Formen gebracht werden müssen. – Zum Abbau der hohen sozialen Selektivität, zu der Schule beiträgt, werden längere gemeinsame Schulbesuche in integrierten Bildungsgängen, anstatt Abschiebung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Sonderschulformen, Integration und individuelle Förderung statt Klassenwiederholungen aufgeführt. Ebenso wird eine notwendige Reform der Lehrer/innenaus- und -fortbildung (sozialpädagogische Aufgaben und Zusammenarbeit mit Jugendhilfe) und eine Verlängerung der Anwesenheitszeiten der Lehrer/innen in der Schule benannt. … Partizipation eröffnet Erfahrungsräume, die positive Beziehungen zu demokratischen Formen der Interessenvertretung und Konfliktlösung ermöglichen. Die Beteiligungsmöglichkeiten und Mitbestimmungsrechte der Kinder und Jugendlichen in der Schule, entsprechen jedoch längst nicht ihrem Potenzial. Vor diesem Hintergrund begrüßt der BDKJ, dass der Bericht Ganztagsschule als einen Ort beschreibt, der die Handlungsspielräume für die Erweiterung politischen und sozialen Lernens und der Förderung von Partizipationskompetenzen durch mehr Partizipation in Schule bieten könnte. … 7. Verhältnis Jugendhilfe und Schule Der BDKJ stimmt mit der Feststellung überein, dass das bundesdeutsche Schulsystem in seiner gegenwärtigen Verfasstheit nicht allein in der Lage ist, den veränderten gesellschafts- und bildungspolitischen Verhältnissen und den sich daraus ergebenden Herausforderungen gerecht zu werden. Es besteht die Notwendigkeit einer Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Für eine Kooperation zwischen beiden Systemen ist es wichtig, die ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Handlungs- und Entscheidungsebenen von Jugendhilfe und Schule zu betrachten. Die Handlungs- und Entscheidungsebenen müssen angeglichen werden, um die berechtigte Forderung einer systembezogenen Kooperation auf gleicher Augenhöhe umzusetzen. Eine politische Perspektive, in welcher Form dies umgesetzt werden müsste, bleibt die Berichtskommission bedauerlicherweise schuldig. Die erfolgreiche Bundeszuständigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe darf nach Ansicht des BDKJ auf keinen Fall aufgelöst werden. … Der BDKJ fühlt sich durch den Hinwies der Kommission, dass derzeit im Nachmittagsbereich häufig nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt wird, in seiner Forderung bestätigt, dass Qualitätsstandards für die Kooperation von Jugendhilfe und Schule entwickelt werden müssen. … 8. Empfehlungen … Vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen sind sie an einigen Stellen leider nicht konsequent und differenziert genug ausgeführt, sondern spiegeln die Gleichzeitigkeit der gesellschaftlichen Diskurse und politischen Veränderungen im Bereich Bildung, Betreuung und Erziehung wieder. … Das Handeln der Politik und aller Träger von Bildungsleistungen wird sich zukünftig anhand der Umsetzung der Empfehlungen und Leitlinien des 12. Kinder- und Jugendberichtes messen lassen müssen. Darüber hinaus muss der 12. Kinder- und Jugendbericht über die sozialpädagogische Fachwelt der Jugendhilfe hinaus im Feld Schule diskutiert werden. “

http://www.bdkj.de
http://www.bagjaw.de/positionen_single.php?id=211
http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=238

Quelle: http://www.bdkj.de/schwarz/prarchiv_2006.html

Dokumente: Stellungnahme_12__Kinder_und_Jugendbericht_BDKJ.pdf

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