ÜBERSICHT ZUR AKTUELLEN KOMBILOHNDEBATTE Die Diskussion um die Kombilohndebatte verschärft sich zunehmend. Arbeitgeberverbände wollen Alg II-Empfänger stärker unter Druck setzen. Einige Bundesländer planen eigene Kombilohn-Modelle, die schon Mitte des Jahres umgesetzt werden sollen. Der Paritätische bietet eine Übersicht über die aktuelle Diskussion. Auszüge aus der Übersicht: “ Übersicht Kombilöhne Definition und Zielsetzungen Der Kombilohn ist ein Arbeitsmarktinstrument bzw. ein beschäftigungspolitisches Instrument, bei dem (niedrige) Arbeitslöhne durch staatliche Transfers aufgestockt werden. Wichtigstes Ziel bei der Einführung von Kombilöhnen ist es, die Arbeitslosigkeit zu verringern, indem zusätzliche Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich geschaffen werden. Für diese Tätigkeiten sollen insb. Ungelernte angesprochen werden, die einen hohen Anteil an den Arbeitslosen bilden (der Anteil der Ungelernten an den Arbeitslosen liegt bei 38,1%, in Westdeutschland sogar bei 45,5% / Monatsbericht der BA für Dezember und das Jahr 2005). Dahinter steckt auch die Annahme, dass Niedriglohnjobs latent vorhanden, aber von Arbeitgebern nicht oder nicht ausreichend angeboten werden, weil das übliche Lohnniveau für diese Tätigkeiten über der Produktivität liegt. Gleichzeitig sollen die Arbeitsanreize für Arbeitslose, die auf dem regulären Arbeitsmarkt aufgrund einer eingeschränkten zeitlichen Verfügbarkeit (z.B. Alleinerziehende) oder aufgrund geringer Qualifikationen nur einen niedrigen Lohn zu erwarten haben, gestärkt werden. Als Erklärungsansatz wird in der Debatte die als zu groß angesehene Differenz zwischen Arbeitslöhnen und staatlichen Transfers angesehen. … Vorhaben der Bundesregierung nach Kabinettsklausur und Aussagen in der Koalitionsvereinbarung Bundesarbeitsminister Franz Müntefering ist nach der Kabinettklausur der Bundesregierung mit der federführenden Ausarbeitung eines Modells zum Kombilohn beauftragt worden. Es sollen gleichzeitig Regelungen für Mindestlöhne geprüft werden. Eine Umsetzung des Modells wird in der Praxis ab 1.1.2007 angestrebt. Die Vereinbarung entspricht im Grundsatz vorhergehenden Aussagen aus der Koalitionsvereinbarung: Für die Prüfung eines Kombilohns wurde dort festgelegt, dass kein zusätzliches Arbeitmarktinstrument eingeführt und keine dauerhafte Subvention von Unternehmen erfolgen soll. Ziel sei es, bestehende Programme und Maßnahmen wie den Kinderzuschlag oder das Einstiegsgeld in der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu einem Förderansatz zusammenzufassen. … Relevante Kombilohnmodelle und Erfahrungen in Deutschland In Konzept und Praxis existieren sehr viele unterschiedliche Kombilohnmodelle. Sie können unterschieden werden nach den Zielgruppen (z.B. alle Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen, nur Langzeitarbeitslose) und der Dauer der Gewährung staatlicher Zuschüsse (befristet, unbefristet). Nach Dr. Claudia Weinkopf, Institut Arbeit und Technik, ist auch die Art des staatlichen Zuschusses wesentlich: So kann man unterscheiden: – Einkommensbeihilfen an Beschäftigte (Bsp. Mainzer Modell) – Eine Förderung der Arbeitgeber (Bsp. SGI-Modell) – Eine Kombinierte Förderung auf beiden Seiten (Bsp. Konzept der Friedrich-Ebert-Stiftung) In den letzten Jahren wurden bereits verstärkt Kombilohnmodelle in der Praxis erprobt. – Seit 1996 wurden Arbeitnehmerschüsse bereits in der Sozialhilfe möglich und von Kommunen umgesetzt – Mittels der sog. ‚Freien Förderung‘ wurden Kombilohnmodelle seit 1998 auch durch die Arbeitsämter durchführbar – Mit Sonderprogrammen sind die Bundesländer und der Bund in die Erprobung eingestiegen (Bsp. Hessischer Kombilohn). Unter letztgenannten Programmen hat v.a. das sog. ‚Mainzer Modell‘ Bekanntheit erlangt. Gemeinsam mit dem Mainzer Modell wurde auch das sog. SGI-Modell modellhaft erprobt. … Claudia Weinkopf vom Institut für Arbeit und Technik, die auch an der Evaluierung des Cast-Programms beteiligt war, zieht nach einigen Jahren Erfahrung mit der Umsetzung des Kombilohns durch den Bund, die Länder und Kommunen eine nüchterne Bilanz … Mit Ausnahme von einzelnen Modellprojekten in Nordrhein-Westfalen ist es nur unzureichend gelungen, gering Qualifizierte und Langzeitarbeitlose in die Förderung einzubeziehen insb. Menschen mit langer Arbeitslosigkeit, gesundheitlichen Einschränkungen, Sucht- oder Persönlichkeitsproblemen sowie Ältere mit mehreren Vermittlungshemmnissen könnten über Kombilöhne nicht optimal in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Beim Einstiegsgeld in Baden-Württemberg und beim Mainzer Modell verfügte die Hälfte der Geförderten über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei Förderkonzepten, die sich nicht auf bestimmte Zielgruppen beschränken, sondern die Förderung nach Einkommensgrenzen vornehmen, sinkt der Anteil Niedrigqualifizierter überproportional im Vergleich zu anderen Konzepten. In den Modellversuchen konnte nicht ausgeschlossen werden, dass Mitnahmeeffekte eintreten. Die Beschäftigungseffekte waren jeweils gering. In keinem der Modellprojekte sind von der Wirtschaft in großem Umfang offene Stellen gemeldet worden. … Weinkopf plädiert vor diesem Hintergrund dafür, Alternativen zum Kombilohn umzusetzen, v.a. die Qualifizierung von Ungelernten zu verbessern, eine bessere Kinderbetreuung zu schaffen und Wirtschaftsförderung in spezifischen Bereichen, wie u.a. bei den haushaltsbezogenen Dienstleistungen, zu betreiben. … Fest steht offensichtlich auch, dass die derzeitigen, vielfältigen Regelungen in Anlehnung an Kombilohnmodelle, die im Zuge der Hartz-Gesetze geschaffen wurden, dringend optimierungsbedürftig sind. Kaltenborn … Kombilohn in anderen Ländern In den englischsprachigen Staaten USA …, Groß-Britannien … und Irland … gibt es seit mehreren Jahren landesweite, unbefristete Kombilöhne für Geringverdiener. … Diese Kombilöhne zielen u.a. auf die Armutsvermeidung bzw. Einkommensverbesserung von Niedrigverdienern angesichts von im Gegensatz zum deutschen Sozialstaat sehr niedrigen Sozialhilfeniveaus und eines stärker deregulierten Arbeitsmarktes. … In vielen kontinentaleuropäischen Ländern wie Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg gibt es ebenfalls Kombilohn-Modelle, die jedoch befristet sind und sich stärker an bestimmte Zielgruppen richten. Argumente und Positionen in der aktuellen Debatte Um nennenswerte Beschäftigungseffekte im Niedriglohnsektor zu erzielen, müsste der bestehende Niedriglohnsektor in erheblichem Maße ausgeweitet werden. Das Institut für Arbeit und Technik (IAT) hält dem entgegen, dass es in Deutschland bereits einen starken Niedriglohnsektor gibt. 22,1% der Beschäftigten sind dort tätig (Westdeutschland 21,9 % und Ostdeutschland 23 %). Bei einer Gesamtzahl von rund 31 Millionen abhängig Beschäftigten beziehen demnach knapp 6,9 Millionen Beschäftigte in Deutschland Niedriglöhne. … Von Gewerkschaftsseite wird eine Ausweitung des Niedriglohnbereichs durch Kombilöhne sehr kritisch bewertet. Die Gewerkschaften befürchten eine weitere Abwärtsspirale bei den Löhnen. Um dies zu verhindern, verlangen sie die Einführung eines Mindestlohns. Die Bundesregierung hat im Februar 2006 unterdessen angekündigt, bis Herbst ein Konzept vorzulegen, das sich mit dem Thema existenzsichernde Löhne befassen soll. Dabei sollen die Themen Mindestlohn und Kombilohn gemeinsam behandelt werden. Wir erwarten, dass es eine Regelung zum Mindestlohn geben wird, um die deutliche Zunahme der Niedriglohnbeschäftigung einzudämmen. Die aktuellen Überlegungen bewegen sich zwischen 6 € und 7,50 € bis 9 € je Stunde. Mindestlöhne sind in der Mehrheit der EU-Staaten als Mittel zur Regulierung des Arbeitsmarktes anerkannt. Negative Beschäftigungseffekte treten in der Regel nicht auf, es sei denn der Mindestlohn wird zu hoch angesetzt. Unterdessen bewerten einige wissenschaftlich tätige Experten die Einführung eines Mindestlohns auch als wesentliche Voraussetzung für die Ausweitung von Kombilohnmodellen (so u.a. Weinkopf): Da der Staat nicht in der Lage sei, jeden beliebigen Niedriglohn auf ein existenzsicherndes Niveau aufzustocken und breit angelegte Kombilöhne vermutlich zu sinkenden Löhnen führen werden, muss der Staat zunächst für ein ‚fair play‘ bei den Löhnen sorgen. Von Arbeitgeberseite wird anstelle eines flächendeckenden Kombilohns häufig gefordert, den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen, damit diese gering entlohnte Tätigkeiten aufnehmen. In diesen Tagen wird z.B. von Arbeitgebervertretern über die Presse erneut gefordert, dass bei der Umsetzung des SGB II das Prinzip des Forderns stärker umgesetzt werden sollte. Eine gewisse ‚Härte gegenüber denjenigen die keine Arbeit aufnehmen, obwohl ihnen Arbeit zugemutet werden kann‘ fordert auch das IFO-Institut. … Die Überlegungen zu Workfare sind seither immer wieder auf positive Resonanz bei den Arbeitgeberverbänden gestoßen. Die Grundsicherung würden nach dem Konzept des IFO-Instituts in der jetzigen Höhe nur noch diejenigen erhalten, die auf dem regulären Arbeitsmarkt oder in einer kommunal geförderten Beschäftigung tätig werden. Im Fall der Nichtarbeit würde die Grundsicherung um 30% abgesenkt. Die Hinzuverdienstregelungen sollten vergleichsweise großzügig ausfallen, so auch weitergehender sein als die im Sommer 2005 neu eingeführten Freibetragsregelungen im SGB II. … Aktuelle Entwicklungen in der Praxis In einzelnen Bundesländern wird offenbar bereits überlegt, die Prüfung der Bundesregierung nicht abzuwarten, sondern Länderprogramme zur Umsetzung aufzulegen. Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen vom 9.1.06 will das Land Niedersachsen einen Kombilohn per Landesgesetz schon zum 1.7.06 einführen Arbeitgeber sollen für die befristete Einstellung eines Langzeitarbeitslosen eine monatliche Förderung von 400 Euro, die Arbeitnehmer monatlich 200 Euro erhalten. Wird der ehem. Langzeitarbeitslose über die Probezeit hinaus beschäftigt, wird der Arbeitgeberzuschuss für vier Monate weitergezahlt. In Hamburg sollen mit einem neuen Kombilohn-Modell ab April vor allem Arbeitssuchende, die einen Zusatzjob hinter sich gebracht haben, gefördert werden, um in den ersten Arbeitsmarkt eingeliedert zu werden. Jeder Betrieb, der einen Langzeitarbeitslosen einstellt, soll einen Lohnzuschuss von 3 € pro Stunde für einen Zeitraum von drei Monaten bis zwei Jahren erhalten. Ein Vorläuferprogramm, das sog. Hamburger Kombilohnmodell, gewährte für einen Zeitraum von zehn Monaten Zuschüsse an Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die erzielten Verbleibs- und Integrationsquoten sind recht gut gering qualifizierte Arbeitslose konnten mit der Förderung überdurschnittlich gut erreicht werden. Auch das Land Nordrhein-Westfalen hat angekündigt, ein eigenes Konzept für Kombilöhne zu entwickeln. Das geplante Kombilohnmodell, das mit den Vorschlägen des Bundes vereinbar sein soll, soll sich ausschließlich an Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II richten. Als Anforderung an ein tragfähiges Modell nannte Minister Laumann, das verhindert werden müsse, dass mit den Kombilöhnen bereits bestehende Arbeitsplätze fördere. In Betracht kämen daher die Bereiche landwirtschaftliche Saisonarbeit, haushaltsnahe Dienstleistungen oder auch bei einfachen Tätigkeiten in der Produktion. Darüber hinaus müsse sichergestellt sein, dass das bestehende Lohngefüge nicht durch Kombilöhne gefährdet werde. Außerdem müsste die Förderung der Kombilöhne finanzierbar bleiben. Möglich ist dies, wenn die staatlichen Lohnkostenzuschüsse auf die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen begrenzt werden, die ohne ein solches Modell keine Chance auf dem regulären Arbeitsplatz haben. Ein großer Teil der Ansprüche auf Arbeitslosengeld II könnte dann für die Finanzierung von Kombilöhnen verwendet werden. Aus Mitteln des ESF finanziert das Land Baden-Württemberg ab 1.7.06 regionale Komiblohn-Modelle, von denen ALG II-Bezieher und ältere Arbeitnehmer, die die Fördervoraussetzungen, der Entgeltsicherung gem. § 421j SGB III erfüllen, profitieren sollen… Vom Bundeskoordinator Hartmut Kleinikel haben wir aus Baden-Württemberg auch gehört, dass die ARGE bereits bei den Trägern anfragen, Kombilohnmodelle zu entwickeln. … Expertise des Paritätischen Dr. Rudolf Martens hat für den Paritätischen in 2002 eine ‚Expertise zur Frage des Zusammenwirkens von Niedrigeinkommen, Sozialhife und Mainzer Modell im Verhältnis zum Paritätischen Grundsicherungsvorschlag‘ erstellt. Die Expertise kommt zu folgendem Schluß: Die Anrechnungsregeln von Erwerbseinkommen führen bei der Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) und im Falle des Mainzer Modells in Kombination mit Sozialhilfe zu schwerwiegenden Fehlanreizen: Bei der Sozialhilfe lohnen sich nur geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, beim Mainzer Modell nur versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in der Nähe der Geringfügigkeitsgrenze, was faktisch auf eine Förderung von Teilzeitarbeit hinausläuft. Das Paritätische Grundsicherungsmodell ist frei von solchen Fehlanreizen insgesamt ist die Freibetragslösung zusammen mit den familienpolitischen Komponenten eine denkbar schlanke Form eines Kombilohnmodells, das ohne weiteren Verwaltungsaufwand auskommt. “ Das Dokument finden Sie im Pritätischen Informationsdienst unter Fachinfos/Volltextsuche/Kombilohn.
Quelle: www.praitaet.org/gv/infothek/pid/