‚PRO INTEGRATION‘ FORDERT VERBESSERUNGEN BEI INTEGRATIONSKURSEN ‚Pro Integration‘ ist eine Initiative von mehr als 800 Verbänden, Organisationen, Institutionen, Körperschaften, Schulen unterschiedlicher Größe mit langjährigen Erfahrungen, die sich das gemeinsame Ziel gesetzt haben, den Integrationsprozess der Zuwanderer aktiv zu begleiten. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Einrichtungen, in welchen mehrere tausend Integrationsfachleute haupt-, neben- und ehrenamtlich aktiv sind. Die bundesweit tätige Initiative will die das Verständnis zwischen Zugewanderten und der einheimischen Bevölkerung fördern. Zur kürzlich durchgeführten Evaluation der Integrationskurse hat ‚Pro Integraion‘ Stellung genommen. Auszüge aus der Stellungnahme: “ Die Initiative „Pro Integration“ begrüßt die lang erwartete Evaluation der Integrationskurse durch Rambøll Management vom Dezember 2006. Die vorgelegte Evaluation liefert wichtige Ergebnisse und bestätigt zahlreiche Vorstellungen von „Pro Integration“. Die Studie gibt zahlreiche Anregungen für das gemeinsame Ziel von Auftraggeber und Träger der Kurse: kontinuierlich den Erfolg der Kurse zu optimieren. Rambøll weist die Einrichtung des Bundesprogramms als großen Erfolg des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aus. Zum ersten Mal werden für alle Zuwanderer Integrationskurse angeboten. Während früher (bessere) Angebote nur weitgehend von Spätaussiedlern und Kontingentflüchtlingen wahrgenommen werden konnten, können jetzt alles Zuwanderergruppen gefördert werden. Wenn die Studie von Qualitätsverbesserungen spricht, muss allerdings erst einmal grundlegend geklärt werden: a) Was macht Qualität im Rahmen von Integrationsarbeit aus? b) Welche Voraussetzungen sind notwendig, um die jeweilige Verbesserung zu erreichen? c) Welche Verbesserungsaktivitäten führen in anderen Bereichen zu negativen Entwicklungen? Ziel soll und muss die berufliche und gesellschaftliche Integration der Zugewanderten sein. Diese ist aber nur zu erreichen, wenn die Zugewanderten nicht misstrauisch beäugtes Objekt der Bemühungen sind, sondern als Subjekt der Integration selbstbestimmend in den Prozess ihrer Eingliederung eingebunden sind. Kontrollen sind notwendig, müssen aber auf das Notwendige beschränkt bleiben. Sie dürfen nicht den Blick dafür verstellen, dass jeder Zugewanderte ein Zugewinn für unser Land ist, wenn es gelingt, in ihm das Bedürfnis zu erwecken, Teil unserer demokratischen Gesellschaft zu werden. Das heißt aber auch, dass die zugewanderten Frauen und Männer die Möglichkeit erhalten, sich persönlich und beruflich in unserer Gesellschaft zu verwirklichen. Wenn man nun nach Messinstrumenten für Integrationserfolge sucht, so kann sicherlich nicht allein der Erfolg bei der abschließenden B1-Prüfungmaßgeblich sein. Es ist fraglich, ob die derzeitige Prüfung den Integrationserfolg abbildet, nicht zuletzt, weil die Lebens- und Sprachwirklichkeit der Kursteilnehmer in den bisherigen Inhalten der Prüfung nach wie vor nur unzureichend abgebildet sind. Bei den Überlegungen zu einem Gutscheinsystem bzw. zur Ausschreibung sollten die allgemeinen Kursziele nicht aus den Augen geraten: Teilnehmer und Teilnehmerinnen sollen möglichst zeitnah und nachhaltig geschult werden. Aus diesem Grund sind u. a. für spezielle Zielgruppen und in gering bevölkerten Gebieten Kurssysteme notwendig. Ein reines Gutscheinsystem widerspricht den Forderungen von Rambøll (z. B. Steuerung / Vernetzung / Nachhaltigkeit / Verbundprojekte) Bislang gilt für die Aufteilung der Module innerhalb eines Kurses ein Umfang von 100 Stunden. Bei Vollzeitkursen entspricht dies in etwa einem Monat. Dies zieht einen umfassenden Verwaltungsaufwand nach sich und fördert zwischenzeitliche Austritte aus dem Integrationskurs. Es wäre zu überlegen, ob nicht z. B 300-Stunden-Module sinnvoll wären. Dadurch würde der Verwaltungsaufwand deutlich reduziert werden. Um die Ergebnisse auch angemessen auszuwerten, brauchen die Träger Zugriff auf die Datenbasis der gesamten Evaluation. Für die Träger sind nicht alle Zahlen, Daten und damit die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nachvollziehbar, manche widersprechen den Erfahrungen und Erkenntnissen in der Praxis. Die Initiative „Pro Integration“ befürwortet den Qualitätswettbewerb. Wie aber ist ein Wettbewerb im Rahmen dieses Programmes möglich? Ein Wettbewerb erfordert gleiche Rahmenbedingungen, diese liegen aber nicht vor. Die Möglichkeiten vor Ort sind mit den gewünschten Differenzierungen abzugleichen, es muss im Einzelnen deutlich gemacht werden, was realistisch möglich und erreichbar ist. Handlungsfeld 1: Erfolgskontrolle und Steuerung der Integrationskurse Die Initiative „Pro Integration“ begrüßt verpflichtende Abschlusstests. Die Kursteilnehmer müssen am Ende mehr als ihre Teilnahmebescheinigung in den Händen haben. Da aber immer nur ein Teil, wie groß er auch bei einer Steuerung der Stundenzahl sein mag, das Kursziel erreichen wird, ist der geplante skalierte Test notwendige Voraussetzung eines verpflichtenden Abschlusstests. Nach den Informationen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wird der Test erst 2009 vorliegen, im Jahre 2008 ist erst eine Testphase vorgesehen. Daher kann die Einführung eines verpflichtenden Abschlusstests vorher nicht umgesetzt werden. Im Augenblick gibt es eine zu geringe Beteiligungsquote, die vor allem auf die (für die B1-Prüfung) nicht ausreichenden Sprachkenntnisse zurückzuführen ist. Es sollte zumindest vorübergehend die Möglichkeit eingeräumt werden, die Prüfung auf den Niveau A2 abzulegen, wenn eine erfolgreiche Teilnahme an der Prüfung auf der Stufe B1 nicht gewährleistet werden konnte. Die Einführung externer Prüfer mag auf den ersten Blick eine größere Objektivität versprechen. Wir halten jedoch ein Vorgehen für falsch, das von negativen Einzelfällen ausgeht und ein bürokratisches Kontrollwesen schafft. Möglichen Missbrauch kann man am besten verfolgen, indem auf konkrete Einzelfälle unmittelbar reagiert wird (bis hin zur Entziehung der Lizenz für einen Träger, der sich nicht an die verbindlichen Vorgaben hält). Die Vorgaben von telc bieten ausreichende Sanktionsmöglichkeiten. Die Initiative „Pro Integration“ begrüßt Vor-Ort-Kontrollen. Wünschenswert dafür sind allerdings einheitliche und transparente Bewertungskriterien. Nach unseren Erfahrungen erfolgen die bisherigen Vor-Ort-Kontrollen bundesweit nach sehr unterschiedlichen Kriterien, die deutlich personenabhängig sind, so dass eine Vergleichbarkeit der Prüfungsergebnisse in Bezug auf die Kurse und letztendlich auf die Einrichtungen nicht gegeben ist. Handlungsfeld 2: Verbesserung des Kurserfolgs Die Rambøll-Studie belegt die Erkenntnis, dass für die weit überwiegende Mehrheit der Kurs¬teilnehmer ein Erreichen von B1 nach 600 Unterrichtsstunden nicht möglich ist. Mit Blick auf den tatsächlichen Bedarf fordern wir daher als Regelkursdauer 900 Unterrichtsstunden. Mit 900 Stunden kann eine höhere Teilnahmequote an B1-Prüfungen, verbunden mit einer höheren Bestehensquote auf dem Niveau B1 erreicht werden, was ja auch bei einem skalierten Test Ziel des Integrationskurses bleiben wird. Aus pädagogischer Sicht ist es sinnvoll, bereits zu Kursbeginn die individuell notwendige Kursdauer (bis zu 900 Unterrichtsstunden) festzulegen und nicht erst bei der Mehrzahl der Teilnehmer nach Ablauf von 600 Unterrichtsstunden per Test festzustellen, dass die Nicht-Besteher in einer für sie falschen Progression gelernt haben. Nach den Zahlen von Rambøll nehmen zurzeit ca. 40% der Kursteilnehmer an der B1-Prüfung teil, davon bestehen ca. 72%. Darin sind aber in größeren Teilen auch Teilnehmer enthalten, die vor dem Besuch des Integrationskurses andere Kurse besucht haben (z. B. die bisherigen ESF-BA-Kurse). Wenn berechnet wird, wie viel Prozent der Teilnehmer am Integ-rationskurs die B1-Prüfung bestehen, muss zuvor auch das Einstiegsniveau erhoben sein. Bis-her wurde bei der Berechnung der B1-Bestehensquote nach 600 Unterrichtsstunden das tatsächliche Einstiegsniveau nicht berücksichtigt. Dies verfälscht das vorgelegte Ergebnis signifikant. Wenn man – wie es sinnvoll ist – die Unterrichtsdauer auf 900 Stunden erhöht, muss diese zusätzliche Förderung auch für Teilnehmer und Teilnehmerinnen gelten, die schon in der Vergangenheit einen Integrationskurs ohne nachgewiesenen Erfolg besucht haben. Ihnen muss es ermöglicht werden, mit den zusätzlichen 300 Unterrichtstunden das B1-Ziel zu erreichen. Für Teilnehmer mit Alphabetisierungsbedarf fordert die Initiative „Pro Integration“ ein eige-nes Kurssystem, d.h. 300 Unterrichtsstunden Alphabetisierung vorab, dann den 900 Unterrichtsstunden umfassenden Integrationskurs. Eine Auflösung des Alphabetisierungskurs, bzw. eine Aufteilung auf andere Kurse oder eine Aufstockung dieses Kurses mit anderen Teilnehmern nach 300 Stunden erachten wir nicht als sinnvoll. Wir plädieren dafür, dass Teilnehmer an der Alphabetisierungsklasse die gesamten 1200 Unterrichtsstunden im Verband der Alpha-Klasse bleiben. Die Forderung von Rambøll nach einer beschleunigten Nachqualifizierung für Lehrkräfte ist zu begrüßen. Grundsätzlich ist kontinuierliche Qualifizierung und Weiterbildung von Lehrkräften notwendig. Voraussetzungen dafür müssen sein: – die Kapazitäten für die Qualifizierung müssen zum Bedarf passen, – eine Vollfinanzierung der Weiterbildung muss gewährleistet sein. … Handlungsfeld 5: Nachhaltigkeit Die Studie von Rambøll weist auf die Förderung der Nachhaltigkeit hin. Dies ist unserer Meinung nach ein wichtiger Punkt, der bislang zu wenig berücksichtigt wurde. In der Konsequenz ergibt sich daraus die Forderung nach einer Vereinheitlichung der dem Integrationskurs nachfolgenden Angebote. Diese müssen effizient und in Hinblick auf ihre Relevanz für das bundesweite Förderprogramm transparent sein. Nachdrücklich zu unterstützen ist der Vorschlag von Rambøll nach einer stärkeren Verzahnung der Förderstruktur. Es bedarf einer deutlich besseren Vernetzung, die durch geeignete Ansprechpartner gesichert werden muss. Eine Standard-Struktur der Sprachförderung sollte so aussehen: 0. Alphabetisierung (eigenes Kurssystem: 300 + 900) – bei Bedarf 1. Integrationskurs (Basis / Aufbau) + Orientierungskurs – Einstufung nach Vorkenntnissen und Lerntempo 2. Allgemeine Berufssprache (Bund) 3. Sprachliche und berufliche Qualifizierung für den Arbeitsmarkt (nach Fertigkeiten / Fähigkeiten / regionalen Bedarfen) Fachsprachkurse / Praktika / fachliche regionale Bedarfe (Berufsfelder) / konkrete Anpassungsqualifizierungen / Jugendkurse mit anschließender Ausbildung / anschließendem Studium Die ursprünglich im Zuwanderungsgesetz vorgesehene sozialpädagogische Begleitung von Integrationskursteilnehmern als integraler Maßnahmebestandteil wurde bislang leider nicht realisiert. Das Angebot der Jugendmigrationsdienste bzw. der Migrationserstberatung kann den Wegfall dieses integrierten Angebotes nicht kompensieren. Mehr als 4 Stunden wöchentlich für eine Gruppe von 20 Teilnehmern und Teilnehmerinnen ist laut Rahmenkonzept des BMFSFJ nicht möglich. Deshalb verwundert nicht, wenn Rambøll feststellt, dass die Umsetzung der sozialpädagogischen Begleitung durch JMD bzw. MEB noch nicht vollständig und flächendeckend etabliert ist. Die Forderung nach verbesserter Kooperation der Integrationskursträger mit den JMD bzw. MEB und verbesserter Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden muss einhergehen mit dem bedarfsgerechten Ausbau des Angebotes sozialpädagogischer Begleitung. Anzustreben ist – zumindest bei Jugendkursen – das Niveau der ehemaligen Garantiefondskurse mit einer Vollzeitstelle pro 20 Kursteilnehmern/-innen. Die fehlende sozialpädagogische Begleitung zeigt sich in deutlichen Effizienzverlusten bei den Integrationskursen. Begleitung und Orientierung sind ein notwendiger Bestandteil des Integrationsprozesses. Finden sie nicht ausreichend statt, fehlen wichtige Momente der Motivation und der Integrationskurs verläuft in Teilen ziellos. … “ Der Volltext der Stellungnahme ist für Sie im Anhang bereit gestellt.
http://www.prointegration.org
Quelle: Pro Integration