Berücksichtigung von Ausbildungsplatzangebot und Förderung von Gleichstellung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

ANTWORT DER BUNDESREGIERUNG AUF DIE KLEINE ANFRAGE DER FRAKTION BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auszüge aus der Antwort: “ Vorbemerkung der Fragesteller Mit Beschluss vom 11. Juli 2006 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Tariftreueregelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Berliner Vergabegesetz nicht das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Abs. 3 GG berühre und nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Artikel 12 Abs. 1 GG verletze. Ähnlich der Tariftreueregelung des Berliner Vergabegesetzes sehen die Vergabe- bzw. Gleichstellungsvorschriften von Berlin, Brandenburg, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen vor, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen ist, ob ein Unternehmen aktive Gleichstellungspolitik betreibt oder ausbildet. § 97 IV des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sieht vor, dass Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden (Satz 1). Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen jedoch an Auftragnehmer oder Auftragnehmerinnen gestellt werden, allerdings nur, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. Die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge scheint die Berücksichtigung sozialer Aspekte bei der öffentlichen Beschaffung zuzulassen. Artikel 26 der Richtlinie 2004/18/EG, die noch nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt worden ist, lautet: „Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.“ Andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben bereits gesetzlich festgeschrieben, dass soziale Bedingungen für die Ausführung eines öffentlichen Auftrages vorgeschrieben werden können oder sind dabei, das zu regeln. … Demgegenüber hat die Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Berücksichtigung von Ausbildungsplatzangebot und Förderung von Gleichstellung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Bundestagsdrucksache 16/1505) geantwortet (Bundestagsdrucksache 16/1712), dass sie eine Bevorzugung von Unternehmen, die ausbilden oder eine aktive Gleichstellungspolitik betreiben, für nicht vereinbar mit der Richtlinie 2004/18/EG halte. Die Bundesregierung wolle demzufolge nicht im GWB ausdrücklich festschreiben, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen sei, ob ein Unternehmen Auszubildende habe oder nachweislich aktive Gleichstellungspolitik betreibe. Das von der Bundesregierung in der Bundestagsdrucksache 16/1712 wiedergegebene Verständnis der Richtlinie 2004/18/EG entspricht unserer Ansicht nach nicht dem Wortlaut des Artikel 26 dieser Richtlinie. … Zudem fordert die Europäische Union von ihren Mitgliedstaaten nachdrücklich die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen … Die Bundesregierung ist des Weiteren durch das Grundgesetz nach Artikel 3 Abs. 2 dazu verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. 1. Welche Rechtsauffassung vertritt die Bundesregierung zur Auslegung von Artikel 26 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004? a) Ist es aus Sicht der Bundesregierung ein „sozialer Aspekt“, ob ein Unternehmen aktive Gleichstellungspolitik betreibt und entspricht es demzufolge dem EuropäischenRecht, wenn dieser Aspekt als zusätzliche Bedingung für die Ausführung eines öffentlichen Auftrages vorgeschrieben wird, und wie wird das begründet? b) Ist es aus Sicht der Bundesregierung ein „sozialer Aspekt“, ob ein Unternehmen ausbildet und entspricht es demzufolge dem Europäischen Recht, wenn dieser Aspekt als zusätzliche Bedingung für die Ausführung eines öffentlichen Auftrages vorgeschrieben wird, und wie wird das begründet? Antwort: In ihrer Antwort auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Priska Hinz und Fraktion (Bundestagsdrucksache 16/1712) hat die Bundesregierung klar zum Ausdruck gebracht, dass nach Artikel 2 der Richtlinie 2004/18/EG verbindlich vorgegeben ist, dass die öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe ihrer Aufträge alle Unternehmen gleich behandeln und in nicht diskriminierender und transparenter Weise vorgehen müssen. … Nach dem Gemeinschaftsrecht haben die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien allerdings ein Ermessen über Form und Mittel und können eigenverantwortlich über eine geeignete Nutzung entscheiden. Nach Artikel 26 der vorgenannten Richtlinie können öffentliche Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrages vorschreiben, … Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen. Eine Abstimmung, in wieweit auch Artikel 26 Richtlinie 2004/18/EG in nationales Recht übernommen wird, findet derzeit innerhalb der Bundesregierung statt. Ob Gleichstellungspolitik oder die Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben als „sozialer Aspekt“ im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu werten ist, müsste der Gesetzgeber im Einzelfall unter Berücksichtigung des nach EU-Recht Zulässigen entscheiden, wenn er so eine gesetzliche Regelung treffen will. 2. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Beschluss des BVerfG vom 11. Juli 2006 für die Berücksichtigung von aktiver Gleichstellungspolitik und Lehrlingsausbildung bei der öffentlichen Auftragsvergabe? a) Hält die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung, nach der bei der öffentlichen Auftragsvergabe die aktive Gleichstellungspolitik eines Unternehmens berücksichtigt werden muss, für verfassungsgemäß, und wie begründet sie das? b) Hält die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung, nach der bei der öffentlichen Auftragsvergabe berücksichtigt werden muss, ob ein Unternehmen Lehrlinge ausbildet, für verfassungsgemäß, und wie begründet sie das? c) Hält die Bundesregierung die landesgesetzlichen Regelungen in Berlin, Brandenburg, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen, die vorsehen, dass bei der öffentlichen Auftragsvergabe die aktive Gleichstellungspolitik eines Unternehmens berücksichtigt werden muss, für mit den bundesgesetzlichen Vergaberechtsvorschriften, insbesondere dem Gesetz gegenWettbewerbsbeschränkungen, vereinbar, und wie begründet sie das? d) Hält die Bundesregierung die landesgesetzlichen Regelungen in Berlin, die vorsehen, dass bei der öffentlichen Auftragsvergabe berücksichtigt werden muss, ob ein Unternehmen Lehrlinge ausbildet, für mit den bundesgesetzlichen Vergaberechtsvorschriften, insbesondere dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, vereinbar, und wie begründet sie das? Antwort: In seinem Beschluss vom 11. Juli 2006 hat das Bundesverfassungsgericht klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Tariftreueregelung, wie sie im Berliner Vergabegesetz festgeschrieben ist, mit dem Grundgesetz und dem übrigen Bundesrecht in Einklang steht. Insoweit wären bundes- oder landesrechtliche Regelungen für die Berücksichtigung einer aktiven Gleichstellungspolitik und Lehrlingsausbildung an den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu messen gleiches gilt für die bereits getroffenen gesetzlichen Regelungen … Maßgeblich ist der jeweilige Wortlaut einer solchen Regelung, gespiegelt an vorgenanntem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes. 3. Welche gesetzgeberischen Handlungsmöglichkeiten für Bund, Länder und Kommunen ergeben sich aus Artikel 26 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 und dem Beschluss des BVerfG vom 11. Juli 2006? a) Würde es aus der Sicht der Bundesregierung sowohl den Vorgaben des Europäischen Rechts als auch den Vorgaben des Grundgesetzes entsprechen, wenn im GWB ausdrücklich festgeschrieben wird, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen ist, ob ein Unternehmen aktive Gleichstellungspolitik betreibt, und wie wird das begründet? b) Würde es aus der Sicht der Bundesregierung sowohl den Vorgaben des Europäischen Rechts als auch dem Grundgesetz entsprechen, wenn im GWB ausdrücklich festgeschriebenwürde, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen ist, ob ein Unternehmen Ausbildungsplätze anbietet, und wie wird das begründet? Antwort: … Eine ausdrückliche Festschreibung einer aktiven Gleichstellungspolitik in den Unternehmen bzw. die Frage, ob ein Unternehmen Ausbildungsplätze anbietet, muss aus Sicht der Bundesregierung nicht ausdrücklich im GWB festgeschrieben sein. Hier reichen entsprechende (spezielle) Bundes- oder Landesgesetze. … “ Den Volltext der Antwort der Bundesregeirung entnehmen Sie in der elektronischen Vorabfassung bitte dem Anahng oder zu einem späteren Zeitpunkt in der lektorierten Druckfassung über angegebenen Link. Die ursprüngliche Kleine Anfrage sowie die Antwort der Regierung können Sie ebenfalls dem Anhang entnehmen.

http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm

Quelle: Pressdienst des Deutschen Bundestages

Dokumente: klAnfrageAuftragsvergabe.pdf

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