Fit für die Wissengesellschaft? Bildung braucht mehr Dialog

SCHULE UND BILDUNG IN DER WISSENGESELLSCHAFT – BILDUNGSSTUDIE DEUTSCHLAND 2007 Eine Studie im Auftrag des Magazins Focus und Microsoft Deutschland zur Qualität der schulischen Ausbildung. Mit der Bildungsstudie Deutschland 2007 wurde eine in dieser Form bislang einzigartig Studie initiiert. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Erwartungen an das Schulsystem von Eltern, Lehrern und Personalverantwortlichen. Befragt wurden Eltern mit Schulkindern (Sekundarstufe) im Alter von 10 – 19 Jahren in allgemeinbildenden Schulen, Lehrer an allgemeinbildenden Schulen (Sekundarstufe) und Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland, die am Entscheidungsprozess in Personal- und Ausbildungsfragen beteiligt sind. Die Untersuchung wurde in der Zeit vom 14.07.2006 – 24.08.2006 durch TNS Infratest MediaResearch durchgeführt. Die Erwartungen an Schule in der Wissensgesellschaft hinsichtlich der Vorbereitung auf Ausbildung und Beruf sind hoch. Die Bildungsstudie 2007 zeigt: Eltern und Personalverantwortliche sind insgesamt nicht zufrieden mit der Vermittlung von Wissen und Kompetenzen durch die Schule. Sie haben außerdem unterschiedliche Vorstellungen, was Schule vermitteln soll – insbesondere im Hinblick auf die weitere Ausbildung. Auch bei den Vorschlägen, wie Schule verbessert werden kann, gibt es große Diskrepanzen. Auszüge aus der Studie: “ VON ANFANG AN FESTGELEGT? Eltern geben Bildung und Werte weiter. Das traditionelle Schulsystem stößt bei den Eltern auf wenig Gegenliebe. Dies ist ein Ergebnis der Bildungsstudie Deutschland 2007. …Je höher der Bildungsstand der Eltern, umso unzufriedener sind diese mit der üblichen Unterteilung in Haupt-, Real-, Gesamtschule und Gymnasium. Und das, obwohl gerade die Mitglieder höherer Bildungsschichten im Wettbewerb um Bildung und Ausbildung gegenüber Hauptschülern in Deutschland die besseren Chancen haben. … * Herkunft bestimmt Zukunft Die Schullaufbahn der Kinder in Deutschland wird insbesondere von einem Umstand geprägt: dem Bildungsstand der Eltern. – Von den Eltern, deren Kinder in Deutschland die Hauptschule besuchen, haben überdurchschnittlich viele selbst einen Hauptschulabschluss. … In Deutschland prägt die Herkunft den Bildungsweg der Schüler wie in kaum einem anderen europäischen Land. Eine stärkere Durchlässigkeit nach oben gehört zu den größten Herausforderungen der modernen, globalen Wissensgesellschaft, in der die Bildung immer stärker über den Erfolg im Wettbewerb entscheidet. * Braucht man Geschichte? Mit einem klaren Ja beantworten 86 Prozent der Eltern mit Hochschulreife diese Frage. Eher nicht, meinen Eltern mit Hauptschulabschluss. Sie setzen eher auf Mathematik und Rechnen. … Noch vor „klassischen“ Schulfächern wie Biologie oder Physik werden Neue Medien von 79 Prozent der Eltern genannt. Hier manifestiert sich die enorm gewachsene Bedeutung moderner Technologien für Bildung und Beruf. Diesem Anspruch wird die Schule nach Meinung der Eltern jedoch nur bedingt gerecht. Zufrieden mit der Vermittlung von Kenntnissen auf dem Gebiet der Neuen Medien sind nur 46 Prozent aller Eltern. In den klassischen Fächern wie Mathematik, Geschichte oder Biologie zeigen sich die Eltern im Verhältnis zur Bedeutung, die diese Fächer in ihren Augen haben, deutlich zufriedener. * Werte fürs Leben Selbstständigkeit, Hilfsbereitschaft, Verlässlichkeit – das sind drei der wichtigsten Eigenschaften, die Eltern ihren Kindern vermitteln wollen. Wenn es um ihre Erziehungsaufgabe geht, gehen die Meinungen über die Wichtigkeit einzelner Kompetenzen je nach Bildungsstand der Eltern auseinander: Eltern mit Hochschulreife sehen z.B. die Vermittlung von Zielstrebigkeit und Geduld stärker als ihre Aufgabe an, während Hauptschuleltern gerade bei diesen beiden Eigenschaften unterdurchschnittliche Ausprägungen zeigen. … Eltern haben klare Vorstellungen von dem, was sie zu leisten haben und was die Aufgabe der Schule ist. An dieser Stelle bleibt jedoch zunächst die Frage, ob die Aufgabenverteilung zwischen Eltern, Lehrern und auch Ausbildern wirklich klar festgelegt ist. Oder gibt es vielleicht sogar Bereiche, für die sich keiner wirklich zuständig fühlt? Einer davon könnte die „Offenheit für andere Kulturen“ sein. Sie hat für die Eltern keinen so hohen Stellenwert und ist auch in der Liste ihrer Aufgaben eher untergeordnet. … Besonders gefördert werden von allen Eltern die sportlichen Aktivitäten ihrer Kinder, gefolgt von Musik und besonderen Begabungen. Das Engagement der Eltern korrelliert ebenfalls weitgehend mit den Schulen, die ihre Kinder besuchen. … NEUE HERAUSFORDERUNG FÜR LEHRER? IN DER SCHULE LERNEN LEHREN. Die Lehrer stehen hierzulande fast immer als Erste in der Kritik, wenn es um die Schwächen der Schüler im internationalen Vergleich geht. Doch wie sieht ihre Situation wirklich aus? Wie beurteilen sie die Rahmenbedingungen für ihren Job? Lehren sie den Spaß am lebenslangen Lernen? * Fachlich gut, pädagogisch ausreichend Die Lehrer in Deutschland fühlen sich insgesamt nur bedingt gut auf ihre Aufgabe vorbereitet. Der fachlichen Lehrerausbildung geben 67 Prozent der befragten Lehrer die Note gut bzw. sehr gut. Doch schon mit der pädagogischen Ausbildung ist nicht einmal die Hälfte der Lehrer zufrieden (47 Prozent). * Fit für den Job? Vor allem Hauptschullehrer (22 Prozent) sehen in der Berufsvorbereitung eine wichtige Aufgabe der Schule. 55 Prozent der Gymnasiallehrer ist die Vermittlung von Allgemeinwissen wichtig. Die im Zusammenhang mit der „Kopftuchdiskussion“ in den Blickpunkt geratene religiöse Erziehung ist immerhin 31 Prozent der Lehrer im Sinne eines christlichen Weltbilds wichtig. Gesamtschullehrer (41 Prozent) bewerten dies deutlich höher als Hauptschullehrer (22 Prozent), für die eine Schule keinerlei religiösen Leitbildern folgen sollte … * Praxisorientierung im Unterricht In vielen Fächern setzen Lehrer je nach Schulform unterschiedliche Schwerpunkte. … Hauptschullehrer bewerten praktische Fächer wie Werken (76 Prozent) stärker. Eine weitere Fremdsprache und Rechtskunde spielen an ihrer Schule keine Rolle. … * Was die Schule lehren muss – Selbstständigkeit, – Ausdrucksfähigkeit, – Teamfähigkeit, – Verantwortungsbewusstsein und – Verlässlichkeit – jeweils 97 Prozent aller Lehrer halten es für wichtig, dass die Schule zur Ausbildung dieser Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen beiträgt. Doch die Zufriedenheit mit den Leistungen ihrer Schule in diesen Bereichen divergiert … Noch höher ist die Diskrepanz zwischen Bedeutung und Zufriedenheit bei Kompetenzen wie Selbstdisziplin, sich selbst fordern oder Alltagsbewältigung. Besonders gut verwirklicht sehen die Lehrer ihre Aufgabe bei der Kompetenzentwicklung in puncto Medien und Computer (63 Prozent). Verbesserungswürdig ist die Vermittlung von Neugier auf Wissen – einer Grundvoraussetzung für lebenslanges Lernen. … REIF FÜR DIE WIRTSCHAFT? PERSONALVERANTWOR TLICHE FORDERN BERUFSVORBEREITUNG. Entscheider mit Personalverantwortung können tagtäglich selbst feststellen, wie gut Deutschlands Schulen auf Ausbildung und Beruf vorbereiten. … * Lehrerausbildung muss besser werden Nach Meinung der Entscheider bereitet die Schule nicht ausreichend auf den Beruf vor. … Nur 12 Prozent der Entscheider sind zufrieden mit der Ausbildungsvorbereitung der Schule. … * Entscheider sind nicht zufrieden Befragt nach grundlegenden Fähigkeiten der Auszubildenden, zeigen sich die Entscheider eher unzufrieden. Nur jeweils 31 Prozent von ihnen halten die Leistung der Azubis in puncto Rechnen und schriftlichem Ausdruck für angemessen. Die höchste Zufriedenheit zeigen gerade mal 47 Prozent Entscheider hinsichtlich Benehmen und Höflichkeit der Auszubildenden. Entscheider, die selbst eine Lehre abgeschlossen haben, sind besonders unzufrieden mit der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit der Azubis. Sie haben es nach eigenen Angaben überdurchschnittlich mit Bewerbern von Hauptschulen zu tun. … * Schule schult nicht gut Ob bei den Schulfächern oder bei grundlegenden Kompetenzen: Die Entscheider bekunden … ihre grundsätzliche Unzufriedenheit mit den Leistungen der Schule hinsichtlich der Kompetenzentwicklung. … Der Schluss aus diesem negativen Urteil ist wiederum die Notwendigkeit des Dialogs zwischen Schule und Wirtschaft. … So sollten z.B. Fähigkeiten wie … die selbstständige Bewältigung des Alltags sowie ein breites Allgemeinwissen bei den Auszubildenden schon zu Beginn ihrer Ausbildung im Betrieb vorhanden sein. … Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Verlässlichkeit sind … Grundkompetenzen, die Ausbildungs- und Berufsfähigkeit sichern. … WER HAT WELCHE AUFGABE? … * Soziale Kompetenzen gefragt In den Augen der Lehrer zählen insbesondere die sozialen Kompetenzen zur Vermittlungsaufgabe der Schule (62 Prozent). Zufrieden mit der Umsetzung sind allerdings nur 10 Prozent von ihnen. Auch für die Personalverantwortlichen haben die sozialen Fähigkeiten den höchsten Stellenwert. Eltern messen neben dem Allgemeinwissen (63 Prozent) den individuellen Kompetenzen (52 Prozent) eine vergleichsweise hohe Bedeutung bei. * Spielräume für Verbesserungen Die Bildungsstudie Deutschland 2007 hat allen Befragten Vorschläge zur Verbesserung der Schule zur Beurteilung vorgelegt. … Ein einheitliches Schulsystem für ganz Deutschland könnte nach Ansicht von 86 Prozent der Eltern und 83 Prozent der Entscheider ebenfalls für eine Verbesserung sorgen. … Eltern (86 Prozent) und Lehrer (89 Prozent) sind sich darin einig, dass die Schülerzahlen pro Klasse reduziert werden sollten. So könnten Lehrer dem einzelnen Schüler besser gerecht werden. Lehrer und Personalverantwortliche stimmen darin überein, dass schwache und begabte Schüler gefördert werden sollten. Lehrer wünschen sich mehr Sozialarbeiter und Coaches für die Betreuung von Problemschülern. Während Eltern und Entscheider die Verantwortung für eine bessere Schule bei den Lehrern sehen, verweisen diese auf die Politik: In der Schulpraxis scheinen die Lehrer hier schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. 94 Prozent würden es begrüßen, wenn die Politik praxisorientiertere Konzepte entwickeln und beschließen würde. “ Den Volltext der Studie erhalten Sie unter aufgeführten Link. Anmerkung der Redaktion: ‚Die Bildungsstudie 2007 offenbart Mängel in der Vorbereitung der SchülerInnen auf einen Einstieg ins Berufs- und Arbeitsleben. Der geforderte Dialog und vor allem die geforderte Verbesserung der Ausbildungs- und Berufsfähigkeit bestätigt meines Erachtens die Relevanz der Jugendsozialarbeit mit ihren Angeboten und fordert heraus, diese bewusst frühzeitig in das System „Schule“ einzubringen. Der Beitrag, den Jugendsozialarbeit im Übergangssystem in Schule- und Arbeitswelt leistet, findet in dieser Studie leider keine ausreichende Beachtung, doch die Problemfelder werden hinreichend thematisiert. Aus meiner Sicht ein Aufruf sich verstärkt um die Kooperation mit Betrieben zu bemühen und die derzeit diskutierten Ansätze zu nutzen und weiter zu entwickeln.‘ Silke Starke-Uekermann

http://www.lwp-online.de/bildungsstudie/download/basisfolder/00bf_basisfolder.pdf#page=1

Quelle: http://bildungsstudie-deutschland.de

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