Bedürftige Azubis gehen leer aus

SOZIALGESETZE HINDERN FLÜCHTLINGSKINDER AN EINER QUALIFIZIERTEN AUSBILDUNG „Deutschland steht in der Kritik von UN- und EU- Vertretern, weil hierzulande Flüchtlingskinder geringere Chancen auf einen Zugang zu Bildung und Ausbildung haben als deutsche Kinder oder Kinder von EU-Ausländern. Ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 6. September bestätigte jetzt erneut eine Praxis, die jungen Ausländern mangels finanzieller Unterstützung die Aufnahme einer beruflichen Schulausbildung nahezu unmöglich macht (Az.: B 14/7b AS 28/06 R). Ein Gesetzentwurf, der die Situation wenigstens teilweise verbessern dürfte, harrt der Verabschiedung im Bundestag. Zuzi G.* aus Sierra Leone wird rund 10.000 Euro Schulden haben, überwiegend beim Job-Center in Berlin Mitte, wenn sie ihre Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin in diesem Dezember abschließt. Sie ist 20 Jahre alt und ist – ganz im Sinne der Politik – um Bildung bemüht, spricht einwandfrei deutsch und hat einen Realschulabschluss. Nach der Teilnahme an einer Berufsvorbereitungsmaßnahme beginnt sie im Dezember 2005 mit Einwilligung ihres zuständigen Job-Centers eine Berufsausbildung. Doch im März 2006 stellt das Job-Center seine Unterhaltszahlungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II) plötzlich ein, weil ihre Berufsausbildung »grundsätzlich« nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BaföG ) förderfähig sei. Die Eltern waren im Bürgerkrieg verschollen Also beantragt Suzi G. Schüler-BaföG, was ihr aber abgelehnt wird. Ihr wird beschieden: Voraussetzung für den Bezug von BaföG wäre gewesen, dass ihre Eltern mindestens drei Jahre lang in Deutschland versicherungspflichtig gearbeitet hätten. Zuzi G. aber war ohne ihre Eltern aus Sierra Leone geflüchtet. Die Eltern der damals 14-Jährigen waren im Bürgerkrieg verschollen. »Hätte die junge Frau ihre Ausbildung abgebrochen und sich arbeitslos gemeldet, hätte sie sofort Grundsicherung nach SGB II, also Arbeitslosengengeld II und sämtliche damit verbundenen Hilfen erhalten«, sagt Flüchtlingsexperte Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat. Für eine qualifizierte Berufsausbildung gab es aber kein Geld. Die junge Frau ging also nach der Schule noch arbeiten und rackerte sich nach Aussage ihrer Berliner Rechtsanwältin, Ulrike Birzer, förmlich ab, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit Birzer stritt sie vor sämtlichen Instanzen der Sozialgerichte als elternloser Flüchtling um Anerkennung als Härtefall, um wenigstens als Darlehen Unterhaltsleistungen zu erhalten. Weder das Berliner Sozialgericht (SG) noch das Landessozialgericht (LSG) Berlin erkannten sie als Härtefall an. Am 6. September folgte im Revisionsverfahren auch der 14. Senat des BSG dieser Sichtweise und bestätigte, vorerst mündlich, die Einschätzung der Vorinstanzen. Das Urteil des BSG habe erneut »einen unhaltbaren Zustand aufgedeckt«, kommentiert Classen die Entscheidung des Gerichts. Inzwischen finde in der Bundesregierung zwar ein Umdenken statt, aber die Gesetzgebung gehe zu langsam und nicht weit genug. Mit dem als Entwurf vorliegenden 22. BaföG-Änderungsgesetz sollen künftig junge Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis leichter an BaföG, bzw. Bundesausbildungsbeihilfen (BAB) kommen können, sagt Classen. Bis zur vermutlich erst 2008 erfolgenden Verabschiedung gebe es aus dem Arbeitsministerium eine Geschäftsanweisung an die Job-Center, dass künftig anspruchsberechtigte Flüchtlinge als Härtefälle anzusehen seien und Unterstützung zum Lebensunterhalt als Darlehen bekommen könnten. … “

Quelle: Epd sozial Nr. 38

Ähnliche Artikel

Skip to content