Neuer Leitfaden des DJI zur Gestaltung eines regionalen Übergangsmanagements veröffentlicht:

FORSCHUNGSSCHWERPUNKT „ÜBERGANGSPANEL“ Auf dem Weg von der Schule in die Berufsausbildung absolvieren viele Jugendliche Zwischenschritte in Schulen, in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und in Angeboten der Jugendhilfe. Diese Zwischenschritte sollen helfen, die Jugendlichen besser auf die Anforderungen einer Berufsausbildung vorzubereiten. Jugendliche riskieren aber auch in Maßnahmekarrieren zu geraten, die sie nicht voranbringen und in deren Verlauf sie ihre Bildungsanstrengungen aufgeben, weil sich subjektiv und objektiv ihre Aussichten, eine Berufsausbildung aufzunehmen und abzuschließen, nicht verbessert, sondern verschlechtert haben. Ein Leitfaden des DJI soll aufzeigen, wo Ursachen für das Scheitern von Jugendlichen im Übergang von der Schule in Ausbildung (und später in Erwerbsarbeit) liegen, und wie durch lokales Übergangsmanagement Übergänge in Ausbildung und Arbeit wirksam unterstützt werden können. Auszüge aus einer Expertise von Matthias Müller und Frank Braun (DJI): „…2 VERÄNDERUNGEN DER ÜBERGÄNGE SCHULE – BERUF UND EXPANSION DES ÜBERGANGSSYSTEMS …Dadurch, dass die Zahl der Schulabgänger die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge regelmäßig überstieg, entstand zusätzlich zu dem jährlichen Überhang an Schulabgängern ein „Bugwelleneffekt“. Die so genannte „Bugwelle“ besteht aus den nicht in Ausbildung gekommenen Bewerbern des vorigen oder sogar mehrerer vorangegangener Jahre, die im jeweils aktuellen Ausbildungsjahr zu den neuen Bewerbern noch als Altbewerber hinzukommen. … Die Schere zwischen Ausbildungsplatzbewerbern und Stellenangebot öffnete sich in beide Richtungen. Einerseits haben in den neunziger Jahren geburtenstarke Jahrgänge die Schule verlassen, wodurch die Zahl der Bewerber stetig stieg.  Andererseits ging die Anzahl der neu abgeschlossenen Berufsausbildungsverträge insbesondere in den Jahren 1999 bis 2003 stark zurück, so dass sich die Schere zwischen Angebot und Nachfrage der Ausbildungsstellen immer weiter öffnete. … Die Lücke, die zwischen dem Verlassen der Schule und der Einmündung in eine Ausbildung entsteht, hat zunehmende Wartezeiten zur Folge, die zwischen Schule und Berufsausbildung liegen. Diese Wartezeiten füllen viele Jugendliche durch die vorübergehende Teilnahme an Angeboten des Übergangssystems aus, zum Teil geben sie aber auch ihre Ausbildungsanstrengungen auf und suchen Arbeit als Ungelernte. … Der Anstieg der Zahl der Bewerber … wurde nur vorübergehend und nur teilweise durch das Ausbildungssystem aufgefangen. Darum kam es zu einem kontinuierlichen Anstieg der Einmündungen in Alternativangebote des Übergangssystems. Am deutlichsten ist diese Entwicklung bei den Berufsvorbereitenden Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit abzulesen, bei der die Zahl der Einstiege seit 1992 bis zum Jahr 2005 kontinuierlich und im Verhältnis zu anderen Alternativen am stärksten zunahm. … Der weitere Besuch einer Schule von Jugendlichen, die ursprünglich Bewerber für Ausbildungsplätze waren, stieg von ca. 73.000 im Jahr 1992 auf über 136.000 im Jahr 1998 an und verblieb seitdem auf annähernd gleich hohen Niveau. Besonders problematisch ist der Anstieg der Zahl der Jugendlichen, die das Ziel einer Berufsausbildung mit dem Einstieg in ungelernte Arbeit ersetzen. Diese Alternative ist mit einem hohen Armuts- und Arbeitslosigkeitsrisiko verbunden und stellt außerdem innerhalb der Struktur des deutschen Arbeitsmarktes mit einem stetig wachsenden Bedarf an qualifizierter Arbeit einen Verlust des Potenzials qualifizierter Arbeitskräfte dar. Aus diesen Entwicklungen lassen sich verschiedene Schlüsse ableiten, die auf Problemlagen hinweisen. Zum einen gelingt es einem immer kleineren Teil der Schulabsolventen, direkt im Anschluss an die Schule in eine Berufsausbildung des dualen Systems einzumünden. Dementsprechend nahm die Häufigkeit alternativer Anschlüsse zu, die jedoch einen späteren Eintritt in eine Ausbildung befördern oder zumindest nicht verhindern sollten. … Der Nationale Bildungsbericht bewertet denn auch die in dieser steigenden Zahl von Einmündungen in Alternativen zur Berufsausbildung zum Ausdruck kommende Expansion des Übergangssystems als „möglicherweise folgenreichste und problematischste Strukturverschiebung“ im System der beruflichen Bildung (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 80): „Der starke Bedeutungsanstieg des Übergangssystems, der dessen Anteil an allen Neuzugängen zur Berufsausbildung zwischen 1995 und 2004 um etwa acht Prozentpunkte auf etwa 40 % anschwellen ließ (…), stellt eine ernsthafte bildungspolitische Herausforderung dar‘. … 3 INDIVIDUELLE VERLÄUFE IM ÜBERGANGSSYSTEM … Betrachtet man die Situation der Jugendlichen 30 Monate nach Ende der Schulzeit, so werden erfolgreiche, aber auch riskante Wege sichtbar: – Die überwiegende Mehrheit derjenigen, die unmittelbar nach der Schule die Berufsausbildung begonnen haben, befindet sich 30 Monate nach Ende der Pflichtschulzeit noch immer in Ausbildung. Auch die Jugendlichen, denen nach weiterem Schulbesuch oder nach einem Jahr der Berufsvorbereitung der Einstieg in Ausbildung gelungen ist, bleiben stabil dabei. – Zwiespältig stellt sich die Situation derjenigen dar, deren erster Schritt nach der Schule die Teilnahme an einem berufsvorbereitenden Bildungsgang war: Ein gutes Drittel hat von dort aus den Sprung in die Berufsausbildung geschafft. Ein weiteres knappes Drittel befindet sich erneut in einer Berufsvorbereitung. Ein kleinerer Teil der Jugendlichen geht weiter zur Schule. Bei 15 % folgt auf Berufsvorbereitung Arbeitslosigkeit. – Von denen, die nach Ende der Schulpflicht weiter zur Schule gegangen sind, ist 30 Monate später fast jede/r Zweite noch immer in der Schule. … Die …, für die der weitere Schulbesuch eher eine Notlösung war, als sie keinen Ausbildungsplatz fanden, haben erneut den Zugang zur Berufsausbildung gesucht und sind dabei relativ erfolgreich gewesen: Fast zwei Drittel von ihnen haben eine Berufsausbildung aufgenommen. Bei zehn Prozent allerdings hat der weitere Schulbesuch (zumindest erst einmal) in die Arbeitslosigkeit geführt. – Stark angestiegen im zeitlichen Verlauf ist der Anteil derjenigen, die ihre Bildungs- und Ausbildungsanstrengungen eingestellt haben: Etwa jede/r Sechste ist 30 Monate nach Ende der Pflichtschulzeit arbeitslos oder arbeitet als ungelernte Arbeitskraft. Bei diesen Jugendlichen ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie noch eine Ausbildung abschließen. Sie werden zukünftig zu den Risikogruppen des Arbeitsmarktes gehören. Der jährlich steigende Anteil von Jugendlichen in Ausbildung deutet darauf hin, dass Übergänge von der Schule in den Beruf länger dauern als in früheren Jahren. 30 Monate nach Ende der Pflichtschulzeit ist erst gut der Hälfte der Jugendlichen der Einstieg in Ausbildung gelungen. Die Verlängerung des Übergangs wird überwiegend durch weiterführende Schulbesuche und durch die Teilnahme an berufsvorbereitenden Angeboten verursacht. … Ein Teil der Jugendlichen fällt während des verzögerten Übergangs aus dem Bildungs- und Ausbildungssystem heraus und befindet sich außerhalb jeglicher Übergangs- oder Ausbildungsarrangements. Zum einen sind das die Jugendlichen ohne Arbeit und Ausbildung zum anderen diejenigen, die einer ungelernten Arbeit nachgehen. … Die Wege, die Jugendliche zwischen Schule und Berufsausbildung nehmen (müssen), sind mit Chancen und Risiken verbunden: Erfolgreich sind Wege, die längerfristig angelegt sind bzw. bei denen aneinander anschließende Qualifizierungsschritte systematisch aufeinander aufbauen. Auf diesen Wegen erreichen auch Jugendliche den Zugang zur Ausbildung, die ursprünglich nicht über ausreichende Bildungsvoraussetzungen verfügten. Riskant sind demgegenüber kurzfristig angelegte Qualifizierungsschritte, die nicht aufeinander abgestimmt sind, von Phasen von Arbeitslosigkeit unterbrochen werden und nicht zu verwertbaren Abschlüssen führen. Das Problem ist weniger, dass die Jugendlichen nach der Schule unversorgt auf der Straße stehen. Das Problem ist vielmehr, dass sich Jugendliche mit der wachsenden Dauer der Teilnahme an nicht abgestimmten Fördermaßnahmen immer weiter von ihren ursprünglichen Ausbildungszielen entfernen. Die Folge ist, dass sie aus der Sicht von Ausbildungsbetrieben dadurch zu problematischen Bewerberinnen und Bewerbern werden, die einen zu langen Zeitraum in Warteschleifen verbracht haben. … 4 REGIONALE UNGELERNTENQUOTEN … Um die Zusammenhänge zwischen regionalen Bedingungen auf dem Lehrstellenmarkt und regionalen Ungelerntenquoten aufklären zu können, betrachten wir in einem ersten Schritt die Ungelernten im Alter von 25 Jahren, da in diesem Alter in der Regel Maßnahmen des Übergangs- und Ausbildungssystems abgeschlossen sind und unwahrscheinlich ist, dass diese ungelernten Personen noch eine Ausbildungen beginnen. Dafür untersuchen wir die Kohorte der im Jahr 2004 25-Jährigen. Um den Einfluss des Ausbildungsmarktes auf die Ungelerntenquote zu überprüfen, ziehen wir Daten über die Angebots- /Nachfragerelationen für den Zeitpunkt heran, zu dem diese Gruppe 16 und 17 Jahre alt war und die Schule verlies. Das sind die Daten für das 1996 beginnende Ausbildungsjahr. … Zwar gibt es einerseits tatsächlich Länder (Bayern, Baden-Württemberg) und Arbeitsagenturbezirke (Traunstein, Rosenheim, Weißenburg, Ingolstadt, Landshut, Freising, Weilheim) in denen eine günstige Angebots-Nachfragerelation im Jahr 1996 mit einer unterdurchschnittlichen Ungelerntenquote im Jahr 2004 zusammenfällt. Auch treffen in Berlin und in Agenturbezirken wie Bremerhaven, Dortmund, Gelsenkirchen und Duisburg ungünstige Angebots-Nachfragerelationen mit überdurchschnittlichen Ungelerntenquoten zusammen. Aber es gibt auch die Gegenbeispiele: Auch bei regional sehr ungünstigen Angebots- Nachfragerelationen kann die Ungelerntenquote deutlich unterdurchschnittlich ausfallen. Besonders hervorstechende Beispiele sind z. B. Bautzen, Dessau, Neubrandenburg, Sangerhausen, Eberswalde und Frankfurt/Oder. In diesen Arbeitsagenturbezirken herrschte im September 1996 ein extremes Ungleichgewicht zwischen Ausbildungsplatznachfrage und -angebot zu Ungunsten der Stellenbewerber. Dennoch sind in diesen Bezirken die Ungelerntenquoten der nunmehr 25-Jährigen unterdurchschnittlich gering. Der umgekehrte Fall liegt beispielsweise in den Arbeitsamtsbezirken Meschede, Nagold, Offenburg, Reutlingen und Villingen-Schwenningen vor. In diesen Bezirken gab es 1996 eine positive Angebots-Nachfragerelation und dennoch sind im September 2004 die Ungelerntenquoten der 25-Jährigen überdurchschnittlich hoch. Demnach können also unterschiedlich hohe Ungelerntenquoten nicht einfach mit unterschiedlichen Angebotssituationen auf dem Lehrstellenmarkt und damit einhergehenden individuellen Zugangschancen zu einer Ausbildung erklärt werden. Die regional sehr unterschiedliche Ungelerntenquote zum September 2004 spiegelt nur partiell (so z. B. in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern) die regionalen Angebots- und Nachfrage-Relationen für Ausbildungsplätze wieder. Während in den meisten ostdeutschen Arbeitsagenturbezirken ein Überhang bei den Bewerbern zu beobachten ist, werden in den westdeutschen Bezirken nach wie vor mehr Lehrstellen angeboten als Ausbildungssuchende zu verzeichnen sind. Die Quote der Ungelernten ist dennoch in Ostdeutschland niedriger als in Westdeutschland. Insofern müssen weitere Faktoren zur Erklärung der unterschiedlichen Ungelerntenquoten herangezogen werden. Ein solcher Faktor ist die Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung in der Region nach sozialen und Bildungsmerkmalen. Betrachtet man die Unterschiede zwischen Arbeitsagenturbezirken innerhalb der westdeutschen Bundesländer, so gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen hohen Ungelerntenquoten und hohen Anteilen von bildungsfernen Personen unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Wohnbevölkerung des entsprechenden Arbeitsagenturbezirkes. Es sind dies Bevölkerungsgruppen (insbesondere auch junge Leute mit Migrationshintergrund), die auch bei den PISA-Untersuchungen unterdurchschnittliche Kompetenzwerte erreichen, überdurchschnittlich häufig die Schule ohne Abschluss verlassen und in der Berufsausbildung unterrepräsentiert sind. Analoge Zusammenhänge werden auch in ostdeutschen Bundesländern sichtbar. Hier sind es Arbeitsagenturbezirke mit hohen Anteilen bildungsferner Jugendlicher deutscher Herkunft, die (gemessen am jeweiligen Landesdurchschnitt) überdurchschnittliche Ungelerntenquoten aufweisen. Insofern dürften die Ungelerntenquoten – wie auch nach PISA die Schulleistungen – zumindest teilweise Ausdruck der Bedeutung der sozialen Herkunft für das Gelingen oder Misslingen von Bildung und Ausbildung sein. Das allerdings wirft für das Ausbildungssystem (wie auch für die Schule) die Frage auf, ob es sich der Wirtschaftsstandort Deutschland leisten kann, junge Leute deshalb überdurchschnittlich häufig ohne Ausbildung ins Arbeitsleben zu schicken, weil sie selbst oder ihre Eltern nicht in Deutschland geboren oder bereits ihre Eltern nur gering qualifizierte Arbeitskräfte sind. Dabei macht der Ost-West-Vergleich deutlich, dass es auch in Regionen mit schwacher Wirtschaftsstruktur möglich ist, die Ungelerntenquote gering zu halten. Wahrscheinlich ist dies sogar eine unabdingbare Voraussetzung dafür, Strukturschwächen zu überwinden. Hier schließt sich schließlich der Kreis zu den ob referierten Ergebnissen zu den  Effekten des Ausbildungs- und Übergangssystems: Ausbildungs- und Übergangssystem können auch Jugendliche mit ungünstigen Bildungsvoraussetzungen erfolgreich zu Ausbildungsabschlüssen führen. Erfolgreich sind Wege, die längerfristig angelegt sind bzw. bei denen aneinander anschließende Qualifizierungsschritte systematisch aufeinander aufbauen. … Das gilt auch für Angebote des Übergangssystem, die geeignet sind, Bildungsdefizite zu kompensieren und in denen Abschlüsse erworben werden können, bzw. für die Anschlüsse garantiert sind, die zu Abschlüssen führen. Angesichts der Vielfalt von Zuständigkeiten für Angebote des Übergangssystems (allgemein bildende und berufliche Schulen, Maßnahmen der Arbeitsagenturen und ARGEn, Maßnahmen der kommunalen Jugendämter, Landesprogramme) sind dafür Abstimmungen und Kooperation erforderlich. Hier ist lokales Übergangsmanagement gefordert. “ Der DJI-Leitfaden ist über aufgeführten Link im Volltext als Download erhältlich.

http://www.dji.de
http://www.dji.de/bibs/276_8302_Expertise_Uebergangsmanagement.pdf

Quelle: Deutsche Jugendinstitut

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