PROFESSOR DR. RAINER DOLLHASE REFERIERTE ÜBER GUTEN UNTERRICHT “ Die Naturwissenschaften reißen es nicht wirklich raus. So richtig jubeln kann eigentlich niemand über die aktuellen PISA-Ergebnisse. Was also muss im bundesdeutschen Bildungswesen geschehen, damit PISA-Mittelfeldspieler Deutschland wieder an die Spitze der internationalen Bildungscharts klettert? Guten Unterricht machen, könnte man meinen. Das System verbessern. Aber wie genau macht man das? Der Bielefelder Psychologe Professor Dr. Rainer Dollase versuchte auf Einladung des Kreisjugendamts Paderborn Antworten auf diese Fragen zu finden. Die frühe Verschulung sei ein Irrtum, sagte Dollase. PISA-Sieger Finnland schicke seine Kinder mit sieben zur Schule. Außerdem habe die Auswertung der IGLU-Daten von 6.600 Viertklässlern ergeben, dass früh eingeschulte Kinder im vierten Schuljahr deutlich schlechter als die normal bzw. später eingeschulten Kinder seien. In Finnland werde im traditionellen Sinne unterrichtet, d.h. sehr lehrerzentriert. Solides Handwerk sei dort angesagt. Die Lehrer würden nicht mit immer neuen und modernen Methoden traktiert. ,„Modernität ist ein Null-Argument“, so der Referent. Er wisse nicht, wer die „alberne Idee von den Evaluationsschleifen“ ins Spiel gebracht habe. Aber er wisse, dass damit zuviel Zeit verplempert würde. Lehrer müssten Zeit haben, guten Unterricht zu machen und diesen auch vorzubereiten. In Finnland würden die Pädagogen durch Schulassistenten vom ganzen Büro- und Bürokratiekram entlastet. Bewertet würden zudem überwiegend die schriftlichen Leistungen der Schüler. Die Beurteilung der mündlichen Mitarbeit habe nur zu einer „interessanten Schwätzerkultur“ geführt, dieser „Talk-Show Unterricht“ sei wenig effizient, man könne auch schweigend lernen, so Dollase, nämlich durch Zuhören. Im Übrigen gebe es auch nicht den guten Unterricht und auch nicht den guten Lehrer. „Gute Schüler können schlechten Unterricht kompensieren. Guter Unterricht schlechte Schüler“, meint Dollase. Wichtig sei, dass es dem Lehrer gelinge, eine Beziehung zu den Kindern herzustellen, ihnen das Gefühl zu geben, „der nimmt mich Ernst, der hat mich im Blick, bei dem lerne ich was“. Lehrer müssten authentisch sein dürfen. Je nach Talent und Neigung gebe es viele Wege und Unterrichtsmethoden, um guten Unterricht hinzubekommen. In den empirischen Studien habe sich immer wieder gezeigt, dass das „classroom management“ ein zentraler Erfolgsfaktor sei. Salopp übersetzen könnte man das mit „den Laden im Griff haben“. Lehrer müssten Bescheid wissen, was im Unterricht vorgeht, aufmerksame Beobachter sein und rechtzeitig eingreifen, bevor Unruhe aufkommt. Ziel sei die „Vollbeschäftigung“ der Schüler. Der Referent warb zudem für mehr Schulpsychologen. In NRW seien schätzungsweise 20 Prozent der Schüler verhaltensgestört. „Da kommen Sie dann ganz schnell an Ihre Grenzen“, sagte Dollase in die Richtung der anwesenden Lehrer. Letztlich müssten alle etwas zum Erfolg von Unterricht beitragen. Schüler, Lehrer, Eltern, die Gesellschaft. Dollase sprach von einer pädagogischen Lastenverteilung: „Wer nicht investiert, erzwingt Zusatzinvestitionen von anderen“. Finnland habe auch deshalb so gut abgeschnitten, weil sie weniger Schüler mit Migrationshintergrund hätten. „Deshalb sind nicht die Schüler schlecht sondern das System hat versagt. An dieser Stelle müssen auch Sie in Paderborn nachlegen, mehr für die Integration ausländischer Schüler tun“, so Dollase abschließend. “
Quelle: Kreisverwaltung Paderborn – Pressestelle