RECHTSAUSLEGUNG DES BMAS § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II – STELLUNGNAHME DER BAG KJS “ Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Referat „Leistungsrecht der Grundsicherung für Arbeitssuchende“, hat sich mit Schreiben vom 21. November dieses Jahres an die optierenden Kommunen gewandt. In diesem Schreiben wird die Rechtsauffassung des Ministeriums zu Fragen der Umsetzung des §16 Abs. 2 Satz 1 SGB II dargelegt. Nach Gesprächen und Erfahrungsaustausch des Ministerium mit den zugelassenen kommunalen Trägern und den aufsichtsführenden Bundesländern wurden abweichende Rechtsauffassungen des Bundesministeriums Arbeit und Soziales deutlich. Hierbei geht es im Kern um die Frage, ob der genannte Gesetzesabschnitt die Grundlage für neue Fördermaßnahmen und Projekte bietet. Der Abschnitt lautet: SGB II, § 16 (2) Über die in Absatz 1 genannten Leistungen hinaus können weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind die weiteren Leistungen dürfen die Leistungen nach Absatz 1 nicht aufstocken. Zu den weiteren Leistungen gehören insbesondere 1. die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, 2. die Schuldnerberatung, 3. die psychosoziale Betreuung, 4. die Suchtberatung, 5. das Einstiegsgeld nach § 29, 6. Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz. Die Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Länder hat am 22. November hierzu einstimmig ein Positionspapier beschlossen, das der Rechtsauffassung des Ministeriums in den allermeisten entscheidenden Punkten widerspricht. Die Umsetzung und Anwendung der Rechtsauslegungen des BMAS hätte gravierende Auswirkungen auf die vielfach erfolgreiche, den Gegebenheiten vor Ort angepasste Praxis. Die Träger der Grundsicherung, optierende Kommunen und auch Argen, haben ein vielfältiges Instrumentarium zur Integration hilfebedürftiger Arbeitssuchender in Qualifizierung entwickelt und erprobt. “ Die BAG KJS bezieht wie folgt Stellung zu dem Sachverhalt: “ RECHTSAUSLEGUNG GEFÄHRDET PASSGENAUE EINGLIEDERUNGSHILFEN 1. Weitere Leistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II Anlass des Briefes des BMAS ist eine Uneinigkeit zur Rechtsauslegung des § 16 Abs. 2 SGB II zwischen den optierenden Kommunen/Bundesländern und der Abteilung „Leistungsrecht des SGB II“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. In dem Brief fordert das BMAS die SGB II-Träger und die Bundesagentur für Arbeit auf, die auf Grundlage von § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II erbrachten Leistungen nur weiter zu fördern, sofern diese der Rechtsauslegung des Ministeriums entsprechen. Die Förderung regionaler, der Zielgruppe angepasster Lösungen, die den Integrationsprozess stützen, würde damit entfallen. Das BMAS-Schreiben wirft den SGB II-Trägern eine freie Mittelverwendung im Sinne einer Experimentierklausel vor. Aus Sicht der BAG KJS entspricht diese Rechtsauslegung nicht dem Willen des Gesetzgebers. Vielmehr war intendiert, dass die SGB II-Träger Handlungsspielräume erhalten, um die Angebote der Arbeitsförderung bedarfsgerecht auszugestalten. So konnte seit Einführung des SGB II in vielen Städten und Regionen eine Angebotsstruktur geschaffen werden, die auf die jeweils unterschiedlichen lokalen Bedingungen und die Förderbedarfe der Arbeitslosen zugeschnitten ist. Insbesondere Jugendliche mit vielfältigen Vermittlungshemmnissen benötigen niedrigschwellige, flexible Angebote. Gefördert werden über § 16 Abs. 2 beispielsweise aufsuchende Dienste zur Verhinderung von Verwahrlosung und Verarmung bei sanktionierten Jugendlichen, Hilfestellung bei Rückführung in Maßnahmen des SGB II, Ausbildungszuschüsse für die Teilzeitausbildung junger Mütter, pädagogisch betreute berufliche Orientierungshilfen, Sprachkurse für Migrantinnen und Migranten sowie sozialpädagogische Begleitung. Alle diese Angebote schaffen die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration von arbeitslosen jungen Menschen in Ausbildung oder Arbeit. Dem Anspruch des Gesetzgebers nach einer unverzüglichen Vermittlung von jungen Menschen, wie es der § 3 SGB II vorsieht, ist ohne diese flexibel einsetzbaren Eingliederungsleistungen nicht möglich, weil die Instrumente des SGB III nur für einen Teil der Jugendlichen greifen. Die Umsetzung der Rechtsauslegung des BMAS würde das Aus für viele dieser guten vor Ort entwickelten Konzepte von Eingliederungsleistungen bedeuten. Die im § 3 des SGB II geforderte Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation der Hilfebedürftigen wäre kaum noch möglich. Die erfolgreichen passgenau zugeschnittenen Angebote zur Integration der hilfebedürftigen Arbeitssuchenden in den Optionskommunen und Arbeitsgemeinschaften nach SGB II wären also massiv gefährdet. Die BAG KJS tritt entschieden für die Notwendigkeit dieser Angebote ein und fordert zur Sicherung derer die Schaffung einer verlässlichen Rechtsgrundlage im SGB II. 2. Einhaltung von vergaberechtlichen Regelungen Das BMAS verlangt zudem für die Angebote nach § 16 Absatz 2 die Vergabe nach VOL und damit die öffentliche Ausschreibung der Maßnahmen durch die Optionskommunen und Arbeitsgemeinschaften. Die BAG KJS warnt vor diesem Vorgehen. Die Ausschreibung von Arbeitsmarktdienstleistungen, insb. der Angebote für Jugendliche aus dem SGB III, führt schon jetzt zu massiven Problemen in der Aufgabenwahrnehmung und Qualitätsentwicklung, wie aus anderen Zusammenhängen weithin bekannt ist. Insbesondere die Jugendlichen selbst und Betriebe leiden unter ständig wechselnden Trägerschaften und fehlender Kontinuität der Ansprechpartner/-innen. Alle Rückmeldungen aus der Förderpraxis belegen, dass der Aufbau von funktionierenden Angeboten und Kooperationsstrukturen Zeit und Erfahrung der Träger voraussetzen. Die Vergabepraxis in Form von öffentlichen Ausschreibungen erschwert also die Integration junger Hilfebedürftiger in Ausbildung und Arbeit bzw. verhindert sie und ist deshalb kontraproduktiv. Die BAG KJS fordert, wie in § 17 SGB II formuliert, dass die SGB II-Träger mit den Leistungserbringern Vereinbarungen über die Leistungen nach § 16 Absatz 2 treffen, in der Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen geregelt werden. Die BAG KJS bewertet die Rechtsauslegung durch das BMAS als fachlich unzureichend und bezweifelt die Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers. Für die erfolgreiche Integration benachteiligter und individuell beeinträchtigter Jugendlicher würde die Umsetzung einen Rückschritt bedeuten. Die BAG KJS fordert die Verantwortlichen auf, sich für eine sofortige Rücknahme der Weisung stark zu machen. “ Im Anhang sind die Stellungnahme der BAG KJS, ein afa-Info, dass die wichtigen Punkte zusammen fasst, das Schreiben des Ministeriums Arbeit und Soziales, das Positionspapier der Länder, eine Managementinfo der BA und eine Pressemeldung des BDKJ zum Doanload bereit gestellt.
Quelle:
Dokumente: Pressemeldung_BDKJ.pdf