Rechtsauffassung des BMAS zu § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II schränkt Förderung arbeitsmarktferner junger Menschen stark ein

LOKALE GESTALTUNGSSPIELRÄUME MÜSSEN ERHALTEN BLEIBEN Die Diskussion um die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales der weiteren Leistungen im SGB II reist nicht ab. Die Auffassung des BMAS bzw. die Rechtsauslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 bedeutet erhebliche Einschränkungen für die erfolgreiche Integration von Arbeitssuchenden. Geht es nach dem Willen des BMAS, können wichtige passgenaue Hilfen für besondere Zielgruppen wie Jugendliche, Alleinerziehende oder Migranten nicht mehr angeboten werden. Ob anhaltender Proteste von Verbänden, Trägern der Grundsicherung oder der Länder, hält das Ministerium an seiner Auffassung fest. Am 9. April wird sich der Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales erneut mit der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsministeriums befassen. Anlass ist ein entsprechender Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Kooperationsverbund hat das zum Anlass genommen, die Abgeordneten der Ausschüsse ‚Arbeit und Soziales‘, ‚Familie, Senioren, Frauen und Jugend‘ sowie ‚Bildung und Forschung‘ um Unterstützung dafür zu bitten, dass die notwendigen Förderungsmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume für die Integration von arbeitsmarktfernen jungen Menschen erhalten bleiben. Auszüge aus dem Schreiben des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit vom 04.04.2008: “ EINZELFALLHILFEN REICHEN NICHT AUS. Bislang wurden im Rechtskreis des SGB II über den §16 Absatz 2 Satz 1 zahlreiche, an lokale Bedarfe angepasste Einzel– und Gruppenmaßnahmen zur Integration Jugendlicher in den Arbeitsmarkt gefördert. Diese �sonstigen weiteren Leistungen’ sollen nach dem Willen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales lediglich als ergänzende Einzelfallhilfen zur beruflichen Integration eingesetzt werden. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit kritisiert, dass mit dieser Einschränkung notwendige Gruppenangebote wegfallen werden – so etwa tagesstrukturierende Maßnahmen für Personen, die gerade nicht unmittelbar in den Arbeitsmarkt integriert werden können. RÜCKMELDUNGEN AUS DER PRAXIS: KOFINANZIERUNGEN WERDEN VERHINDERT UND ANGEBOTE IN KOOPERATION MIT DER JUGENDHILFE GEFÄHRDET  Einer Abfrage bei den Trägern der im Kooperationsverbund organisierten Verbände zufolge, stehen nun zahlreiche erfolgreiche Projekte, die mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und der Jugendämter kofinanziert werden, vor dem Aus bzw. neue Projekte werden nicht mehr geplant, wenn sich die Rechtsauffassung des BMAS durchsetzt. Dies hätte zur Folge, dass Förderprogramme, etwa der EU oder der Kommunen, nicht mehr durch� sonstige weitere Leistungen’ des SGB II ergänzt oder aufgewertet werden dürfen. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit macht darauf aufmerksam, dass es für eine wirtschaftlich verantwortliche Umsetzung des SGB II jedoch notwendig ist, ergänzende Förderprogramme für die Eingliederungsarbeit nutzbar zu machen.    Im Hinblick auf die Förderung von sozial und individuell benachteiligten Jugendlichen werden Kooperationsprojekte mit der Jugenhilfe auch in fachlicher Hinsicht dringend benötigt. Ein Beispiel hierfür sind die Kompetenzagenturen, die zurzeit im Rahmen eines Bundesmodellprogramms des Bundesfamilienministeriums an rund 200 Standorten junge Menschen mit multiplen Problemlagen beim Übergang in den Beruf begleiten. In der vom Bundestag mit der Mehrheit der Koalition am 18.01.2008 verabschiedeten Qualifizierungsinitiative bilden die Kompetenzagenturen einen wesentlichen Baustein zur Integration und Innovation in der Ausbildung. Sie leisten bereits jetzt einen wichtigen Beitrag innerhalb einer nachhaltigen, individuell gestalteten Übergangsbegleitung für besonders benachteiligte junge Menschen auf dem Weg von der Schule ins Berufsleben. Mit den Vorgaben des BMAS wird dieses erfolgreiche Modell in Frage gestellt, da die erforderliche Kofinanzierung an vielen Standorten wegfällt. Nach Schätzungen des Kooperationsverbundes sind mindestens 60% der Kompetenzagenturen von diesen Einschränkungen betroffen. … MASSNAHMEN DER BERUFSVORBEREITUNG ERSETZEN NICHT PAUSCHAL NIERDRIGSCHWELLIGE ANGEBOTE Maßnahmen der Berufsvorbereitung sind – anders als es das BMAS in seinem Schreiben nahe legt – keineswegs als genereller Ersatz für die verschiedenen Angebote zur Herstellung der Ausbildungsreife geeignet. Für einen großen Teil der lernbeeinträchtigten oder lernentwöhnten Jugendlichen sind berufsvorbereitende Maßnahmen kein geeignetes Instrument der Integration. Die Erfahrungen der vor Ort tätigen Träger der Jugendberufshilfe zeigen, dass die Abbruchquoten gerade bei dieser Zielgruppe in BvB-Maßnahmen besonders hoch sind. Zahlreiche Jugendliche sind dort überfordert, weil ihnen beim modularen Aufbau der Bildungsmaßnahmen feste Ansprechpartner(innen) und vertraute Bezugsgruppen fehlen. … In diesem Zusammenhang schätzt der Kooperationsverbund auch die Einschränkung von Kursen zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses als äußerst problematisch ein. Unter den Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II ist der Anteil der gering Qualifizierten besonders hoch. Jede/r Fünfte von ihnen hat keinen Schulabschluss, bei den Jugendlichen ist es sogar jede/r Vierte. … DER KOOPERATIONSVERBUND JUGENDSOZIALARBEIT FORDERT DEN ERHALT DES LOKALEN HANDLUNGSSPIELRAUMS ZUR UMSETZUNG DER SONSTIGEN WEITEREN LEISTUNGEN. Neue, auf den kommunalen und individuellen Bedarf abgestimmte Maßnahmen konnten  bisher über § 16 Absatz 2 Satz 1 SGB II erprobt werden. Diese Innovationsklausel  hat es den Trägern der Grundsicherung ermöglicht, eigene, passgenaue Angebote für jungen Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf zu entwickeln. Solche Gestaltungsspielräume haben sich bewährt und sind auch in Zukunft notwendig. VERGABERECHTLICHE VORGABEN DÜRFEN PÄDAGOGISCHE ARBEIT NICHT BEHINDERN. … Aus Sicht des Ministeriums sind Vereinbarungen nach §17 Abs.2 SGB II auf der Basis des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. im Zusammenhang mit der Einlösung von individuellen Vermittlungsgutscheinen) zwar möglich. In der Regel müssen aber auch Eingliederungsmaßnahmen, hierzu zählen gemäß der Auffassung des BMAS alle� klassischen Arbeitsfördermaßnahmen’ für Jugendliche, öffentlich ausgeschrieben werden. Der Kooperationsverbund weist darauf hin, dass für benachteiligte Jugendliche verlässliche Angebote auf hohem sozialpädagogischem Niveau erforderlich sind. Die vernetzte und vertrauensvolle Zusammenarbeit der unterschiedlichen Beteiligten – der Betriebe, der Berufsschulen, der Träger der Jugendsozialarbeit und Fallmanager(innen) der ARGEN – ist hierbei unerlässlich. Durch einen ausschreibungsbedingten Wechsel der Kooperationspartner wird das für diese Arbeit notwendige Vertrauensverhältnis wischen den beteiligten Partnern nur sehr schwer aufzubauen sein. Nach Auffassung des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit wird daher die Verg abe durch öffentliche Ausschreibung fachlichen und pädagogischen Anforderungen e indeutig nicht gerecht. Alternativen zur öffentlichen Ausschreibung bei der Umse tzung von Eingliederungsleistungen im SGB II müssen viel stärker als bsher zur p raktischen Anwendung kommen, zumal das SGB II gute Grundlagen bietet, um beispie lsweise Leistungen über Zuwendungen zu finanzieren oder die Leistungserbringung  im sozialrechtlichen Dreiecksverhältis zu organisieren. Angesichts der ausstehenden Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente fordert der Kooperationsverbund dazu auf, Regelungen zu erhalten, mit denen die verfügbaren Arbeitsmarktinstrumente lokal angepasst und flexibel eingesetzt werden können. … “ Den Brief des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit an die Politikerinnen und Politiker sowie den Antrag der Grünen entnehmen Sie bitte dem Anhang.

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Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit

Dokumente: 080312_Lokale_Entscheidungsspielraeume_und_passgenaue_Hilfen_sichern_1608524.pdf

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